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Spider-Man: Homecoming (2017) Review

© Sony Pictures

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Fühlt sich so Nachhausekommen an? Einstmals ebneten die Spider-Man-Filme Sam Raimis das Blockbuster-Umfeld, in dem Warner/DC und vor allem Marvel/Disney Jahre später gigantische Erfolge feiern sollten – die X- und Spidermänner wussten beim breiten Publikum nicht nur eine Akzeptanz für das über Dekaden hin Nerdische zu schaffen, sondern darüber hinaus einen immer noch ungebrochenen Appetit für das Superheroische zu wecken. Verrückt, dass sich nur wenige Zeit später die einstmaligen Wegbereiter schnell überrundet sahen; nicht nur die X-Men aus dem Hause Fox sollten zukünftig mit starken Qualitätsausreißern zu kämpfen haben. Denn Sony schaffte es mit seinem Studio-Kuddelmuddel, nicht nur den Leinwandvater des Spinnenmannes, Sam Raimi, zu vergraulen, sondern mit zwei durchschnittlichen und dem Genre-Trend hinterherhechelnden, lauwarmen Aufgüssen seine eigene Konkurrenzidee zum Marvel Cinematic Universe mit dem Kopf voraus gegen die Wand zu schwingen. Wo aber all die Jahre eine Rückkehr der Marke ins Marvel-Zuhause weiter unmöglich schien, schließlich wusste selbst ein unterdurchschnittlicher Spider-Man noch Geld einzuspülen, schien es gerade diesen Crash zu brauchen, um die Oberen bei Sony direkt in Disneys Arme zu treiben. Warum selbst beim teuren Backversuch scheitern, wenn man vom Nachbar auf das köstlichste Stück eingeladen wird – und so staunten Fans doch nicht schlecht, als „Spider-Man“ zum Erstauftritt seinen Weg in die Superhelden-Klopperei „Civil War“ und nun ein Jahr später auch in seine eigene Neuverfilmung fand. Mit ordentlich Gastauftritten, Knowhow und Charisma des großen Bruders vom roten M im Gepäck.

Dabei scheint der Film alle Zweifler zurückholen zu wollen, jene, die Spider-Man vielleicht nicht mehr weiter kümmern würde, aber den Auftritt Iron Mans im Trailer einfach zu verlockend fanden. In Konsequenz startet die erste Einstellung auch mit einem Blick auf den Avengers-Tower, frisch nach der ersten Schlacht gegen Loki und seine Schergen in einem verwüsteten New York. Dieses gigantische Chaos verlangt natürlich nach einem gewaltigen Aufräumtrupp, Unternehmer Adrian Toomes (Michael Keaton) wittert hier das große Geld, sieht sich allerdings wenig später unfair aus dem Geschäft gedrängt – die Lastwagen allerdings noch voll hochentwickelter Alien-Waffentechnologie, welche sich satte Gewinne einfahrend verscherbeln lässt. Einen Zeitsprung später finden wir uns im Leben Peter Parkers (Tom Holland) wieder, der nach seinem Gastauftritt bei den Avengers immer noch auf den Rückruf von Vorbild und Mentor Tony Stark (Robert Downey Jr.) wartet. Dieser rät dem Netzschwinger allerdings, sich seine Sporen erst einmal als freundliche Spinne aus der Nachbarschaft zu verdienen, bevor er sich mit den ganz Großen anlegt. Schwierig, wenn sich zwischen Fahrraddieben und Falschparkern auch Toomes Schergen tummeln, um ihre brandgefährliche Ware an den Mann zu bringen. Und in all dem Chaos muss Peter seine Geheimidentität, mehr oder minder erfolgreich, auch gegenüber seinem stressigen Privatleben, Best-Friend Ned (Jacob Batalon), Tante May (Marisa Tomei) und College-Flamme Liz (Laura Harrier) bewahren.

Lediglich ein Superman dürfte Spidey noch den Rang ablaufen, was die Bedeutung der richtigen Besetzung angeht – während sich zukünftige Stahlmann-Darsteller wohl für immer an dem ins kollektive Gedächtnis eingebrannte Christopher Reeve vergleichen werden lassen müssen, kommen einem Spider-Man immerhin noch andere Stellschrauben entgegen. Denn dass ein 21-jähriger Tom Holland einen 15-Jährigen glaubhaft zu verkörpern weiß, mag einerseits gruselig sein, bildet aber gleichzeitig das solide Fundament, auf welches der Film einen Großteil seiner Sympathien aufzubauen weiß. Holland ist dem Zuschauer von Beginn an sympathisch, da helfen besonders die Startmomente, in denen er sich vor Begeisterung kaum halten kann, im Zuge von „Civil War“ auf die großen Heldenvorbilder zu treffen und diese Freude ist absolut ansteckend. Dieser Erfolg multipliziert sich sofort, wenn Holland auf den restlichen Cast trifft, hier kann auch die kleinste Nebenrolle (Comedian Hannibal Buress als ahnungsloser Sportlehrer oder Donald Glover als schwer zu beeindruckender Kleinkrimineller) überzeugen und einige Lacher herauskitzeln. Auch ein neues Gesicht wie Jacob Batalon als Peters bester Kumpel und Obernerd Ned wirft sich vollsten Vertrauens in die Rolle des Comic-Relief und schafft jederzeit den Drahtseilakt zwischen bewunderndem Kumpel und nervigem Sprücheklopfer. Damit wirkt der Gesamtcast insgesamt weit fernab von der simplen Pflicht und finden sich eher im Bereich der willkommenen Kür. Und auch die so groß beworbenen Aufritte Robert Downey Jrs. in seiner Paraderolle stellen sich nicht als Blender heraus; wer hier befürchtet hatte, Tony Stark würde lediglich mal zum kurzen Gastauftritt vorbeischauen, darf beruhigt sein. Stattdessen nimmt er die Mentoren- und Vaterrolle ein; besonders interessant, da die Ursprungsgeschichte von Peter Parkers Spinnenkräften einfach simpel ausgespart wird – Abwesenheit eines sterbenden Onkel Ben und die Worte „Great Power, Great Responsibility“ inklusive.

© Sony Pictures

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Hiermit tut sich der Film selbst den größten Gefallen und hält so das Tempo weiter hoch, was die Zuschauerschaften vor der Leinwand auch die zwei Stunden Laufzeit weiter vergessen lassen dürfte. Denn gemessen an der Tragweite seiner Geschichte ist der neue Spider-Man eigentlich etwas zu groß und etwas zu lang, kann sich hier also auch nicht den Problemen entgegenstellen, die so manchen modernen Blockbuster plagen, weiß sie aber an fast jeder Stelle gut zu kaschieren. Daran dürfte auch Bösewicht Michael „Vulture“ Keaton nicht unschuldig sein. Keaton scheint nach Bat- und Birdman die Flatter- und Vogelmänner gefressen zu haben und bringt ordentliches Charisma mit an den Tisch. Damit kann er in einer Begegnung zwischen ihm und Peter auch außerhalb ihrer Kostüme vor dem großen Finale für ordentlich Spannung in der Luft sorgen. Und wenn wir schon von Kostümen sprechen: Keatons „Vulture“-Rüstung macht optisch genug her, um in Erinnerung zu bleiben und aus den eher gewöhnlichen Action-Set-Pieces doch noch einiges herauszukitzeln.  Dieses flotte Tempo gepaart mit der perfekten Besetzung dürfte der große Pluspunkt sein, der auch beim mehrmaligen Anschauen über die Innovationsarmut des Films hinwegtäuschen dürfte. Denn natürlich erbt auch „Spider-Man: Homecoming“ nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen des Marvel-Labels, wenn vielleicht auch nicht ganz in dem Maße wie ein „Dr. Strange“ zuletzt, dessen Formelhaftigkeit sich als größter Hinkefuß des Films erwies. Auch Spidey schwingt sich nicht in völlig neue Gefilde, die große Überraschung, das große „Etwas“, bleibt aus. Aber wer mit dem bisherigen Superheldenkino rund um Iron Man und Co. glücklich war, dürfte wenig Gründe finden, gerade jetzt mit „Homecoming“ nicht glücklich zu werden und auch alle anderen könnten es mit ihrem Blockbuster für diesen Sommer viel, viel schlechter treffen.

Wenn das Kind unter geteiltem Sorgerecht so erfolgreich heranwächst wie in „Spider-Man: Homecoming“, kann man nur hoffen, dass auch Fox einige seiner Marvel-Marken bald wieder zur Adoption frei gibt – selbst wenn man die X-Men und Deadpool noch behalten wollen dürfte, das Sorgenkind „Fantastic Four“ wüsste hier vielleicht wieder aufzublühen. Denn mit „Homecoming“ liefert Jon Watts ein flottes Superhelden-Abenteuer nach bester Marvel-Formel. Wo er nicht zu innovieren weiß, profitiert der Film davon, dass die selbstironische Marvel-Manier zu Spider-Man perfekt zu passen scheint, gleichzeitig wirft er bremsenden Ballast wie Peters Origin-Story kurzerhand aus dem Fenster. Was bleibt, ist eine Teenie-Komödie mit Superheld im Mittelpunkt, die gehörig Spaß macht, getragen von einem bis in die kleinsten Rollen freudig-schräg aufspielenden Cast, einem sympathischen Hauptdarsteller und dem als Anker dienenden „großen“ Marvel-Universum im Hintergrund. „Spider-Man: Homecoming“ ist genau das; keine Offenbarung oder neue Genre-Referenz, dafür fehlt es den Action-Szenen an Knack und dem Kern des Films an etwas tatsächlich Neuem, aber es ist die Heimkehr des verirrten Sohnes, dessen zielloses Herumtreiben bzw. -schwingen wohl niemand gerne einfach so weiter mitangeschaut hätte. Ob die marvel’sche Hand zur Segnung auf dem Haupt und zum Erfolg sich nicht irgendwann aber doch als innovationsfressender Fluch erweist, bleibt weiter abzuwarten – „Spider-Man: Homecoming“ hat sich in die Gefahren dieses Netzes, zumindest vorerst, nicht verwickeln lassen.

Autor: Simon Traschinsky

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