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Irrational Man (2015) Review

© Warner Bros.

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Jedes Jahr beschert uns Woody Allen einen neuen Film. Während dieser in den USA meist angenehme Sommerunterhaltung bietet, verspätet sich die Veröffentlichung hierzulande oft um einige Monate und fällt so in den Winter. Für die hiesigen Fans wird also der neue Allen-Film jedes Jahr zum vorweihnachtlichen Geschenk, der Vorspann mit den weißen Buchstaben im immer gleichen Design vor einfachem schwarzen Hintergrund, unterlegt von Jazzmusik ist für Enthusiasten schon ein alljährliches Ritual, auf das sehnlichst gewartet wird. Die Qualität fällt dabei meist unterschiedlich aus, wirklich schlecht sind die Filme aber nie. Manche vertreten die Ansicht, dass alle zwei Jahre ein guter Allen kommt, dazwischen dagegen ein durchschnittliches Werk. In den letzten Jahren fiel das Kritiker-Echo dementsprechend aus: Auf den durchwachsenen „Ich sehe den Mann deiner Träume“ folgte der gefeierte „Midnight in Paris“. Auf den recht unbeachteten „To Rome With Love“ folgte mit „Blue Jasmine“ ein Kritikerliebling, der Cate Blanchett sogar einen Oscar verschaffte. Danach zeigte sich die Kritik bei „Magic in the Moonlight“ wieder verhalten – also müsste die Allen-Kurve dieses Mal doch wieder nach oben ausschlagen. Durchaus ist „Irrational Man“ besser als sein Vorgänger, mit den Höhenflügen der letzten Jahre kann er sich jedoch nicht messen – den Enthusiasten wird er jedoch gefallen, so wie jedes Jahr.


Ohne eine überraschende Entwicklung in der Geschichte vorwegzunehmen, ist es schwierig darüber zu berichten: Der Trailer wie auch das erste Drittel des Filmes klingen wie klassischer Allen-Stoff: Abe Lucas, ein ehemals gefeierter, nun recht abgewrackter Philosophiedozent (Joaquin Phoenix) beginnt, an einer schicken Uni in Rhode Island zu lehren – in seinem Kurs sitzt die Studentin Jill (Emma Stone), die sein Werk und vor allem seine unorthodox intellektuelle Ausstrahlung bewundert und gleichzeitig von seiner offensichtlichen Existenzkrise fasziniert ist. Es kommt, wie es kommen muss: Jill verliebt sich in den Professor, oder eher in das romantisierte Konzept der Studenten-Lehrer-Beziehung, wie Abe selbst konstatiert. Gleichzeitig erhält Abe klare Avancen einer Kollegin, und auch Jill befindet sich eigentlich gegenwärtig in einer Beziehung.

© Warner Bros.

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Normalerweise könnte diese Konstellation schon für eine vertrackte Beziehungsgeschichte ausreichen – Woody Allen entscheidet sich doch überraschend dagegen. Stattdessen entpuppt sich „Irrational Man“ nach dem ersten Drittel als waschechter Krimi auf den Spuren von „Match Point“, gleichzeitig auch mit Anleihen an beliebte Motive eines Alfred Hitchcock. Um der Spannung willen soll dies nicht weiter konkretisiert werden, wer jedoch mit den genannten Beispielen etwas anzufangen weiß, sollte sich nicht von der zuerst vordergründig erscheinenden „Beziehungskiste“ abschrecken lassen. Woody Allen erzählt eine Kriminalgeschichte, situiert in der akademischen Oberschicht einer Universitäts-Kleinstadt, die sich mit Moral im Gegensatz zur „Kunst des Mordes“ auseinandersetzt. Nach „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ und dem schon genannten „Match Point“ widmet sich auch dieser Kriminalfilm in Allens Werk dem Konzept des „perfekten Verbrechens“, und wieder weiß Allen mit diesem Stoff gut umzugehen.

 Getragen wird das ganze von einem herrlich verwahrlosten Joaquin Phoenix, dessen Kostüme durchgehend mit viel zu engen T-Shirts ausgestattet sind, die unvorteilhaft über seine großzügige Wampe spannen. In seinen Innentaschen befindet sich dazu für gewöhnlich ein Flachmann, den er in fast jeder Szene auch einmal herausholen muss – so gibt er gleichzeitig jedem Dialog ein leichtes Lallen mit und möchte überhaupt nicht in die gediegene Rhode-Island-Nachbarschaft passen. Emma Stone macht ihre Sache gut, gegen ein Schwergewicht wie Phoenix kommt sie jedoch nicht an, dazu ist ihre Figur auch nicht extrovertiert genug.

Einen Oscar-Kandidaten hat Woody Allen dieses Jahr nicht abgeliefert – jedoch schien das auch noch nie sein Ziel zu sein, glänzt er doch bei Nominierungen und Auszeichnungen seit jeher durch Abwesenheit. Sein 2015er-Jahr ist wieder ein wenig stärker als 2014, und man darf gespannt sein auf das kommende – dafür ist natürlich schon ein Film in Produktion, und eine TV-Serie kommt noch obendrauf. Fans sind hocherfreut über die Schaffensfreude, Kritiker besuchen die Filme vermutlich schon seit 20 Jahren nicht mehr und rollen schon mit den Augen, wenn der Jazz im Trailer ertönt – „Irrational Man“ wird das wohl auch nicht mehr ändern. Die gewohnte Qualität gibt Freunden seiner Filme Sicherheit – bei all den Hochs und Tiefs in jedem Filmjahr, den Enttäuschungen und Überraschungs-Hits, ist der neue Woody Allen im Kino womöglich eine der sichersten Zufluchten – hier kann man sich beinahe jedes Jahr sicher sein, dass man zufrieden aus dem Saal geht.

Autor: Roman Widera

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