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Ein Augenblick Liebe (2014) Review

© Alamode Film

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Fangen wir am Anfang an. Diese Unschuld, einfach von Null zu starten, ein unbeschriebenes Blatt mit Inhalt zu füllen, haben unsere Protagonisten Pierre und Elsa nicht. Beide sind Mitte bis Ende Vierzig. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder. Sie ist gerade geschieden, hat drei Kinder. Beide leben, lieben oder haben zumindest schon geliebt. Es ist keine Teenie-Romanze, in die sich die beiden fallen lassen – aber genauso fühlt es sich an.

Pierre trifft die renommierte Schriftstellerin Elsa auf einer Buchmesse. Die beiden “Hobbykiffer” finden sich inmitten der spießigen Buchgesellschaft. Sie stechen heraus. Und so beginnt eine Romanze, die auf beiden Seiten ihre Tücken hat. Doch auch wenn Pierre glücklich und treu verheiratet ist und Elsa niemals einen gebundenen Mann anfassen würde, so entwickelt sich das anfängliche Grasgeflüster zu taumelnder Leidenschaft.

Im Grunde ist es eine dünne Story aus fragwürdigen Motivationen. Im Zentrum steht die verbotene Affäre. Der Zuschauer fragt sich: “Bekommen sie sich? Und wenn ja, sind sie glücklich oder müssen sie etwas opfern?” Alles Fragen, die jedoch irrelevant sind. Denn die Konstellation der Figuren verrät uns schon früh, wie die blasse Geschichte ausgehen wird. Ja, sie lieben sich. Und selbst das Unverständnis, warum Elsa sich ausgerechnet in Pierre verliebt, ist unerheblich – denn auch uns erscheint François Cluzet, der Pierre verkörpert, wieder einmal sehr sympathisch. Eindimensional und farblos, aber sympathisch. Diese Sympathie rührt stark daher, dass er nicht nur charmant, sondern vor allem auch treu ist und man heutzutage nicht zum Held wird, wenn man seine Frau verlässt, sondern wenn man bei ihr bleibt – wie er selbst beteuert. Sollte er nun also einen Treuebruch begehen, wird er uns unsympathisch und folglich verliert auch Elsa ihre einzige Motivation, diesen Mann überhaupt interessant zu finden. Ein sensibles Kartenhaus. Eine wirkungsvolle Dilemma-Situation. Großes Potential, um die Figuren leiden zu lassen. Ungenutzt. Das Ende dieser facettenlosen Story ist uns damit ebenso klar.

Spätestens ab der Hälfte des Films bemerken wir nicht nur die fehlende Dynamik, sondern auch die schwachen Worthülsen, die als Dialoge verkauft werden. Er ist Anwalt. Sie nennt sich Schriftstellerin. Eloquenz gleich Null. Das einzige Interesse, was beide aneinander zu haben scheinen, ist etwas Körperliches – etwas Vergängliches. Wo man Substanz im Subtext erwartet, werden uns Momente der Leichtfüßigkeit und Collagen jugendlich wirkender Impulsivität gezeigt. Visuell berauschend, aber ohne Tiefgang. Und vielleicht bedarf ein Beziehungsdrama heutzutage mehr als nur einer betörenden Stimmung.

© Alamode Film

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Die Atmosphäre hingegen winkt uns geradezu heran, mit ihr den gleichen Freudentaumel zu durchleben, wie Pierre und Elsa. Viel Licht, viele Farben. Was der Story und den Figuren fehlt, wird visuell und inszenatorisch versucht aufzuwiegen. Manchmal wie ein LSD-Trip, manchmal wie ein Neo-Noir – oft ein wenig verspielt. Insbesondere die Szenenübergänge sind ideenreich und jung. Da wird ein Kleiderschrank schnell zum Eingang des Clubs, indem man die Kleiderbügel beiseite schiebt. Mal springt ein Skype-Symbol am unteren Rand der Leinwand wild auf, um den Anruf der Tochter anzukündigen. Oder es friert das komplette Bild mit Ton ein, stockt ein wenig mit Ladebalken und läuft dann weiter, während auch die Figuren gerade einen Film auf dem Laptop streamen. Smart und modern gedacht. Auch das vorhersehbare Ende wird versucht, neu einzufärben. Doch nicht jeder Twist macht jeden Film gleich zu einem komplexen Mindgame-Movie. Und so fügt es sich, dass zwar der Titel des Films durch das Ende eine doppelte Bedeutung bekommt – ein Leben im Konjunktiv – doch den kompletten Film betrachten wir dadurch auch nicht neu.

Es bleibt leichte Kost. Gut verdaubare Kost. Die einfallsreichen Gestaltungen peppen das Bild und das Filmerlebnis auf. Es wirkt jugendlich und scheint damit die heißblütige Affäre untermalen zu wollen. Doch viel zu untermalen gibt es da eben nicht. Eine berauschende Leidenschaft und tänzelnde Leichtfüßigkeit. Ein technisch originelles Werk mit solider Schauspielleistung von Sophie Marceau und François Cluzet, den momentanen Leinwandlieblingen Frankreichs. Lisa Azuelos hat eine kurzweilige Romanze geschaffen, die sich allerdings vom Zuschauer einige Momente nach Verlassen des Kinosaals ebenfalls trennt.

Autor: David Daubitz

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