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Die Top Ten des Kinojahres 2011 – 1. Perspektive

10. Wer ist Hanna?

Joe Wrights stylischer Film scheint auf den ersten Blick ein oberflächlicher Actionthriller im Fahrwasser von „Bourne“ und „Salt“ zu sein. Sein mit Märchenmotiven gespicktes Werk offenbart jedoch bei genauerem Hinsehen eine emanzipatorisch konnotierte Coming-Of-Age-Story, die mit einem exzellenten, treibenden Soundtrack der Chemical Brothers unterlegt worden ist. Ein in dieser Form einzigartiges Werk.

9. Krieg der Götter 3D

Epischer Scheiß mit heldenhaften Griechen? Immer her damit! Auch wenn die Story mit dem überbordenden visuellen Einfallsreichtum nicht ganz mithalten kann, ist Regisseur Tarsem dennoch ein extrem unterhaltsames und vor allem äußerst blutiges Werk gelungen, das zudem sogar ein ums andere Mal die 3D-Technik sinnvoll einsetzt. Wer sich an der (gewollt) simplen Story nicht stört und Filme wie „300“ oder „Kampf der Titanen“ mag, wird auch an diesem Film seine helle Freude haben.

8. Winter’s Bone

Debra Graniks Film lebt von seiner Stimmung und seiner Atmosphäre und diese ist gelinde gesagt verdammt trist. Der Independentfilm ist aber keineswegs langweilig geworden: die Trostlosigkeit der Bilder ist geradezu sogartig faszinierend und die Story um die junge Ree Dolly (großartig gespielt von Jennifer Lawrence), die verzweifelt versucht, ihren Vater zu finden, um ihre Familie vor dem finanziellen Ruin zu bewahren, geht unter die Haut. Oberflächlich scheint sich zwar eher wenig zu ereignen, doch im Inneren der Charaktere brodelt es; genau daraus zieht der Film seine enorme dramatische Intensität und das dramaturgische Konfliktpotenzial. Äußerst sehenswert.

7. 127 Hours

Danny Boyles One-Man-Show, in welcher James Franco die (bisherige) Rolle seines Lebens spielt, ist regietechnisch geradezu brillant, wenn man bedenkt, mit welch einfachen Mitteln und tollen Ideen der Regisseur sein Kammerspiel immer wieder aufbricht und Franco den nötigen Spielraum gewährt, um den Überlebenskampf seines Charakters in allen Facetten zu beleuchten. Ein hochspannendes Drama und eine Lehrstunde in Sachen Budget- und Produktionsmittel-Effizienz: kleiner Film, ganz großes Kino.

6. Naokos Lächeln

Regisseur Tran Anh Hung hat Haruki Murakamis Kultbuch in erlesenen Bildern adaptiert, die zum schönsten und ästhetischsten gehören, was ich in diesem Filmjahr zu sehen bekam. Und auch die melancholische Geschichte, die sich um altbewährte Themen wie Sexualität, Liebe und Tod dreht, diese aber auf andere, sprich: nicht gerade europäische Art, behandelt, überzeugt. Ein wunderschöner und zugleich tieftrauriger Film, der zu Herzen geht.

5. Super 8

J.J. Abrams‘ filmische Verneigung vor dem familienorientierten Sci-Fi- und Fantasykino der 80er Jahre ist ein berührendes Familiendrama geworden, welches vor allem dank seiner tollen Nachwuchsdarsteller und der unglaublich stimmigen Sci-Fi-/Suspense-Stimmung überzeugt und funktioniert. Genau wie das großartige diesjährige „Planet der Affen“-Prequel „Prevolution“, das es leider nur um Haaresbreite nicht in meine TOP 10 geschafft hat: Science-Fiction-Entertainment at its very best.

4. Jane Eyre

Wörter wie „zeitgemäß“ oder „modern“ werden im Zusammenhang mit Neuverfilmungen zwar bisweilen stark überstrapaziert, doch passen sie in diesem Falle wie die Faust aufs Auge: Regisseur Cary Fukunaga scheut sich beispielsweise nicht davor, die Gothic-Horror-Elemente der Buchvorlage auszuspielen und seinen Film mit düsteren Bildern und symbolträchtigen Bildkompositionen anzureichern. Vor allem der dramaturgische Kniff, eine Rückblende in den Storyaufbau mit einzubinden erweist sich als höchst funktional. Auch dank der großartigen Darstellerleistungen von Mia Wasikowska und Michael Fassbender ist Fukunaga eine intelligente und unterhaltsame Neuinterpretation von Charlotte Brontës Roman gelungen.


Via YouTube

3. Blue Valentine

Eins vorweg: dieser Film ist nichts für frisch Verliebte. Grundehrlich und manchmal vielleicht sogar zu wahrhaftig und zu intensiv zeigt der Film parallel die Entstehung einer großen Liebe und den Zerfall eben jener. Was tut man, wenn man sich als Paar auseinandergelebt und verlernt hat, einander zu lieben? Derek Cianfrances Regiedebüt gibt dem Zuschauer keine Lösungsansätze mit auf den Weg. Der Film legt lediglich dar, was passiert, wenn zwei Menschen sich eben nicht mehr lieben. Das, was er zeigt, ist traurig und herzberührend, melancholisch, aber nicht depressiv, sondern einfach nur die Wahrheit. Zudem auch noch glänzend gespielt von Michelle Williams und Ryan Gosling. Nie wurde mir beim Hören die Verzweiflung in Pat Benatars im Film zitierten Song „We belong“ so bewusst wie hier in Kombination mit den bedrückenden Bildern. Aber keine Sorge, die Romantik kommt auch nicht zu kurz. Ihren Höhepunkt findet diese dann in der wundervollen Ukulele-Sequenz, die zudem als Grundlage für den Filmtrailer fungiert. „Blue Valentine“ ist ein Film, der den Zerfall einer großen Liebe zeigt, aber eben diese große Liebe auch feiert, als höchstes Gut, das zwei Menschen besitzen und einander geben können.

2. Alles, was wir geben mussten

Mark Romaneks Adaption des gleichnamigen Buchs von Kazuo Ishiguro ist genau wie „Blue Valentine“ ein tieftrauriger Film, der sich mit der Frage auseinandersetzt, was in einer verkommenen Gesellschaft Menschen eigentlich noch zu Menschen macht. Carey Mulligan spielt ihre Rolle mit einer solchen Hingabe, dass einem der Atem stockt. Sofern ihr die Geschichte akzeptiert, die oftmals keine direkte Erklärung für die Schicksalsergebenheit ihrer Helden offenbart, werdet ihr einen der traurigsten und zugleich hoffnungsvollsten Filme sehen, den ich kenne. Man muss diesen Film fühlen, um ihn wertschätzen zu können. Ich kann und will nicht mehr dazu sagen, er sei einfach nur jedem Leser ans Herz gelegt. Legt Taschentücher bereit, ihr werdet sie brauchen. We all complete.

1. Sucker Punch

Ja, ich bin ein echter Zack Snyder Fanboy, das gebe ich offen und ehrlich zu. Aber was dieser Mann mit diesem Film geschaffen hat, ist auch schlichtweg atemberaubend und grandios. „Sucker Punch“ ist ein Potpourri aus verschiedensten Ideen und Motiven, doch das Fantasyactiongewand des Films täuschte mache Zuschauer darüber hinweg, dass sich unter jenem Gewand eben eine intelligente Story verbirgt. Eine Story, die Themen wie Emanzipation, Feminismus, Videospielkultur, Chauvinismus, usw. miteinander mixt und dabei natürlich auch zu einem hyperstylischen Actionfeuerwerk gerät, das allein schon aufgrund seiner umwerfenden audiovisuellen Präsentation besticht. Ein Kritikerkollege hat mich auf die Idee gebracht, den Film als sex-and-gender-essay zu lesen. Genau diese Lesart scheint mir auch die einzig vernünftige und sinnvolle zu sein. Gibt man dem Film die Chance, ihn unter genau diesen Gesichtspunkten zu sehen und zu interpretieren wird man mit einem intelligenten und selbstreflexiven Meisterwerk belohnt, das die meisten aber partout nicht in ihm sehen wollen. Aber es ist nun mal so, wie die Plakate zum Film es bereits verlauten ließen: You will be unprepared. Gebt dem Film wenigstens eine Chance. Verdient hat er sie auf jeden Fall. (Die ohnehin schon brillante Kinofassung wird vom Director’s Cut sogar noch übertroffen.)

Autor:  Markus Schu

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