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Die glorreichen Sieben (2016) Review

© Sony Pictures

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Filme von Antoine Fuqua haben eine eigenartige Wirkung. Beim ersten Blick erscheinen sie wie reine (und manchmal auch plumpe) Actionspektakel: Laut, hochkarätig besetzt und imposant in Szene gesetzt. „The Equalizer“ und „Shooter“ sind nur zwei Beispiele. Doch schaut man sich Fuquas Filme genauer an, blickt man hinter die actionreiche Oberfläche, erkennt man feingewebte Geschichten und durchaus nachhaltige Filmwerke, die einen lange nach Verlassen des Kinosaals noch begleiten. Da wären „Training Day“ und „Brooklyn’s Finest“ — beides ebenso actiongeladene Plotsinfonien wie subtile Charakterbetrachtungen. Fuqua schafft es, Mainstream-Action auf die Leinwand zu inszenieren, der man auch einen emotionalen und menschlichen Mehrwert abgewinnen kann. Sein neuestes Werk: „Die glorreichen Sieben“. Ein Remake des Klassikers aus dem Jahr 1960, der seines Zeichens ein Remake des Filmepos „Die sieben Samurai“ von Akira Kurosawa ist. Die Messlatte hängt also verdammt hoch — kann Fuquas Verfilmung da mithalten?

Die glorreichen Sieben aus dem Jahr 2016 präsentieren sich mit einem bunten Ensemble: Neben Hollywoodgroßverdienern wie Denzel Washington oder Chris Pratt hat Fuqua auch Langzeitbekannten Ethan Hawke überzeugen können. Bei solch einem Staraufgebot kann man leicht in die Falle tappen, dass die einzelnen Egos zu viel Raum gewinnen und die Leinwandfiguren hingegen immer blasser werden. Doch auch, wenn die Figurenzeichnungen keine mehrdimensionalen Geniestreiche sind, so setzt sich jede einzelne Figur von der anderen ab. Keiner scheint hier fehl am Platz oder redundant aufgestellt. Und darin liegt auch der verborgene Zauber dieser glorreichen Sieben: Sie sind eine eingeschworene Bande von sieben Outlaws, die sich eigentlich kaum kennen. Doch sie verbindet alle etwas, für Außenstehende kaum sichtbar: Der Tod. In welchen Facetten auch immer, so trägt jeder der Sieben seine heimliche Bürde mit sich. Sie sind alle von Krieg, Gewalt und den Schrecken des Mordes gezeichnet. Keiner redet darüber und es steht auch für den Zuschauer in keinster Weise im Vordergrund. So spürt man es in jenen Szenen eher als leises Flüstern aus dem Hintergrund, in denen sich die Protagonisten in Ruhe über Trivialitäten unterhalten. Dialoge, die Spaß machen, denen man als Unbeteiligter gerne weiter lauschen würde — um sich insgeheim zu wünschen, dass ihr Weg sie nicht ins Unvermeidliche führt. Ohne unnötigen Pathos wird dabei der Zuschauer darauf vorbereitet, was diesen sieben Helden unweigerlich widerfahren muss: Sie stellen sich dem Tod. Und lachen ihm dabei höhnisch ins Gesicht.

Der Plot ist stark an die Vorlage angelehnt. Ein böser Mann, recht facettenlos von Peter Skarsgaard verkörpert, nötigt gewaltsam eine Siedlung, ihr Land zurückzulassen, um darauf nach Gold zu schürfen. Gier, Gier, Gier — lässt einen alles Menschliche vergessen. Verstehen wir. Wirkt am Anfang noch recht erzwungen, doch als sich Stück für Stück die Truppe der sieben schießwütigen Rebellen zusammenfindet, um die Einwohner dieser Stadt zu rächen (und nebenbei natürlich ein Säckchen Gold dafür zu bekommen), rückt der Antagonist immer weiter in den Hintergrund. Das ist auch gut so, denn wir wollen mehr von der spannenden Dynamik dieser Outlaws sehen.

© Sony Pictures

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Im Grunde besteht die Story auch nur aus zwei großen Segmenten: Die Zusammenführung der glorreichen Sieben und die Verteidigung der Siedlung gegen die Söldnerarmee des gierigen Bösewichts. Das erste Segment brilliert mit coolen Szenen, welche die einzelnen Fähigkeiten unserer Helden hervorheben. Alle sind ausnahmslos schnell, präzise und nahezu maschinell — der Revolver ist dabei nicht nur ihr Freund, er ist vielmehr ihre Geliebte. In der Ausführung ihrer Waffen bleibt wenig menschliches, so geschult und routiniert wirkt der Gebrauch ihrer Schießeisen. Die virtuosen Waffenfertigkeiten sind dabei hervorragend ins Bild übertragen. Wenn moderne Actionfilme sich in Schnittgewittern ergehen, so benutzt Fuquas „Die glorreichen Sieben“ keine billigen Schnitttricks, um Action oder Tempo zu suggerieren. Das pfeilschnelle Nachladen, nahezu unwirkliche Präzision während eines Sprungs oder die akrobatischen Einlagen auf einem Pferd, während man sich in einem Shootout befindet — der Zuschauer muss dabei keine Angst vor epileptischen Anfällen haben, sondern kann sogar noch viele bereichernde Details in den Einstellungen entdecken.

Das zweite Segment räumt mit der Einzelgängermanier auf. Denn so herausragend ihre Skills auch sein mögen, sie sind umso übermächtiger, wenn sie ihre Fähigkeiten kombinieren. So sehen sie zwar einer Söldnerarmee entgegen, deren Zahl die ihre um einiges übersteigt, doch gerade diese schier unmögliche Herausforderung scheint sie zu locken. Es ist weder die Gier nach der Belohnung noch der Wunsch zu sterben, der sie alle antreibt. Ihre Motivation ist etwas, was man vielleicht nur verstehen kann, wenn man einer von ihnen ist. Dabei entstehen natürlich oft kleine Zankereien und einige Fehden brechen aus dem einen oder anderen heraus, besonders zwischen Nord- und Südstaatlern. Doch wenn es darauf ankommt, verstummen die großspurigen Sprüche und zynischen Spitzen. Da wird selbst die Figur des Chris Pratt, der als Comic Relief eingesetzt ist, zu einem tragischen Charakter. Dann wird geschossen. Ohnehin wird viel geschossen. So wirkt die Verteidigung der Stadt wie ein ewiger Shootout. Doch irgendwie wirkt keine Minute davon zu lang oder vergebens. Man will nicht behauten, dass jede Kugel ihre eigene Geschichte erzählt, aber „Die glorreichen Sieben“ verfällt nie in sinnloses Rumgeballer, sondern gibt jedem Projektil ein klares Ziel — und das trifft es auch meistens.

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Neben aller Unterhaltung, die punktgenau zündet, muss man natürlich eine offensichtliche Frage bei diesem Stoff stellen: Inwieweit kritisiert der Film bestehende Verhältnisse? Denn man kann schwer wegreden, dass eine gewaltsame Konfliktlösung hier nicht nur in den Vordergrund gestellt, sondern sogar zelebriert wird. Der Bösewicht, der mich meines Landes vertreiben will. Und ich, der sich mit Hilfe meiner Waffe die Freiheit verschaffen kann, die mich meine amerikanische Flagge vor dem Haus mit Stolz hissen lässt. Dieser Gedanke schwingt mit. Und die Vorlage („Die glorreichen Sieben“ von 1960) hat ein düsteres Bild gezeichnet, was eben jene Einstellung zu Gewalt differenziert präsentiert. Das Remake von Fuqua ergötzt sich schon streckenweise an unterhaltsamer Waffenkunst, die feierlich vom Zuschauer bejubelt werden soll. Doch gerade, weil es nicht nur ein reines Actionspektakel ist, sondern wir die verwegene Bande der glorreichen Sieben ins Herz schließen, färbt das Ende des Liedes das Ganze in eine Ballade. Nicht so düster und so differenziert, wie man diese Thematik angehen könnte, aber eben auch nicht einfach ignoriert. Gerade so viel, dass der Zuschauer das Problem erkennt — und weiter mit sich herumträgt.

Zurück zur Frage: Können Fuquas glorreiche Sieben mit ihren Vorbildern mithalten? Nein, aber müssen sie auch gar nicht. „Die glorreichen Sieben“ aus dem Jahr 2016 machen größtenteils das, was Westernhelden im Jahr 2016 tun sollen. Sie zeigen uns, dass Western kein verstaubtes Genre sind. Fuqua inszeniert erneut ein durchweg unterhaltsames Actionmovie, das jedoch mit Mehrwert aufwartet. Es liegt eine verführerische Anziehungskraft in der beinahe mystische Bande dieser sieben Rebellen. Rebellen, die gebrochen sind und deswegen erst zu Rebellen wurden. Und dadurch, ohne dass sie es selbst wussten oder beabsichtigt haben, wurden sie in unseren Augen zu Helden. Ja, sie haben es verdient, glorreich genannt zu werden.

Autor: David Daubitz

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