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Das mörderische Paradies (1985) Review

„The Mean Season“ bezeichnet in Florida diejenige Zeit im Spätsommer, die durch ein spezifisches Wetter-Phänomen gekennzeichnet ist: ein heißer und schwüler Morgen bzw. Vormittag wird durch starke Gewitterstürme am Nachmittag abgelöst, die jedoch nicht zu einem Sinken der Temperatur führen, sondern die Hitze nur verstärken, was sich über etwa einen Monat hinzieht. Der gleichnamige Film aus dem Jahr 1985 macht diese Zeit zum Hintergrund seiner Handlung, was den Titel zumindest im Englischen etwas passender macht als die deutsche Version „Das mörderische Paradies“, da nie ganz klar wird, wo das Paradies nun liegt und was so paradiesisch am Setting der Handlung sein soll.

Es sind die 80er – ersichtlich daran, dass Kurt Russell als Journalist Malcolm die Hauptrolle übernimmt. Es sind die 80er – ersichtlich daran, dass Mariel Hemingway seine Lebensgefährtin Christine spielt. Beide sind in ihrer Weise Ikonen des 80er-Jahre-Kinos, die es zwar nie zu A-List-Starruhm gebracht haben, aber diese Zeit mit ihren Filmen und ihrer Persona doch zu prägen vermochten. Russells Figur Malcolm ist bei der (fiktiven) großen Tageszeitung Miami Journal beschäftigt und erhält den Auftrag, über den Mord an einer jungen Frau zu berichten. Kurz nach Erscheinen des entsprechenden Artikels wird er telefonisch durch den Mörder kontaktiert, der ihn als Sprachrohr zur Öffentlichkeit nutzen will und vier weitere Morde ankündigt.

Diese Prämisse ist eine spannende moralische Ausgangsposition. Wie verhält man sich als Journalist in einer solchen Situation: Geht man auf die Gesprächsangebote des Mörders ein und erhält damit sowohl die Möglichkeit, den Bürgern wichtige Informationen zu vermitteln als aber natürlich auch die Auflage der Zeitung zu steigern; kann man gegebenenfalls sogar der Polizei helfen? Oder lehnt man ab, um seine eigene Integrität zu wahren und sich nicht zum Gehilfen eines Mörders machen zu lassen, mit der Gefahr, dass man wichtige Informationen eben nicht erhält und der Mörder aus Frust über die Zurückweisung schlussendlich vielleicht noch weitere Menschen tötet? So viel sei verraten: „Das mörderische Paradies“ entscheidet sich für die erste Version, die angesprochenen Fragen werden dabei allerdings eher am Rande diskutiert. Es scheint, als ob der Film an einem Verhandeln des zweifelsohne schwierigen moralischen Konfliktes kaum interessiert wäre, stattdessen wird er zu einem etwas standardisierten Kriminalfilm, eine Art Mischung aus dem Watergate-Thriller „Die Unbestechlichen“ (1976) und „Zodiac – Die Spur des Killers“ (2007), ohne jedoch die Klasse beider Filme zu erreichen.

Denn eigentlich sind sich mit Ausnahme von Christine und einem jedoch von vornherein als unsympathisch gezeichneten Polizisten alle einig, dass Malcolm über die Morde und die Anrufe berichten muss und dem Mörder damit seine publizistischen Wünsche erfüllt. Gerade Christines Position als jemand, die nach und nach selbst in Gefahr zu geraten droht, wäre dabei interessant gewesen und hätte etwas mehr Aufmerksamkeit verdient. Im bestehenden Film wirkt sie schließlich immer wieder hysterisch und handelt oft nicht wirklich wohlüberlegt, ihre Motivation wird aber nie ganz ausgespielt. Dabei hätte sie ein aufschlussreiches Korrektiv zu Malcolm sein können, doch der Film lässt diese Chance ungenutzt. Ein wenig scheint es, als wäre der ganze Plot nur ein Set-Up, um die Geschichte am Schluss von der angesprochenen allgemeinen Ebene auf eine persönliche hieven zu können. Richtiggehend ärgerlich sind dann einige kurze Momente gegen Ende, wenn Kurt Russell in einer Reminiszenz an seine Actionfilm-Rollen des gleichen Jahrzehnts einige körperbetonte Szenen spielen muss, die weder zu seiner Figur noch zum Rest des Filmes passen und vollkommen aus dem Rahmen fallen.

Erwächst die grundlegend ja durchaus vorhandene Spannung zu Beginn noch daraus, warum eigentlich der Mörder die Öffentlichkeit sucht, wieso er sich gerade diese fünf Opfer ausgesucht hat und ob man ihm eventuell auf die Spur kommen kann, verläuft all dies im Sande Floridas. Die Antworten auf diese Fragen werden zwar geliefert, sind jedoch in keiner Weise innovativ, aufschlussreich oder in irgendeiner Weise aussagekräftig. So wird „Das mörderische Paradies“ eher zu einer Quasi-Charakterstudie des Journalisten Malcolm, der auf eine zynische Schnitzeljagd geschickt wird, die immerhin meist rechtzeitig den nächsten dramaturgischen Trigger setzt, womit der Film zumindest nicht langweilig wird. Kurt Russell und Mariel Hemingway verkörpern ihre Rollen dabei vollkommen überzeugend, was die geschilderten Defizite jedoch nicht ausbügeln kann. Immerhin ist der Film von Regisseur Phillip Borsos stilsicher inszeniert und weiß mit recht stimmungsvollen Bildern und Szenen aufzuwarten, was zumindest gegen Ende auch mit dem eingangs geschilderten Wetterphänomen zusammenhängt. Zwar ist es etwas melodramatisch, wenn Gefahrensituationen immer wieder von Blitz und krachendem Donner begleitet werden, in seinem plakativen Gestus jedoch das eine oder andere Mal recht effektiv, ebenso wie der Showdown am Ende passend zur aufgewühlten Natur der Protagonisten in einem ausgewachsenen Sturm stattfindet. Das funktioniert und ist tatsächlich recht spannend, zumal auch das Drehbuch hier ab und an mit den Erwartungen spielt.

Allerdings wird auch der Titel nicht zu einem bestimmenden Faktor. Warum der Film nun „The Mean Season“ heißen muss, obwohl dies über gute zwei Drittel kaum eine Rolle spielt, erschließt sich nicht ganz. Es regnet zwar ein, zwei Mal etwas heftiger und es werden bedrohliche establishing shots von einem sich zuziehenden Himmel gezeigt, die jedoch die Mean Season nicht akkurat zu bebildern vermögen. Atmosphärisch ist „Das mörderische Paradies“ zwar durchweg, wozu auch die hervorragende Musik von Lalo Schifrin beiträgt, dies hilft jedoch in der Gesamtbetrachtung nur unzureichend über erzählerische Schwächen hinweg.

Die Edition: OFDb Filmworks veröffentlicht „Das mörderische Paradies“ auf Blu-ray in zwei verschiedenen Mediabook-Varianten (eine DVD ist ebenfalls enthalten), mit einem stilvollen Cover A und einem, nun ja, etwas merkwürdigen Cover B. Mit dabei ist zwar ein Booklet von Stefan Jung, ansonsten besteht das einzige Bonusmaterial jedoch lediglich aus einem Trailer.

Autor: Jakob Larisch

Cover A
© OFDb Filmworks

Cover B
© OFDb Filmworks

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