Einen Kommentar hinterlassen

Child’s Play (2019) Review

© capelight pictures

© capelight pictures

Es gibt in „Scream 4“ (2011) diese Szene, in der Hayden Panettiere vom Ghostface-Killer per Telefon in das berüchtigte Frage-und-Antwort-Spiel auf Leben und Tod verwickelt wird. Irgendwann stellt er die Aufgabe: „Nenne das Remake des bahnbrechenden Horrorfilms, in dem der Antagonist…“, doch sie lässt ihn gar nicht mehr ausreden: „Halloween, The Texas Chainsaw Massacre, Dawn of the Dead, The Hills Have Eyes, The Last House On the Left, Friday the 13th, A Nightmare On Elm Street, My Bloody Valentine, When a Stranger Calls, Prom Night, Black Christmas, House of Wax, Piranha“, schreit sie in den Hörer. Ein simpler, aber sehr effektiver Weg von Drehbuchautor Kevin Williamson und Regisseur Wes Craven, auf die damals schon enorme Anzahl zeitgenössischer Horrorfilm-Remakes hinzuweisen, sie aufzugreifen und filmisch auszustellen. Doch war dies ein Trend, der 2011 keineswegs erschöpft war, auch in den folgenden acht Jahren wurden immer wieder weitere Klassiker des Horrorfilms neu interpretiert: „Silent Night“ (2012), „Evil Dead“ (2013), „Carrie“ (2013) oder „Poltergeist“ (2015), um nur einige zu nennen. Nun, 2019, ist „Child’s Play“ an der Reihe, alias (so der deutsche Titel des Originals) „Chucky – Die Mörderpuppe“ (1988) und man kann ohne Umschweife sagen, dass es sich hierbei um eine vortreffliche Herangehensweise an die Idee eines Remakes handelt. Man kann argumentativ indes noch einen Schritt weitergehen, denn der Film reiht sich in der diesbezüglichen Bestenliste sogar ziemlich weit vorne ein.

Bei Remakes wird häufig (zu Recht) die Frage nach der Notwendigkeit laut: Es gibt den Film doch schon einmal, warum ihn erneut machen? Also muss man Dinge verändern, Dinge abwandeln, sich vom Original abheben, etwas Neues hinzufügen, sich eventuell an an heutige Gegebenheiten anpassen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Remake von „Carrie“, das die auch im Originalfilm vorhandenen Mobbing-Attacken auf die Haupt- und Titelfigur mit einer Problematisierung von Social Media verband und sich somit in einer neuen und anderen Gegenwart verortete. Auch „Child’s Play“ thematisiert einen solchen Prozess und das auf äußerst kluge und durchdachte Weise. Wir erinnern uns: Im 1988er-Original ist Chucky eine durch Voodoo-Zauberei vom Geist des Serienmörders Charles Lee Ray besessene Spielzeugpuppe, der seinen Besitzer Andy ausnutzt, um wieder menschliche Gestalt annehmen zu können. Sechs meist sehr unterhaltsame Fortsetzungen später, die mit der Zeit immer mehr in Richtung Horrorkomödie gingen, entschied man sich bei der Neuauflage, den übernatürlichen Kontext zu eliminieren. Hier ist es nun die in die Puppe eingebaute Software, die verrückt spielt. Wobei das in dieser Einfachheit gar nicht stimmt, denn es ist ein Arbeiter in der vietnamesischen Fabrik, der aus Rache für seine Entlassung eine einzelne Puppe umprogrammiert und ihr sämtliche Sprach- und Verhaltenssperren entfernt. Sie wird nun folglich nicht mehr durch interne Blockaden begrenzt und kann de facto alles sagen und alles tun.

© capelight pictures

© capelight pictures

Eine damit einhergehende, weitere Abänderung ist diejenige, dass die auch in diesem Film Chucky heißende Puppe (im Original kongenial gesprochen von Mark „Luke Skywalker“ Hamill) nicht von Beginn an böse Absichten verfolgt, sondern erst mit der Zeit entsprechende Verhaltensweisen erlernt, eben weil er durch keinerlei eingebaute Sicherheitsmaßnahmen an bestimmten Dingen gehindert wird. Chucky sieht sich somit wirklich als der beste Freund von Andy (Gabriel Bateman) und versucht, ihm Gefallen zu tun und ihm in bestimmten Lebenslagen zu helfen, was dann wiederum mit in der Zeit in fatalen Konsequenzen mündet, da die Puppe die Feinheiten menschlicher Kommunikation nicht beherrscht. Die Art und Weise, wie Chucky dabei das Zuhause von Andy und seiner Mutter Karen (Aubrey Plaza) überwacht und durch das Verhalten der ihn umgebenden Menschen seinen Wortschatz und seine eigenen Verhaltensweisen immer mehr erweitert, ist eine clevere Kritik an dem um sich greifenden Trend zu Smart Homes, denn Chucky ist in der Lage, bestimmte Geräte im Haus zu kontrollieren und zu bedienen, nämlich all diejenigen, die von der gleichen Firma hergestellt werden wie er selbst. Chucky ist also wie Alexa, Cortana und Siri zusammen und dann nochmal viel schlimmer, denn er spioniert nicht nur, sondern legt nach und nach aktiv ein destruktives Verhalten an den Tag. Die von Smart Homes ausgehenden und in der Begeisterung für die Möglichkeiten der Technik dabei immer wieder untergehenden Gefahren von Softwaremanipulation werden somit auf eine quasi-symbolische Weise ausgestellt und reflektiert, von ihnen beginnt mit der Zeit eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Beteiligten auszugehen, denn Chucky entwickelt graduell eine ziemliche Eifersucht auf Andys Mutter, nachdem er, ganz in der Tradition des Slasherfilms, schon einige Menschen auf dem Gewissen hat, wobei die entsprechenden Momente mit einer, man könnte sagen: angemessenen Drastik in Szene gesetzt werden.

An einem Punkt ist der Film dann gleichwohl nicht konsequent, doch handelt es sich hierbei um Kritik auf hohem Niveau. „Child’s Play“ vermag die von ihm verhandelten Problemstellungen nicht auf einer strukturellen Ebene zu verorten: Der Fehler liegt nicht im System (dem technischen Fortschritt mit Blick auf die eigenen vier Wände), sondern nur bei einem kleinen Faktor (dem Arbeiter in Vietnam). Chuckys mörderischer Habitus wird somit lediglich auf das aus der Reihe fallende Verhalten eines Einzelnen zurückgeführt, aber nicht auf systemische Ursachen. Doch sind Smart Homes an sich das strukturelle Problem, nicht der Umgang mit ihnen. Der Film problematisiert Geschehnisse, die eintreten, wenn Überwachung und digitale Vernetzung außer Kontrolle geraten, er problematisiert allerdings nicht Überwachung und digitale Vernetzung schlechthin, die doch erst dafür verantwortlich sind, dass bestimmte Dinge überhaupt außer Kontrolle geraten können. „Child’s Play“ funktioniert damit eher als eine Art digitaler Warnschuss.

© capelight pictures

© capelight pictures

Der Film greift auch Diskurse auf, in die er selbst eingespannt ist. In einer Szene schauen sich Andy und zwei seiner Freunde die Splatterkomödie „The Texas Chainsaw Massacre 2“ (1986) im Fernsehen an. Chucky, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollends zum Antagonisten ausgereift, sieht die Gewalt auf dem Bildschirm und er sieht auch, wie sich die drei Jugendlichen darüber amüsieren. Gewalt scheint also lustig zu sein, folgert die Puppe, greift sich ein Küchenmesser und macht Anstalten, auf die Gruppe der Freunde loszugehen. Andy entdeckt ihn noch rechtzeitig und kann ihm das Messer abnehmen, doch Chucky weiß ernsthaft nicht, was er falsch gemacht hat. Letztlich, so wäre der pädagogische Ansatz, müsste ihm Medienkompetenz beigebracht werden, das Verstehen, Einordnen und Kontextualisieren medialer Artefakte. „Child’s Play“ positioniert sich hierbei fast schon hintergründig zur Debatte um Mediengewalt und Medienwirkungsforschung, da er an dieser Stelle nur diejenige Figur (fast) gewalttätig werden lässt, die keinerlei Erfahrung mit Filmen bzw. Medien hat und eben nicht zu beurteilen vermag, dass ihnen ein Abstraktionsgrad innewohnt. Die drei Jugendlichen und damit diejenigen Zuschauer, die mit Medien sozialisiert wurden, die wissen, wie man einen Film zu schauen und zu verstehen hat, werden hingegen nicht von sich aus aggressiv. Nicht der Konsum gewalthaltiger Medien als solcher ist damit das Problem, so scheint es der Film zu formulieren, sondern die mangelnden Fähigkeiten medialer Reflexion, das Wörtlich-nehmen von Bildern, das Fehlen hermeneutischer Qualifikationen. Etwas steht immer für etwas anderes, das ist wichtig in Mediendiskursen und somit auch bei der Besprechung von „Child’s Play“, schließlich tötet Chucky einige Figuren, die es nach der dem Film eigenen Logik durchaus „verdient“ haben: den seine eigene Familie betrügenden, äußerst unsympathischen Stiefvater oder den perversen Hausmeister. Darin liegt nun aber selbstverständlich kein Aufruf zur Gewalt im realen Leben, sondern (beispielsweise) die Frage nach der Verinnerlichung und Anwendung moralischer Kriterien. Und von dort aus lassen sich wiederum ganz andere Diskurse führen. Film ist und bleibt ein Bedeutungsträger gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Chucky könnte sie nicht entschlüsseln, im Gegensatz zum (Kino-)Publikum. So wäre es zumindest zu wünschen. Aber darauf kann man ja (gesellschaftlich) hinarbeiten.

© capelight pictures

© capelight pictures

Die Edition: capelight pictures veröffentlicht „Child’s Play“ am 22. November sowohl im Rahmen seiner bewährten Mediabook-Reihe (Blu-ray und DVD) mit einem schicken Cover sowie auch als Standard-DVD und Standard-Blu-ray. Das Bonusmaterial beinhaltet einen Audiokommentar von Regisseur Lars Klevberg, ein kurzes Making-Of, einige skurrile Knetfiguren-Featurettes (?!) sowie ein Booklet mit einem knappen Interview, ebenfalls mit dem Regisseur.

Autor: Jakob Larisch

Leave a Reply