Einen Kommentar hinterlassen

Wrong Turn 6 – Last Resort (2014) Review

© Highlight Communication

© Highlight Communication

Die Franchise rund um unsere sympathischen Hillbilly-Jungs „Three Finger“, „Sawtooth“ und „One Eye“ auf ihrer Mission, sich gegen Eindringlinge in ihre Heimat zur Wehr zu setzen, geht nun in die mittlerweile sechste Runde. Dabei sind es abermals drogen- und sexsüchtige Jugendliche, die die Geborgenheit ihres Refugiums in West Virginia bedrohen.

In den vergangenen fünf Teilen mussten sich unsere drei gegeißelten Freunde immer wieder mit Störenfrieden rumplagen, was dazu geführt hat, dass sie West Virginia mittlerweile als Osteuropa tarnen. Dabei haben sie sich reichlich Mühe gegeben, denn Architektur, das feine antike Mobiliar des Schlosses – ihres „Last Resorts“ – und sogar die Kleidung der Bediensteten, sind eine perfekte Mimikry und sollten jedermann täuschen. Doch so lehrt uns die Erfahrung: Irgendwann fliegt jede noch so gute Tarnung auf.

Den Plot an dieser Stelle zu umreißen, wäre eine Beleidigung der über alles erhabenen Gesellschaftskritik des Werkes, das Valeri Milev hier geschaffen hat. Viele Kritiker (inklusive meiner Wenigkeit) waren skeptisch ob er in die riesigen Fußstapfen von Declan O’Brien („Wrong Turn“ 3 – 5) treten könne. Doch was uns der bis dato recht unbekannte Bulgare hier hingezaubert hat, ist mehr als nur das vielversprechende Werk eines Newcomers, es ist viel näher dran, ein Meisterstück zu sein.

Sah sich O’Brien stellenweise der Kritik ausgesetzt, dass sein Stil mehr oder minder nur dem Selbstzweck diene und seine elaborierten Bilder keine künstlerische Aussage inne hätten (David Schröder, 2014), so repräsentiert „Wrong Turn 6“ die vielleicht vollkommene Mischung von Style & Substance: Das wichtigste Instrument Milevs ist dabei das Licht: Ganz im Kontrast zu archaischen Horror-Einträgen wie „Alien“ (1979) oder „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1982), in denen die Bedrohung dilettantisch durch Dunkelheit ausgedrückt wird, wählt Milev einen nonkonformistischen, subtileren Weg. Er lässt jeden Winkel des Schlosses perfekt ausleuchten und kreiert somit einen Look, der schlichtweg nicht von dieser Welt ist. Somit wird das Schloss, das titelgebende letzte Refugium, zu einer Allegorie auf den biblischen Himmel, oder auch anders und ohne religiösen Hintergrund ausgedrückt: Zu einer Traumwelt, in der alles makellos ist. Diese perfekte Welt unserer Hillbillies wird nun durch die bereits erwähnten Jugendlichen obstruiert. Die Malaise von „Three Finger“ und Co, welche daraus resultiert, wird gnadenlos auf den Zuschauer übertragen: In nahezu jeder weiteren Szene alternieren bei jedem Schnitt die Lichtverhältnisse, was beim Rezipienten ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend hervorruft, wodurch dieser sich perfekt mit unseren Protagonisten identifizieren kann.

© Highlight Communication

© Highlight Communication

Milevs Interpretation eines „Wrong Turns“ ist ein Rundumschlag mit dem Vorschlaghammer gegen unsere moderne Gesellschaft: Wir alle haben den falschen Weg eingeschlagen. Dass die Antagonisten weitestgehend farblos und stereotyp gezeichnet werden und kein einziger Name im Gedächtnis hängen bleibt, ist ein Fingerzeig auf unsere digitale Gesellschaft, in der die Bedrohung auch mehr oder weniger unbekannt bleibt bzw. sich hinter nichtssagenden Avataren, Fake-Profilen und agitatorischen Spotify-Playlists versteckt. Personen, die sich aus der Uniformität durch Individualismus befreien wollen, werden von der Gesellschaft als Freaks und Außenseiter deklariert, für sie ist kein Platz. „Three Finger“ ist hier der Prototyp des tragischen Helden in unserer Erzählung, der zum Scheitern verurteilt ist.

Wie schon Declan O’Brien vor ihm rechnet auch Milev mit der übersexualisierten Gesellschaft ab. Die Antagonisten verwandeln das idyllische Schloss nämlich in ein Bordell, jedes einzelne Zimmer, jede einzelne Ecke des Schlosses wird für ihre Spielchen missbraucht. Milev verurteilt dabei nicht den Geschlechtsakt an sich – dieser wird meisterlich inszeniert – nur die „jeder-mit-jedem“-Springbreak-Mentalität, die dabei an den Tag gelegt wird. „Three Finger“ ist hier die entscheidende Figur, denn er ist die moralische Instanz, die entscheidet welche Form der körperlichen Vereinigung echt ist und welche der puren Wollust unterliegt. Nicht umsonst benutzt er die gleiche Waffe wie Amor, im Auftrag der Liebe entlarvt „Three Finger“ dabei die bloße Vereinigung zweier leerer Körper und zerstört diese, lässt aber echte Leidenschaft durchaus zu.

Abschließend bleibt zu sagen, dass im Rahmen einer Kritik natürlich nur die Eckpunkte dieses Werkes beschrieben werden können. „Wrong Turn 6“ ist einer der Filme, die man nach dem ersten Sehen noch gar nicht vollkommen begreifen kann. Das mag viele Zuschauer abschrecken, die nicht die Muße oder Kognition haben, sich mehrmals mit diesem sperrigen, subversiven Werk zu widmen. Diese Leute tun mir leid. 2/10

Autor: Torsten Stenske

Leave a Reply