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Resident Evil: Retribution (2012) Review

Das „Resident Evil“-Franchise geht mittlerweile schon in die fünfte und voraussichtlich vorletzte Runde. Unter der kreativen Schirmherrschaft von Paul W. S. Anderson (Produzent und Drehbuchautor aller Teile, Regie bei Teil 1, 4 und 5) hat sich die Reihe insbesondere in der internationalen Auswertung zur äußerst gewinnbringenden und langlebigsten Videospieladaption gemausert. Jeder der ersten drei Teile hat circa das dreifache seines Budgets eingespielt, der vierte Teil vor allem auch dank seiner 3D-Technik sogar fast das fünffache. Woran „RE“ schon immer krankte: an seiner platten und oftmals hanebüchenen Storyline. Weswegen sich „RE“ trotzdem auf eine große Fanbase verlassen kann: enorm stylische Action und nette Anspielungen auf die den Filmen zu Grunde liegenden Videospiele von Capcom. Auch „Retribution“ macht da keine Ausnahme. Man bekommt als Zuschauer nämlich genau das, was der Trailer bereits verspricht: viel Krachbumm, brachiale Schießereien und Kloppereien, serviert in schwelgerischen Zeitlupen und schickem 3D, garniert mit einem Bombast-Soundtrack und einer sexy Hauptdarstellerin. Was will man(n) mehr?

Unter dem Motto „Evil goes global“ schickt Regisseur Anderson seine Ehefrau und Hauptdarstellerin Milla Jovovich erneut in die Schlacht gegen den teuflischen Umbrella-Konzern, schlurfende Zombies und allerlei mutierte Ekel-Kreaturen. Dass der Horror-Sci-Fi-Action-Mischmasch auch beim fünften Kinoausflug immer noch prima funktioniert liegt vor allem an zwei unbestreitbaren Talenten von Anderson. Erstens: er ist zwar bestimmt kein brillanter Drehbuchautor, kennt sich aber auf dem Terrain der Videospiele bestens aus und präsentiert eine zwar haarsträubende Geschichte, aber vor allem eine, die das Wesentliche richtig macht, denn sie funktioniert – egal wie unlogisch, dramaturgisch plump und hirnrissig der Plot auch ist. Und zweitens: Anderson hat eben einfach ein Händchen für stilsichere Action und beherrscht den Umgang mit 3D. Denn egal ob die Dreidimensionalität dem Spektakel (ganz besonders in den Zeitlupensequenzen) oder der räumlichen Tiefe dient, so gelungen wird dem Kinogänger die 3D-Technik nur selten vor Augen geführt.

Eigentlich fragt man sich doch als Zuschauer nach jedem „RE“-Film, wie die Geschichte denn jetzt bitte noch weitergehen soll. Und spätestens seit „Afterlife“ hat Anderson dann auch eines unmissverständlich klar gemacht: es ist überhaupt nicht mehr möglich, die Story der Film-Reihe zu einem kohärenten Ganzen zu führen, bei all den Unstimmigkeiten, die sich von Film zu Film angehäuft haben. Bei „RE“ heißt die Devise daher wie immer „style over substance“ und das bitte möglichst in Reinkultur. So erweist sich dann eben auch der Plot in „Retribution“ erneut als außerordentlich hirnrissig: die aus Teil 1 bekannte künstliche Intelligenz Red Queen hat das Umbrella-Testgebiet in einem alten sowjetischen U-Boot-Bunker auf der Halbinsel Kamtschatka unter ihre Kontrolle genommen und hält dort Alice (Jovovich) gefangen, die nun mit Hilfe eines Spezialtrupps, welcher vom ehemaligen Ober-Bösewicht Albert Wesker (Shawn Roberts) zu Alice’ Rettung ausgesendet worden ist, aus dem Komplex entfliehen soll. Klingt bescheuert? Ist es auch. Macht aber nix, denn die Story dient nur als Mittel zum Zweck und der ist: ACTION! Mit Hilfe dieses Plot-Grundgerüsts gelingt es Anderson, seine Protagonistin in ganz unterschiedlichen Arealen kämpfen zu lassen (New York City, Moskau, Tokio, …) ohne die Ortswechsel umständlich erklären zu müssen. Das Testgebiet simuliert nämlich Nachbildungen der jeweiligen Städte und so obliegt es Alice von Stage zu Stage zu laufen und Zombies zu plätten. Gerade dieses Bewusstmachen, dass Alice sich wie eine Videospielfigur von Level zu Level durcharbeiten muss, entpuppt sich als charmanter Verweis auf die eigene filmische Identität.

Der neuste „RE“-Ableger gestaltet sich derweil quasi als Best-Of aller vorangegangenen Teile, was u.a. daran zu erkennen ist, dass viele (auch bereits tot geglaubte) Charaktere aus den älteren Filmen auf wundersame Weise wieder mit in die Story eingreifen dürfen, was zwar bei Carlos Olivera (Oded Fehr) ganz nett ist, sich bei Rain Ocampo (Michelle Rodriguez) aber vielleicht schon als etwas zu gezwungen herausstellt. Extrem gelungen sind hingegen die vielen Anspielungen auf das vierte Videospiel der Reihe: z.B. ist die Kampf-Choreo zwischen Ada Wong und Alice 1:1 aus dem Spiel übernommen worden, wo dieser zwischen Ada und Leon S. Kennedy stattfindet. Apropos Ada und Leon: auf Drängen der Fangemeinde hatte sich Anderson dazu entschlossen, die beiden Charaktere in „Retribution“ einzubauen, was allerdings nur bedingt funktioniert. Li Bingbing und Johann Urb machen ihren Job zwar souverän, haben aber optisch und verhaltenstechnisch nicht so viel mit ihren Vorbildern gemein wie erhofft. Aber sei’s drum, nett ist es auf jeden Fall, genau wie die Einführung von Barry Burton (Kevin Durand), der den Gamern aus Teil 1 und 3 bekannt sein dürfte.

Wobei wir allerdings beim Hauptproblem des Films angelangt wären: die rund 90-minütige Nonstop-Action ist zwar wie immer ganz nett, aber auch die vielen guten Momente hinterlassen oftmals einen faden Beigeschmack. Hierzu einige Beispiele: die ganzen Shoot-Outs sind zwar richtig gut inszeniert, ermüden aber auf die Dauer und lassen den Film zuweilen seelenlos wirken. Fans des vierten Spiels freuen sich über die Einführung der Las Plagas-Viren und ärgern sich über die dazugehörigen Zombies, die einfach nur lächerlich aussehen. Die 3D-Technik ist wie bereits beim Vorgänger beeindruckend, haut einen aber eben nicht mehr so vom Hocker wie in „Afterlife“. Der Soundtrack von tomandandy wäre wieder über jeden Zweifel erhaben gewesen, wenn er manchmal einfach mehr wagen, an einigen Stellen nicht im Dauerloop laufen und die Zitate aus „Afterlife“ nicht so uninspiriert übernehmen würde (Der Titel „Flying Through the Air“ rockt aber trotzdem alles weg!). Ein weiteres Problem, woran die Serie immer etwas krankte, ist die allzu seriöse Ausrichtung: manchmal sind die überbordende Coolness der Charaktere (z.B. Barrys letzter Kill), wie auch das Design einiger Outfits (Jills lilafarbenes Ganzkörper-Kostüm oder die Gestapo-Mäntel der Umbrella-Schergen) eher peinlich als stylisch. Und dass die deutsche Synchronisation manchmal arg unmotiviert daher kommt, war schon immer ein Manko der Reihe.

Doch bei aller Kritik sollen an dieser Stelle auch die besonders gelungenen Momente hervorgehoben werden. Gerade die weiblichen Hauptcharaktere und ihre Stuntdoubles beeindrucken mit unglaublicher Physis, Professionalität, Eleganz und ihrer Badass-Attitüde. Das Aufeinandertreffen von Alice und einer Horde Untoter in Tokio, das Doppelduell von Alice und Ada mit den zwei Axemen und auch der letzte Kampf zwischen Alice und Jill (Sienna Guillory) sind jeweils höchst durchdacht, kreativ und ästhetisch choreographiert. Und die fulminante Eingangssequenz gehört mit absoluter Sicherheit zur stilvollsten und eindrucksvollsten Action, die in diesem Jahr auf der Leinwand zu bestaunen war und begeistert trotz der doppelten Verwendung des Gezeigten. Die sich anfangs in Zeitlupe rückwärts abspielende Sequenz gehört zu den gelungensten Momenten des Films und sollte daher unbedingt in 3D auf der großen Leinwand genossen werden. Außerdem lassen coole Oneliner von Alice den Zuschauer ein ums andere Mal schmunzeln und ärgerliche (weil abgedroschene) Klischeesätze vergessen machen.

Was bleibt nun am Ende als Gesamtfazit festzuhalten? Bei allem Unfug, der uns seit nunmehr zehn Jahren „RE“ schon aufgetischt worden ist, muss ich mich an dieser Stelle trotzdem als Fan der Reihe outen und eine Lanze für Andersons neuen Film brechen. Denn egal wie groß die Logiklöcher auch sind (bestes Beispiel: in der einen Szene klettert Alice mühsam eine Leiter hinauf, in der nächsten benutzt sie den Enterhaken), egal wie uninspiriert der Best-Of-Charakter zuweilen wirkt und egal (aber durchaus schade) wie sehr der Horroranteil zu Gunsten brachialer Action fast gänzlich zurückgedrängt worden ist – ich find’s trotzdem geil. „Retribution“ sieht super stilvoll und groß aus, obwohl ein Budget von 65 Mio US-Dollar geradezu verschwindend gering im Vergleich zu anderen Blockbustern erscheint. „Retribution“ bietet enorm viele liebevolle Anspielungen auf die Capcom-Games, gerade Fans von Teil 4 werden bestens bedient. Und „Retribution“ zitiert sich durch viele Werke der Horror- und Actionfilmgeschichte: es finden sich Anspielungen auf „Aliens“ (die Mutter/Kind-Geschichte; achtet hierbei mal auf die Frisur und das Gesicht des Kindes bei der Szene im Helikopter!), „Underworld“, „Das Ding aus einer anderen Welt“, „Halloween“, das „Dawn of the Dead“-Remake, „Romeo Must Die“ und „Ong-Bak“ (wobei das Muay-Thai-Gekloppe am Schluss doch leicht deplatziert wirkt). Natürlich kann man das alles auch als dreisten Ideenklau interpretieren, ich empfinde es aber als überaus sympathisch und äußerst passend im Bezug auf die Best-Of-Stimmung.

„Resident Evil – Retribution“ ist, wie das bisherige Franchise und eben wie nicht anders zu erwarten, ein zweischneidiges Schwert: die einen werden den Film ob seiner blödsinnigen Geschichte, dem überbordenden Product Placement und der Videospiel-Ästhetik hassen und die anderen werden an dem turbulenten Actionspaß ihre helle Freude haben. Verstehen kann man beide Meinungen. Von mir gibt es daher eine eingeschränkte Empfehlung: Fans von Teil 1 bis 4 der „RE“-Filme und gerade Fans von Teil 4 können getrost ein Ticket lösen, alle anderen, die bisher schon nichts mit der Reihe anfangen konnten, werden auch durch „Retribution“ nicht bekehrt werden. Trotz bereits offensichtlicher Abnutzungserscheinungen verbleibe ich mit Vorfreude auf den sechsten und wahrscheinlich letzten Teil der Reihe. Für mich bitte noch einmal Alice’s Zombiegeschnetzeltes nach Art des Hauses. Die nächste Runde des sinnfreien Sci-Fi-Horror-Action-Konglomerats kann kommen!

Autor: Markus Schu

4 Responses to “Resident Evil: Retribution (2012) Review”

  1. 1
    JerryTom Says:

    SPOILER

    Wie viele Knochen wurden in diesem Film eigentlich gebrochen? :):)
    Nebenbei: Ich fand die Doppelrolle von Michelle Rodriguez genial…und gibt es in dem Film eigentlich noch einen anderen Score als „Flying through the Air“? Ich hatte den Eindruck, dass sich dieses Stück quasi durch den ganzen Film zog. ;-)

    Und wie genial ist bitte die Einbindung des Beginns von „Afterlife“?!?

    Sei’s drum…schon ziemlich gut (zwar nur optisch, aber das reicht), an „Extinction“ kommt meiner Meinung nach allerdings keiner der anderen Filme heran.

  2. 2
    Markus Says:

    Ich fand halt, dass diese Las-Plagas-Über-Soldatin am Ende den Charakter irgendwie kaputt gemacht hat. Die Normalo-Variante von ihr war gut, die von Carlos hat mir auch gefallen.
    Ja, das ist halt eines der angesprochenen Probleme mit dem Score, gerade gegen Ende (sozusagen beim Final Battle) läuft ein und derselbe Titel halt im Dauer-Loop. Ich find den Score zwar wieder super, aber natürlich hätte man das auch manchmal besser lösen können. Beim Betrachten von Afterlife ist mir vor kurzem aufgefallen, dass da der Titel Cutting mindestens drei mal verwendet wird. Ist aber wie Flying through the air auch der beste Score-Titel und daher find ichs okay. Zumals in Afterlife auch nicht langweilig wird, da der Titel immer irgendwie abgeändert ist.
    Ja, der Übergang ist brillant, meine Actionfilmsequenz des Jahres! War ein brillanter Auftakt! (Also du meintest doch sicher das Ende von Afterlife als Beginn von Retribution, oder?)
    Meine Reihenfolge ist:
    Platz 1: Resident Evil 1 +3 (kann mich da echt nur schwer entscheiden, fand beide richtig stark)
    Platz 2: Retribution
    Platz 4: Afterlife
    Platz 5: Apocalypse
    Egal wie blödsinnig einige Szenen auch sind, ich mag die Reihe. Freu mich schon aufs Finale!

  3. 3
    Markus Says:

    Mir fällt gerade auf, dass wir wohl wegen „Beginn von Afterlife“ aneinander vorbeigesprochen haben bzw. dass ich erst jetzt verstehe, was du gemeint hast. Du beziehst dich bestimmt auf die Tokio-Sequenz, oder? Ja, das war eigentlich ziemlich nice, wobei das mit den Sequenzen irgendwann zwar keinen Sinn mehr macht (wie lange ist das wohl her, dass die Vorstadt-Idylle-Sequenz gestartet worden ist? Wenn schon vor geraumer Zeit, dann machts kaum einen Sinn, dass das kleine Mädchen noch lebt und das Blut noch so frisch ist; wenn erst vor kurzem, dann frag ich mich wozu?). Aber egal. Die Idee mit den Sequenzen ist trotzdem super:)

  4. 4
    JerryTom Says:

    Jupp, ich meinte die Tokyo-Sequenz…und ich denke, dass man in Bezug auf zeitliche Kontinuität graziös über etwaige Löcher in der Logik hinwegsehen kann. ;-)
    Denn das würde in der Tat heißen, dass der Beginn von Afterlife zeitlich in der Mitte von Retribution spielt…ist vermutlich einfach ein netter Gruß an die Fans.
    Nebenbei muss man weniger Material drehen. :)

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