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No Mercy (2019) Blu-ray-Kritik

© Busch Media Group

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Kaum eine dramaturgische Prämisse ist derart stringent zu erzählen wie die des Selbstjustiz-Films. Man braucht lediglich ein nachvollziehbares Motiv, eine Hauptfigur, mit der man sich identifizieren kann und einen oder mehrere Antagonisten, denen man nichts lieber wünscht, als dass es ihnen an den Kragen geht. Dabei gibt es echte Klassiker und exzellente Vertreter dieses Kriminalfilm-Subgenres, die auch das eine oder andere Mal politische, gesellschaftliche oder soziale Fragen verhandeln. Und dann gibt es, aufgrund der Einfachheit der dramaturgischen Struktur, sehr viele Filme, die einfach nur eine entsprechende Grundsituation nehmen und diese dann gegen die Wand fahren. So wie es auch der koreanische Vertreter „No Mercy“ tut.

Die Rache nehmende Person ist dieses Mal Inae (Si-young Lee), die ihre jüngere Schwester Eunhye aus den Händen einer Gruppe von Menschenhändlern befreien will. Zufälligerweise ist sie Bodyguard, so dass das Zupacken, Zutreten und Zuschlagen kein Problem für sie darstellt. Hätte man das auch geklärt. Dass ihre Gegner sie dauerhaft unterschätzen, ist dabei noch das gelungenste Element des Filmes, ganz einfach, da man es als Zuschauer besser weiß. Ansonsten stimmt bei diesem Low-Budget-Reißer vorne und hinten nichts: Zwar scheint Darstellerin Si-young Lee tatsächlich das eine oder andere Mal auch den einen oder anderen Tritt bzw. Schlag selbst ausgeführt zu haben, so genau lässt sich das aber nicht sagen, da die entsprechenden Momente zum einen amateurhaft choreografiert sind und zum anderen teils heillos zerschnitten wurden. Hier hätte wenigstens ein gewisses Potenzial gelegen, die Kampfszenen mit einem zumindest geringfügigen Schauwert auszustatten. Doch nicht nur sind diese in der Regel schnell wieder vorbei, sie sind auch vollends unspektakulär. Der visuelle Look des Filmes sieht dabei so aus, als wäre er mit Freizeit-Camcordern gedreht, wobei das Color-Grading in der Postproduktion wohl vergessen wurde.

© Busch Media Group

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Die überkonstruierte Handlung ergibt vorn und hinten keinen Sinn: Die Stationen, die Eunhye durchmachen muss, sind vollkommen willkürlich durcheinander geworfen, zusätzlich ist der Film überflüssigerweise auch nicht chronologisch erzählt, so dass man von Flashback zu Flashback springt und die Erklärungen, die man gerade noch so braucht, um die Handlung nicht vollends in die Willkür abrutschen zu lassen, einfach immer wieder mal eingeschoben werden. Inaes Fähigkeiten, Schlüsse zu ziehen, während sie den Weg ihrer Schwester nachzuvollziehen versucht, sind teilweise äußerst bemerkenswert, da sie auch mal ohne nachvollziehbare Hinweise wichtige Adressen herausfindet, wobei immer die für sie richtigen Leute am richtigen Ort sind. Wer sich dann am Ende auch noch zusätzlich in den Entführungsfall mit welcher Motivation einmischt, ist schließlich komplett nach dem Zufallsprinzip gestaltet, so dass sich nicht mehr feststellen lässt, ob die letzten zwanzig Seiten des Skripts in der richtigen oder der falschen Reihenfolge verfilmt wurden. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde.

Man sollte „No Mercy“ meiden. Es gibt unglaublich viele deutlich bessere Selbstjustiz-Filme (insbesondere aus Korea, Park Chan-Wook lässt grüßen). Die für das Genre eigentlich konstitutive (und in der Regel sinnvolle) Stringenz wird einem hanebüchenen Plot geopfert, der verzweifelt dramaturgische Komplexität zu heucheln versucht, am Ende jedoch einfach nur Resultat eines miserablen Drehbuchs ist. In den 1980er-Jahren wäre dieses Machwerk Videotheken-Ware des hintersten Regals gewesen und es ist erstaunlich, dass es eine deutsche Synchronfassung dieses Filmes gibt, denn dies bedeutet, dass allen Ernstes eine der koreanischen Sprache mächtige Person die Mühe auf sich nahm, diesen völlig belanglosen Film zu übersetzen. Sachen gibt’s…

Autor: Jakob Larisch

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