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Foxcatcher (2014) Review

© Koch Media

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Alle Jahre wieder: Pünktlich zu den Oscars starten jedes Mal aufs Neue Filme mit schauspielerischen Leistungen, für die sich die entsprechenden Darsteller häufig entweder an den Rand des körperlich Machbaren begeben und dafür mit der Goldstatuette belohnt werden (wie Natalie Portman für „Black Swan“ 2011 oder Matthew McConaughey für „Dallas Buyers Club“ letztes Jahr) oder (seltener) entgegen einem meist festgefahrenen Rollentypus besetzt werden, dann jedoch kaum die Auszeichnung gewinnen (wie James Franco für „127 Hours“ 2011 oder Jonah Hill für „Moneyball“ 2012). Auch Steve Carell ist jemand, den man zunächst nicht mit Charakterdramen in Verbindung bringen würde, hat er sich doch eher einen Namen als Komiker gemacht und in dieser Funktion grandiose („Get Smart“) bis eher mittelmäßige („Dan – Mitten im Leben“) Werke produziert. Nun versucht er sich mit „Foxcatcher“ zum ersten Mal in einer komplett ernst zu nehmenden Rolle, natürlich körperlich verändert, natürlich pünktlich zu den Oscars, natürlich konsequent für einen selbigen nominiert. Auch er wird vermutlich gegen Michael Keaton (nominiert für „Birdman“) keine Chance haben; warum auch? Carell fällt neben seinem Co-Star Channing Tatum qualitativ ab, auch „Foxcatcher“ als Gesamtwerk ist ein eher schwacher Film, der sein durchaus vorhandenes Potenzial einer Parabel der Verquickung von Politik, Ökonomie und Entertainment kaum zu nutzen weiß.

Mark Schultz (Channing Tatum), 1984 Olympiasieger im Ringen, bekommt von dem reichen und exzentrischen Multimillionär John DuPont (Steve Carell) das Angebot, in dessen privates Trainingsteam „Foxcatcher“ aufgenommen zu werden, um sich so unter besseren Bedingungen auf die nächsten Olympischen Spiele 1988 in Seoul vorbereiten zu können. Trotz der Bedenken seines Bruder Dave (Mark Ruffalo), ebenfalls Olympiasieger in der gleichen Sportart, nimmt Mark das Angebot an. Das Training scheint sich zunächst auszuzahlen, Mark wird 1987 Weltmeister und schafft es, seinen Bruder davon zu überzeugen, ebenfalls zum Team „Foxcatcher“ zu stoßen. Dass DuPont in seinen Verhaltensweisen zunehmend wahnsinnig wird, kann Mark zu diesem Zeitpunkt noch ausblenden, jedoch beginnt sich das Verhältnis zwischen den beiden zu zerrütten…

„Foxcatcher“ basiert auf einer wahren Begebenheit, der echte Mark Schultz machte vor kurzem von sich reden, als er Regisseur Bennett Miller wüst per Twitter beschimpfte (Auszug: „Alles Positive, das ich über den Film gesagt habe, nehme ich zurück. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn.“) Das Verhältnis der einzelnen Figuren zueinander scheint jedoch (aus dramaturgischer Sicht vermutlich notwendigerweise) in Teilen fiktionalisiert worden zu sein, was der Regisseur zunächst dazu nutzt, einige homoerotische Anspielungen in den Film einfließen zu lassen. Nicht nur, dass der enge Körperkontakt zwischen mit engen Outfits bekleideten Männern bei entsprechender Inszenierung ohnehin in eine derartige Richtung interpretiert werden kann, so untermauern gewisse Szenen zwischen Mark Schultz und John DuPont diesen Eindruck noch. Dass dessen vermeintliche Homosexualität, ein aus psychoanalytischer Sicht unverarbeiteter ödipaler Konflikt und eine dazwischen stehende, angedeutete Impotenz jedoch filmisch mit einer zunehmenden psychischen Störung korrelieren, ist in einem auf realen Ereignissen basierenden Film etwas heikel, denn hier ist der Bezug zu den Vorbildern nicht mehr gegeben, dies sind inszenatorische Freiheiten, die sich Bennett Miller bewusst genommen hat. Damit soll dem Regisseur keineswegs Homophobie vorgeworfen werden, die Frage bleibt jedoch, was er mit dem Aufbringen dieser Thematik bezwecken will.

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Der Film macht einiges richtig, aber vieles falsch. Es gibt unglaublich starke Szenen, etwa wenn Mark und Dave Schultz zu Beginn miteinander trainieren. Sie sprechen kein Wort, immer wieder wird einer der Brüder mit routiniert eingeübten Choreografien auf die Matte geworfen. Die Energie, die sich aus dieser Szene ergibt, baut eine extreme Spannung auf und das, obwohl eigentlich nicht viel passiert. Wenn Mark aus Frust ein Hotelzimmer verwüstet und sich hinterher vor dem Spiegel quasi als „Selbstbestrafung“ das eigene Gesicht blau schlägt, ist dies zwar ein Beitrag zur etwas aufdringlichen Spiegelmetaphorik des Films, jedoch wird die Entwicklung seines Charakters kurz und prägnant dargestellt. Die visuelle Inszenierung lässt ihn auf dem Foxcatcher-Anwesen häufig klein erscheinen, zwischen großen Bäumen und den gigantischen Säulen der Villen und verdeutlicht so seinen Status in der Beziehung der Figuren untereinander. Der stärkste Moment jedoch ist ein Interview eines Fernsehsenders mit Dave Schultz, der erklären soll, warum John DuPont der ideale Trainer ist. Zunächst fällt ihm nichts ein, dann verliert er sich in aufgesagten Plattitüden, auch die Hilfestellung der Journalisten bringt nichts, bis Dave das Gespräch schließlich abbrechen muss. Diese Szene bringt auch aufgrund von Mark Ruffalos starkem Spiel die Figur des John DuPont und damit den Initiator der Handlung auf indirekte Weise besser auf den Punkt als alles andere: Es gibt keinen Grund, seinem Wrestling-Team beizutreten, weder ist er ein guter Trainer, noch ein moralischer Coach, er hat schlicht und ergreifend Geld. Mehr nicht.

Hier setzt dann auch die Kritik an „Foxcatcher“ an. Zunächst ist der Film deutlich zu lang, man hat als Zuschauer die Andeutungen und Konfliktsituationen irgendwann begriffen, viele der dramaturgischen Schlenker scheinen unpassend und redundant, viele Auslassungen hingegen hätten einer Vertiefung bedurft. Dass die Familie DuPont nicht zuletzt durch Waffenhandel reich wurde, hätte eine interessante Basis ergeben, die Verbindungen einer durch Kriegsgerät zu Wohlstand gekommenen, finanziellen Elite sowohl zur Politik als auch zur durch Mark Schultz repräsentierten, einfachen Bevölkerung zu beleuchten. Die Verwicklungen von Kapital und Politik werden zwar zwei Mal angerissen, aber nie wirklich ausgeführt, zu sehr scheint Bennett Miller an den Charakter John DuPonts gefesselt, hinterfragt aber nie dessen Hintergründe. Dass dieser vor einem Empfang, bei welchem er Mark in die High Society einführen will, Kokain nimmt, ist zwar als Chiffre für die Perversionen der Oberschicht zu lesen, wird jedoch nicht wieder aufgegriffen und verläuft im Sande. Auch die Figur des Mark Schultz hätte eine hervorragende hermeneutische Projektionsfläche ergeben, wird er doch von DuPont (und dessen Reichtum) gefügig gemacht und hinterfragt nicht mehr die ihn umgebenden Mechanismen. Dies alles wären Punkte gewesen, an denen sich der Gleichnis-Charakter der erzählten Geschichte hervorragend hätte beleuchten lassen, Regisseur Miller reißt dies jedoch nur unsauber an und kehrt immer wieder zur persönlichen Ebene DuPonts zurück, die zwar ein guter Ausgangspunkt gewesen wäre, als Träger der Geschichte jedoch nur unzureichend funktioniert.

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Steve Carell spielt nicht schlecht, aber die Oscar-Nominierung und das vielfache Kritikerlob sind dann doch etwas übertrieben. Er ist immer dann gut, wenn er die unheilvoll scheinende graue Eminenz im Hintergrund gibt, deren Gedanken stets verborgen bleiben. Die Art und Weise seiner Sprache und seines Habitus in Dialogszenen wirkt jedoch teils angestrengt und aufgesetzt. Das wahre schauspielerische Highlight ist tatsächlich Channing Tatum, der zwar vom Körpermaß seinem altbekannten Figurentypus treu bleibt, nicht jedoch charakterlich. Sein Mark Schultz ist eine gebrochene Figur, auf der Suche nach Erfolg, aus dem er sich einen Sinn verspricht. Im Laufe des Films wird der Charakter stets kaputter und verbitterter, eine Transformation, die Tatum exzellent meistert. Mark Ruffalo spielt gut wie immer, Dave Schultz war vermutlich keine Rolle, die ihm Äußerstes abverlangt hat.

„Foxcatcher“ ist ein Film, bei welchem lediglich Ansätze funktionieren. Vieles wird nur angerissen, viele Möglichkeiten werden verschenkt, nichts wirklich vertieft. Trotz guter Momente stolpert der Film durch seine teils unfertig scheinende Handlung, setzt die falschen Schwerpunkte und schlingert hin und her, ohne dramaturgischen Halt zu finden oder sein auch politisches Potenzial zu nutzen. Kein Totalausfall, aber schlicht unausgegoren.  Mit gutem Willen 5/10.

Autor: Jakob Larisch

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