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Escobar: Paradise Lost (2014/2015) Review

© Mika Cotellon / Alamode Film

© Mika Cotellon / Alamode Film

Das Biopic, also die verfilmte Biografie, dürfte eines der am schwierigsten zu bedienenden Filmgenres sein, da es sich bei den filmischen Charakteren nicht ausschließlich um fiktive Konstrukte, sondern zunächst um konkrete, real existierende Personen handelt, denen man durch ein künstlerisches Statement eine gewisse Rechenschaft schuldig ist, Dinge nicht zu verzerren oder ihr Leben nicht plötzlich in ein ungünstiges Licht zu rücken. Zudem stellt sich immer die Frage, weswegen man sich gerade diese Persönlichkeit für eine filmische Abhandlung aussucht: Ist die Geschichte schlicht und ergreifend so spannend, dass für ein Drehbuch kaum mehr Fantasie aufgewendet werden muss? Besitzt die Person einen Vorbild- oder einen Abschreckungscharakter, den es mit der Welt zu teilen lohnt? Oder dient sie letztlich nur als Aufhänger für eine andere Story?

Irgendwo zwischen den beiden letztgenannten Punkten siedelt sich „Escobar: Paradise Lost“ an, ein Film, der auf dem Leben des kolumbianischen Drogenbosses Pablo Escobar basiert, ihn jedoch nur zu einem von zwei Protagonisten macht. Der andere ist Nick, ein kanadischer Surfer, welcher in Kolumbien gemeinsam mit seinem Bruder eine Surfschule eröffnen will. Er lernt die attraktive Maria kennen, Escobars Nichte. Sie verlieben sich ineinander und so wird Nick Bestandteil des mafiös anmutenden Familienclans der Escobars. Dass dies auf Dauer nicht gutgehen kann, erschließt sich sowohl denjenigen, die die Geschichte des wahren Pablo Escobar kennen, als auch denjenigen, die mit den Grundzügen filmischer Dramaturgie vertraut sind. Ereignisse im Leben des kolumbianischen Kartellchefs werden somit zu Eckpfeilern eines zwar konventionell inszenierten, nach eher durchwachsener erster Hälfte aber nichtsdestotrotz effektiven sowie spannenden Thrillers über Macht, Schuld und Schicksal.

Der Film beginnt in einer Nacht des Jahres 1991 und benutzt ein wahres Ereignis als Aufhänger: Um einer Auslieferung an die USA zu entgehen, hatte sich Escobar zu jener Zeit bereiterklärt, mit den kolumbianischen Behörden zu kooperieren und einen Deal ausgehandelt, welcher als Gegenleistung von ihm verlangte, eine Gefängnisstrafe aufzunehmen. So weit die Fakten. Die Handlung startet nun in der Nacht vor seiner Verhaftung; um seine Reichtümer in Sicherheit zu bringen, setzt Pablo Escobar eine Armada an Arbeitern in Bewegung, welche diese in entlegenen Gebieten des Landes verstecken sollen. Einer von ihnen ist sein Schwiegersohn Nick, der schnell merkt, dass die ganze Sache einen Haken besitzt: Sobald er eine Ladung Diamanten mit Hilfe eines Kontaktmannes in den kolumbianischen Bergen in Sicherheit gebracht hat, soll Nick diesen erschießen. Mit sich selbst hadernd, ob er diesen Auftrag zu erledigen in der Lage ist, fährt Nick los. Ein Einstieg nach Maß. Dann Schnitt.

Ein paar Jahre eher. Nick und sein Bruder kommen in Kolumbien an und der Plot erzählt, wie es zu jener schicksalhaften Nacht im Jahr 1991 kam. Dieser Teil ist solide und auch ganz nett gemacht, wirkt aber leider immer wieder ein wenig hektisch und zerfasert. Nick lernt Maria kennen, irgendwann lernt er Escobar kennen, er bemerkt, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, verlobt sich aber trotzdem mit Maria. Das alles ist okay und immer wenn Benicio del Toro in der Titelrolle auftritt, wirkt das Geschehen auf der Leinwand beklemmend, ganz einfach weil del Toro mit seiner zwischen Charisma und Gnadenlosigkeit angelegten Performance eine der vermutlich besten Leistungen seiner Karriere abliefert. Der Film springt allerdings häufig unmotiviert von einem Ereignis zum anderen, warum was erzählt wird, erschließt sich nicht immer. Ein wenig scheint es, als hätte Drehbuchautor wie Regisseur Andrea Di Stefano in diesem als Vergangenheit markierten Handlungsstrang seinen roten Faden noch nicht gefunden.

© Mika Cotellon / Alamode Film

© Mika Cotellon / Alamode Film

Dies ändert sich ziemlich genau in der Mitte von „Escobar: Paradise Lost“, wenn die Story den Beginn des Filmes wieder aufnimmt und die Erlebnisse von Nick vor, während und nach dem Verstecken der Edelsteine zeigt. So viel sei verraten: Es kommt zu ganz gehörigen Komplikationen, so dass Nick, der von dem sonstigen Schauspielverweigerer Josh Hutcherson durchaus anständig verkörpert wird, irgendwann gezwungen ist, gegen eine große Anzahl von Escobars Schergen bestehen zu müssen. Ein Kampf auf Leben und Tod, der von der dichten Einteilung der erzählten Zeit lebt. Spielte die erste Hälfte des Filmes über mehrere Jahre, so bildet dessen zweite Hälfte lediglich die 24 Stunden ab, die Nick nach Escobars Auftrag durchlebt. Hier zeigt der erstmals vom Schauspiel- ins Regiefach gewechselte Andrea Di Stefano („Life of Pi“, „Eat Pray Love“, „Nine“), dass er es durchaus versteht, fesselnd zu erzählen. Die moralische Problematik des Auftragsmordes, mit der Nick konfrontiert ist, wird durch einen Twist nochmals gesteigert, nachdem schließlich alle Stricke reißen und sich Nick einer Hetzjagd aller möglichen kriminellen wie auch staatlichen Stellen ausgesetzt sieht, dreht Regisseur Di Stefano immer weiter an der Spannungsschraube. Man weiß bereits, wie gnadenlos Escobar agieren kann, so dass das Leben von Nick alles andere als sicher scheint. Schafft er es, sich aus einer scheinbar ausweglosen Situation durch Glück, Können oder auch einen Trick herauszuziehen, so wird er gleich mit der nächsten schwierigen Gegebenheit konfrontiert. Auf diese Weise vermag das Geschehen der zweiten Hälfte deutlich zu packen und lässt einen bis zur finalen Eskalation kaum mehr los.

Was bleibt, ist also der Eindruck, irgendwie zwei verschiedene Filme gesehen zu haben. Narrativ wäre es daher eventuell klüger gewesen, die erste Hälfte (die „Vergangenheit“) trotz teils starker Einzelszenen als immer wieder aufflackernde Flashbacks in die zweite Hälfte zu integrieren, so dass sich Nick während der Fahrt zu seinem Zielort sowie der darauf folgenden Zuspitzung seiner Situation quasi immer wieder vor Augen führt, wie es eigentlich so weit kommen konnte. Blickt man allein auf die fragmentierte erste Hälfte, so stellt sich der Eindruck ein, dass dies eventuell sogar einmal der Fall gewesen war und dass Di Stefano die Kennlerngeschichte von Nick und Maria eigentlich aus lauter Flashbacks zusammengestückelt hat. Der Dynamik und dem Erzähltempo des Filmes hätte es zumindest deutlich besser getan, auf die klare Zweiteilung zu verzichten und das eine in das andere einzugliedern. Auch auf einer emotionalen Ebene wäre Nicks innere Zerrissenheit auf diese Weise eventuell besser zum Tragen gekommen.

Freilich entschädigen die Thriller-Bestandteile von „Escobar: Paradise Lost“ gebührend für die etwas ungelenk in Szene gesetzte erste Hälfte, die den Fokus eher auf die Beziehung von Nick und Maria legt, wobei übrigens an dieser Stelle auch deren Darstellerin und Newcomerin Claudia Traisac nicht unerwähnt bleiben soll, welche eine herausragende Leistung abliefert und seit den Dreharbeiten Josh Hutcherson ihren Lebenspartner nennen darf. Ob dies erstrebenswert ist, sei dahingestellt, dem Film hat es nicht geschadet. Gut begonnen, etwas unausgegoren weitergeführt, spannend beendet, ein positiver Gesamteindruck bleibt dabei zweifellos. 7/10

Autor: Jakob Larisch

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