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Creed – Rocky’s Legacy (2015/2016) Review

© 2015 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. and Warner Bros. Entertainment Inc.

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Eigentlich ist schon alles gesagt, alles erzählt. Bereits nach dem ersten „Rocky“-Film im Jahr 1976, an dessen Ende ein strahlender Sylvester Stallone als Sieger der Herzen den Boxring verlässt, war alles gesagt. Nach dem dramatischen Finale gegen einen unbezwingbar scheinenden Gegner in „Rocky III – Das Auge des Tigers“, war alles gesagt und als sich ein alternder Balboa im Jahr 2006 doch noch einmal die Boxhandschuhe überzog, war man mehr als positiv überrascht über das, was Stallone noch zu sagen hatte. Dann war jedoch Schluss. Die Legende des kämpfenden Underdogs, welche Generationen von Kinogängern Freude und Mut schenkte, war abgeschlossen und Sylvester Stallone selbst hätte sie wohl auch für immer schweigen lassen.

Der junge Regisseur Ryan Coogler, der mit dem Film „Nächster Halt: Fruitvale Station“ sein hochgelobtes Regiedebüt feierte, hatte aber anscheinend noch etwas zu sagen. Als eines von drei Projekten, die er unter anderem während seiner Studienzeit erarbeitete, wurde das Filmkonzept „Creed“ für ihn schnell zu einer Herzensangelegenheit und nach den bereits angesprochenen ersten Erfolgen schien der Weg nun frei für seinen nächsten Streich. Stallone konnte mit der Idee einer Fortführung der Reihe aber zu Beginn gar nichts anfangen. Coogler gab jedoch nicht auf und schließlich konnte er die alte, kreative Kraft hinter dem Franchise doch für sein Vorhaben gewinnen. Jetzt ist „Creed – Rocky’s Legacy“ da und alle fragen sich: Ist da noch Sprit im Tank?

Die eigentliche Story von „Creed“ unterscheidet sich bemerkenswerterweise gar nicht so sehr von seiner Entstehungsgeschichte. Ein junger Mann will einen alten Hasen wieder zurück ins Geschäft bringen. Hier ist es der aufstrebende Boxer Adonis Johnson (Michael B. Jordan), der Rocky Balboa (Sylvester Stallone) als seinen Mentor gewinnen will, um sich selbst auf ein neues Level zu bringen. Auch in diesem Fall zögert der alte Mann zunächst, lässt sich aber schließlich überreden. Unter anderem auch, weil ihn und Adonis mehr verbindet als nur der Sport. Denn dieser ist darüber hinaus der uneheliche Sohn des verstorbenen Apollo Creed (Carl Weathers), einer „Rocky“- Institution. Gemeinsam versuchen Rocky und Adonis nun, dem Erbe ihrer gemeinsamen Verbindung gerecht zu werden.

© 2015 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. and Warner Bros. Entertainment Inc.

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Um dieses Vorhaben zu erreichen, gibt es nur den für Fans bekannten einen Weg: Trainieren, kämpfen, schwitzen, scheitern, aufstehen, zwischendrin das Herz einer Frau erobern, mehr trainieren, flotte Sprüche reißen, aufpassen, jetzt kommt die Trainingsmontage, zweifeln, siegen. Ryan Coogler weiß, was „Rocky“ ausmacht, hat viele Aspekte wahrscheinlich selbst geliebt und baut sie ALLE in seinen Streifen ein. Sei es die ikonische Musik, die fliehenden Hühner oder der Trainingsanzug, „Rocky“ steckt in „Creed“. Man hätte erwarten können, dass Ryan Coogler nach seinem vergangen Werk einen sozialkritischen Ton hier ebenso anklingen lässt, er verzichtet darauf. Stattdessen versucht er wieder, das Gefühl einer Stadt oder eines sozialen Milieus in die bekannte Rocky- Formel einzuweben. Damit ist noch nicht einmal die afroamerikanische Gesellschaft gemeint, sondern mehr eine Gruppe junger Männer, die nicht weiß, wohin mit sich. Ganz wie in „Fruitvale Station“ oder „Rocky“. Ryan Coogler behandelt darüber hinaus in seinem Film durchaus ernste und ungewohnte Themen, diese bleiben jedoch auf eine individuelle Ebene beschränkt. Gott sei Dank, muss man jetzt sagen, denn gerade so bleibt „Creed“ seinen Vorgängern treu. Es ist und bleibt der Lebenskampf eines Menschen, der mit seinem bloßen Willen unerreichbar scheinende Träume verwirklicht, frei von Ethnie und Hautfarbe und vielleicht liegt gerade in dem Bewusstmachen dieser Tatsache die große Leistung des Films. Die Schauspieler können in dieser geerdeten Atmosphäre glänzen. Sonnyboy Michael B. Jordan kann hier, auch durch seine physische Ausstrahlung, eine neue Facette seines Könnens zeigen und Sylvester Stallone bekommt die Chance, einen ganz anderen elementaren Kampf schauspielerisch darzustellen. Stallone hätte den Oscar verdient, allein schon, (um der bekannten Oscarlogik Folge zu leisten) weil man so ein amerikanisches Kulturgut endlich gebührend ehren könnte: Rocky Balboa.

Audiovisuell ist „Creed“ eine wahre Wohltat für eine in dieser Hinsicht vielleicht etwas angestaubte Filmreihe. Wann hat man das letzte Mal ausgedehnte Plansequenzen in einem Rocky-Film gesehen? Nie? Unterstützt wird dieser Bilderrausch von stimmungsvollen Hip-Hop-Klängen, unter anderem beigesteuert von „The Roots“. Der sechste „Rocky“-Teil hatte diesen Trend mal vorsichtig angedeutet, Coogler erhebt die musikalische Untermalung zum Credo. Gerade inszenatorisch merkt man dem Regisseur an, dass er das alte „Rocky“-Feeling schätzt, aber einen Schritt weitergehen will. Die Filme „The Fighter“ und „Warrior“ sind Beispiele, an denen sich Coogler gerade in den Kampfszenen orientiert. Im richtigen Moment lässt er dann aber auch wieder unkontrolliert die Fäuste fliegen, was gestandene Boxer auf die Palme bringen dürfte.

Es ist noch Sprit im Tank! Sylvester Stallone dachte vielleich,t es wäre alles gesagt, aber eine junge Stimme sah das anders. Gemeinsam erschaffen sie einen Rocky-Hybriden, der sich erzählerisch an seinem Erbe orientiert, aber inszenatorisch mehr nach rechts und links schaut. Eben ein echter „Creed“. Genug gesagt!

Autor: Max Fischer

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