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A Million Ways to Die in the West (2014) Review

Seth MacFarlane scheint Kinofilme als zweiten Spielplatz entdeckt zu haben. Lange Zeit mit „Family Guy“ und „American Dad“ ausschließlich im TV-Serien-Geschäft verankert, gelang ihm 2012 mit seinem Regiedebüt „Ted“ der Sprung auf die Leinwand. Und was für ein Sprung das war. „Ted“ trieb den für MacFarlane typischen postmodernen Humor nicht nur bis zum Exzess, sondern wartete in Gestalt des Geschmacksgrenzen überschreitenden Teddybärs auch mit einer durchaus innovativen Idee auf, die im Endeffekt für einen brüllend komischen Film sorgte. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an seinen nächsten Film „A Million Ways to Die in the West“, jedoch stützt sich MacFarlane im Genre des Westerns auf etwas Altbekanntes. Das soll nicht heißen, dass sein neues Werk zur bloßen Parodie verkommt, dafür ist der Regisseur dann doch zu sehr in der Popkultur verankert. Denn auch wenn die komödiantische Schlagkraft und postmoderne Brillanz von „Ted“ nicht erreicht wird, ist „A Million Ways to Die in the West“ immer noch eine abgefahrene Komödie mit zum Teil saukomischen Gags.

Arizona 1882: Schafzüchter Albert (Seth MacFarlane) ist zur falschen Zeit am falschen Ort geboren worden. Nicht nur, dass er den Wilden Westen mit all seinen Gefahren hasst, jetzt macht auch noch seine Freundin Louise (Amanda Seyfried) mit ihm Schluss, nur um mit dem schmierigen Schnurrbartträger Foy (Neil Patrick Harris) zusammen- zukommen. Albert verfällt in misanthropische Stimmung und kann auch von seinem Kumpel Edward (Giovanni Ribisi) und dessen Freundin Ruth (Sarah Silverman) nicht aufgemuntert werden. Doch als er die neu zugezogene Anna (Charlize Theron) kennenlernt, verfliegen seine Sorgen, zumal sie ihm helfen will, Louise zurückzuerobern. Dumm nur, dass sie mit dem gefürchteten Outlaw Clinch Leatherwood (Liam Neeson) verheiratet ist, was sie Albert zunächst verheimlicht…

Schon der an John Fords „The Searchers“ (1956) erinnernde Vorspann, der nicht umsonst im Monument Valley situiert ist, stößt den Zuschauer mit der Nase darauf, dass er sich ab jetzt gefälligst im Western zu befinden habe. Leider ist die daran aufgehängte Story bei weitem nicht so markant wie in „Ted“, dessen Stärke trotz der Gags im Sekundentakt gerade eine gewisse Ernsthaftigkeit in Bezug auf die Dramaturgie war. Letztlich erzählen beide Filme dieselbe Geschichte: Der Protagonist (Mark Wahlberg / Seth MacFarlane) muss sich von einer geliebten Person (Ted / Amanda Seyfried) lösen, um auf eigenen Füßen stehen zu können. Dass das Storykonstrukt in „A Million Ways to Die in the West“ nun vielerorts zum bloßen Stichwortgeber wird, ist eigentlich schade: Viele Pointen geschehen nur um des jeweiligen Gags willen und stehen somit quasi für sich selbst, in „Ted“ wurden sie hingegen deutlich stärker in der erzählten Geschichte verankert, was diesen zumindest im Vergleich mit seinem Nachfolger deutlich runder wirken ließ.

Nicht falsch verstehen: „A Million Ways to Die in the West“ hebt sich von bloßen Nummernrevuen wie der „Scary Movie“-Reihe oder anderen Machwerken aus dem Hause Seltzer/Friedberg natürlich meilenweit ab, allein schon in Bezug auf die Geisteskraft der jeweiligen Schöpfer. Denn MacFarlane tut auch in seiner Western-Parodie das, was er schon immer am besten konnte: Mit popkulturellen Anspielungen arbeiten und seine Werke damit zu einer Symphonie postmoderner Referenzen zu machen. Wie ein Meister spielt MacFarlane mit Versatzstücken und Standardsituationen des Genres und dekonstruiert typische Figurenmuster. Seien es die Shootouts, die hier immer aufgrund irgendwelcher Komplikationen abgebrochen werden müssen, Schlägereien im Saloon, denen Albert und Edward sich auf kreative Weise zu entziehen versuchen oder die Thematisierung der im Western stets präsenten, aber zumindest im klassischen Hollywood nie ausgespielten Gewalt, die hier teils mehr als drastisch in Szene gesetzt wird. Auch altbekannte Dialoge werden aufs Korn genommen, wobei MacFarlane auch gern mal die Genregrenzen überschreitet. Als Louise die Beziehung zu Albert mit den Worten „Ich muss an mir arbeiten!“ beendet und er darauf erwidert: „Du weißt, dass das der absolute Klischeesatz ist, oder?“, dann wird deutlich, dass er hier nicht über das Verhalten von Frauen bei Trennungen spricht, sondern über die Standardsituation „Schlussmachen“ im Liebesfilm. Selbstreflexive Ironie gehört eindeutig zu den Stärken MacFarlanes und dies ist nicht das einzige Beispiel dafür (Stichwort: „Du bist zu spät!“).

Und MacFarlane spielt dieses Spiel nicht nur auf narrativer Ebene. Wenn Sarah Silverman ihre ganz eigene Version der Figur „Hure mit Herz“ aufs Parkett legt, die kein Problem damit hat, im Bordell zwischen Tür und Angel den nächsten Kunden für Analverkehr auszuhandeln, Sex mit ihrem Freund Edward jedoch aus religiösen Gründen bis zur Ehe verweigert, dann geht der Film noch einen Schritt weiter und persifliert auch die mit dem Western einhergehende Moral; Klischeedarstellungen von Indianern werden ebenso auseinander- genommen wie rassistische oder geschlechtliche Stereotypisierungen. MacFarlane zeigt sich hier durchaus politisch, denn „A Million Ways to Die in the West“ ist keine reine Parodie des Westerngenres, sondern dekonstruiert mit Nachdruck den damit einhergehenden Mythos der US-amerikanischen „Frontier“ und die Legende der Entstehung einer damals irgendwie begrüßenswerten Zivilisation.

Nach dem Motion-Capture-Spiel in „Ted“ ist Seth MacFarlane nun erstmals selbst zu sehen und liefert einen ordentlichen Job ab. Es fällt jedoch auf, dass er eigentlich Komiker ist und so sind die entsprechenden Szenen seine stärksten. Die beiden schauspielerischen Schwergewichte Charlize Theron und Liam Neeson verkörpern ihre Charaktere mit Leichtigkeit, man merkt beiden den Spaß an, den sie beim Dreh hatten und insbesondere bei Therons wiederholten Lachanfällen sollte man sich nicht zu sicher sein, ob diese komplett im Drehbuch standen. Neil Patrick Harris spielt das Stadt-Ekel mit Hingabe, auch Giovanni Ribisi weiß als schüchterne männliche Jungfrau zu überzeugen, insbesondere im Kontrast zur rotzigen Sarah Silverman, die alle Grenzen des guten Geschmacks hinter sich lässt. Amanda Seyfried fällt dagegen ein wenig ab, hat jedoch auch eine undankbare Rolle, so dass beispielsweise Christopher Hagen als Alberts unflätiger Vater mit seinen derben Punchlines eher im Gedächtnis des Zuschauers hängen bleibt.

Mit „A Million Ways to Die in the West“ ist Seth MacFarlane eine extrem launige Komödie gelungen, die zwar dem Vergleich mit ihrem Vorgänger „Ted“ nicht hundertprozentig standhalten kann, in ihren knappen zwei Stunden jedoch genug Potenzial für eine Frequenz an sowohl vulgären wie auch scharfsinnigen Humormomenten bietet, die keinerlei Langeweile aufkommen lassen. Dazu tragen, wie so häufig bei MacFarlane, auch die zahlreichen Cameos bei. An dieser Stelle sei somit erwähnt, dass „A Million Ways to die in the West“ zwei der brillantesten Gastauftritte der letzten Jahre mit sich führt…und Ryan Reynolds, der nach „Ted“ erneut einen Kurzeinsatz spendiert bekommt, ist damit nicht einmal gemeint. Nach dem „The End“ sollte man daher unbedingt noch kurz sitzenbleiben, denn welche postmoderne Verquickung dort auf den Zuschauer losgelassen wird, ist im Rahmen einer Kausalkette nur noch schwer zu beschreiben.

Autor: Jakob Larisch

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