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Uwe Boll: Rampage (2009) Review

Dem jungen Maschinenbauer Bill Williamson geht es nicht sonderlich gut. Seine Arbeit ist schlecht bezahlt, seine Eltern wollen das der 22 jährige langsam ans ausziehen denkt und sein scheinbar einziger Freund redet ständig von einer Revolution und Misständen des Systems. Da scheint es doch nur eine natürliche Entwicklung zu sein, dass dem guten Bill eines Tages die Sicherungen durchbrennen und er mit einem selbst gebastelten Kevlaranzug, jeder Menge Waffen und endlos Munition auf Rampage geht um seinen Hass an der Gesellschaft auszulassen und diese zu „erlösen“.

Vorweg will ich erst einmal klarstellen, dass der Autor dieses Textes nicht auf der weit verbreiteten Internet Anti-Boll-Welle mit schwimmt, sondern sich seine Meinung durch das Sichten vieler Bollwerke hart erarbeitet hat. Es handelt sich um den bereits dritten Film von Herrn Boll zum Thema Amoklauf (Amoklauf und Heart of America).

Rampage stellt die bereits dritte Zusammenarbeit des Herrn Dr. Boll und dem Schauspieler Brendan Fletcher dar (seit dem noch Bloodrayne III und Blubberella), wobei er hier aber zum ersten mal die Hauptrolle übernahm. Die ersten 30 Minuten des Films beschäftigen sich mit dem sozialen Hintergrund des Protagonisten und versuchen die Misere aufzuzeigen in welcher sich dieser befindet. Er ist ein Einzelgänger, auf seinem Gebiet des Maschinenbaus einigermaßen gebildet, wie sich später zeigen wird und muss täglich seinen Frust an einem Boxsack auslassen. Sein Psychogramm wird immer wieder ergänzt durch Clips in welchen andere Amokläufer ihre Weltsicht zum besten geben und welche er auswendig mit spricht. Leider hat diese misanthropische Rhetorik nicht einmal annähernd das stilistische Niveau eines American History X oder gar Fight Clubs. Dennoch wird schnell klar wo der Schuh drückt. Leider verblasst der Rest der Charaktere um ihn herum sehr stark. Einzig seinem Freund Evan Drince (Anagramm für Can never ID) wird etwas Charaktertiefe gegeben, von Bills Eltern gar nicht erst zu reden.

Ist der Kevlaranzug aber erst einmal angelegt geht es zur Sache. Und wie. Bill richtet ein derart verheerendes Massaker unter der Zivilbevölkerung an, dass man den Kriegszustand ausrufen möchte und vielleicht auch sollte denn unter seinem Anzug ist er durch die Polizei nahezu unverwundbar. Und so bahnt er sich endlose Minuten seinen verheerenden Weg durch Straßen, Geschäfte sowie eine Bank und eine Seniorengruppe von Bingospielern. Es ist eben jene Szene beim Bingo die in all dem Chaos bei mir Eindruck hinterlassen hat und bei der ich an der Stelle ganz klar ein Lob aussprechen muss. Da hat Dr. Boll in meinen Augen eine psychologisch nachvollziehbare Situation geschaffen, die einen zum nachdenken anregt. Und dies sogar ohne jedweden Einsatz von Gewalt, Bravo. Das Ende über das man allein wegen der deutschen Zensurpolitik reden muss, wird wegen Spoilergefahr zum Schluss des Artikels erläutert.

Rampage ist in den USA eine Direct-to-DVD Produktion (ich schätze nicht mehr als 2 Mio. $) die aber durch seine Stilistik einiges kaschieren kann. Hauptsächlich setzt man auf Handkameras (auch in den Konversationen was ich schade fand, da hier durch das Editing alles etwas holprig und gestellt wirkt). Dennoch beschwört genau diese Art der Inszenierung während des Shootouts eine äußerst räudige und abgestumpfte Atmosphäre herauf. Anleihen des Looks eines Egoshooters sind vorhanden. Boll überlässt es dem Zuschauer seine moralische Schlussfolgerung aus dem Erlebten zu ziehen. Er gibt tatsächlich gar keine eigene Wertung zum Gezeigten ab. Hier wird jetzt natürlich die eine Ecke wieder schreien, dass dies bloße Gewaltverherrlichung sei, die für ein bestimmtes Zielpublikum gemacht werde. Mein Vertrauen in die Menschheit ist dennoch groß genug anzunehmen, dass man sich darüber tatsächlich Gedanken macht. Kommt es in den Nachrichten ist das Geschrei wegen Mangelnder Prävention groß, kommt es im Film ist es Verherrlichung ohne Reflektion. Ich bin mir bewusst das alleine der Name Boll hinter dieser Thematik abschreckt, neigt der Gute in seinen älteren Filmen gerne dazu Gewalt als unterhaltendes Stilmittel einzusetzen. Dennoch zeugen seine letzten Werke Darfur und Stoic von sozialpolitischer Reflektion und der Tendenz nach etwas Tiefgründigerem als es auf den ersten Verdacht den Anschein hat. Seine große Bewährung in dieser Hinsicht dürfen wir demnächst mit seinem Film Auschwitz erwarten.

So krass der unkommentierte Gewaltgrad der Inszenierung, spreche ich dem Film trotzdem das Potential zu, einem Gewissen Tiefgang zu haben. Und sei es nur, um eine Möglichkeit aufzuzeigen wie ein in die Ecke gedrängtes, von Hass gesteuertes Individuum zur tickenden Zeitbombe werden kann. Dass dies keine Fiktion ist, hat die jüngere Geschichte leider mehrfach bewiesen.

Abschließend bleibt festzuhalten, Rampage ist in seiner Inszenierung keine Meisterleistung. Gerade in ruhigen Momenten nervt die Handkamera maßgeblich und der Edit gibt mancher Szene dann den Rest. Auch das psychologische Profil von Bill hätte man Besser ausarbeiten können. Dennoch bin ich überrascht von Bolls Leistung bei diesem unorthodoxen Werk, übernahm er doch komplett Drehbuch, Produktion und Regie. Für mich bis jetzt Bolls bester, was aber noch lange nicht heißt, dass er überdurchschnittlich oder gar meisterlich sei. Ich denke das mit dem Budget, dem Dr. Uwe sowie dessen künstlerischen Werdegang dahinter ein sehr solider Beitrag zum Thema herausgekommen ist, den ich jedem empfehle der einen ausreichend starken Magen und Psyche dafür hat.

Zum Release in Deutschland:
Selbstverständlich war das erste Release eine um 5 Min. gekürzte Fassung mit FSK 18, aber ich hätte es nie für möglich gehalten, das deutsche Label Splendid Film hat tatsächlich in seiner Black Edition Reihe die ungekürzte Internationale Version zur Prüfung bei der Spio/JK vorgelegt und die höchste aller deutschen Freigaben, die Strafrechtliche Unbedenklichkeit für diese bekommen. Dies war bereits vor einigen Monaten und die DVD/Bluray ist nach wie vor weder indiziert noch beschlagnahmt. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.  Zur Synchronisation muss leider noch gesagt werden, dass ich den Eindruck hatte, dass keiner der Sprecher irgendwie Lust an seinem Job hatte. Alles wirkt Monton runtergeleiert und ist Teilweise nicht einmal synchron. Ich empfehle die original Englische Tonspur.

SPOILER (Markieren zum lesen):

Das internationale Finale endet mit den Worten, dass sich Bill noch am selben Abend mit seinem Geld aus dem Staub gemacht hat und 2 Jahre später Videobotschaften zu seiner Tat online stellte, aber dennoch nie gefasst wurde.
Die Deutsche Fassung endet damit, dass er nach dem online stellen der Videos verhaftet und zum Tode verurteilt wurde. Kein Verbrechen bleibt im deutschen Rechtssystem ungesühnt.

Autor: David Schröder

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