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Avengers: Age of Ultron (2015) Review

© Walt Disney Pictures

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Es ist ein einzigartiges Konstrukt: Das „Marvel Cinematic Universe“ hat ohne Zweifel bereits jetzt Filmgeschichte geschrieben, lange bevor ein Ende in Sicht ist, und man muss dabei kein Fan sein, um dieser Aussage zuzustimmen. Das Geflecht des Franchises rund um die bunte Helden-Truppe, welches mit seinen Einzel- und Ensemblefilmen sowie später auch TV-Serien nach und nach aufgebaut wurde, sucht in dieser Weise seinesgleichen im filmhistorischen Kontext. Dass die Reihe zusätzlich noch finanziell wahnsinnig erfolgreich ist und sich in jeder Hinsicht positiv von seinen Konkurrenten abhebt, ist bei einem filmischen Experiment dieser Größenordnung nicht selbstverständlich. Jedoch hat Marvel es geschafft, mit einigen Faktoren dauerhaft zu punkten: Die mit wenigen maßvollen Ausnahmen zumeist konstant hohe Qualität der Filme, der Mut zu teils anarchischem Einfalls- und Erfindungsreichtum und nicht zuletzt charismatische sowie die durch die Bank weg gute Darsteller. Das MCU ist auf dem besten Weg, über kurz oder lang zum finanziell erfolgreichsten Film-Franchise aller Zeiten zu werden. Nun neigt sich zunächst Phase 2 dem Ende zu und hat, bevor sie mit „Ant-Man“ (Start: 23.7.2015) abgeschlossen sein wird, noch einmal einen lang erwarteten Kracher parat: Drei Jahre nach „Marvel’s The Avengers“ dürfen sich die titelgebenden Helden erneut versammeln und vereint ihre Kräfte im Kampf gegen das Böse bündeln. Was dabei herauskommt, ist ein grandioses Actionfeuerwerk, welches kaum Wünsche offen lässt, jedoch den ersten Teil in puncto Spektakel nicht toppen kann.

Nachdem S.H.I.E.L.D. von der nationalsozialistischen Organisation Hydra unterwandert und übernommen wurde (siehe „Captain America: The Winter Soldier“), befreien die Avengers, bestehend aus Tony Stark/Iron Man (Robert Downey Jr.), Thor (Chris Hemsworth), Steve Rogers/Captain America (Chris Evans), Bruce Banner/Hulk (Mark Ruffalo), Natasha Romanoff/Black Widow (Scarlett Johansson) und Clint Barton/Hawkeye (Jeremy Renner) das Zepter mit dem Tesserakt (siehe „Marvel’s The Avengers“) aus dem Besitz von Hydra-Chef Wolfgang von Strucker (Thomas Kretschmann). Dieses ermöglicht es Tony Stark und Bruce Banner im Folgenden, als Maßnahme für die Sicherheit der Welt das so genannte Ultron-Programm zu aktivieren. Wegen eines Programmierfehlers verselbstständigt es sich jedoch und ist fortan der Ansicht, dass der einzige Weg des Friedens darin besteht, die Menschen und insbesondere die Avengers auszulöschen. Das Helden-Team muss somit gegen einen Gegner antreten, der immer einen Schritt voraus zu sein scheint: Ultron kann sich sämtliche digitalen Kommunikationswege zunutze machen und stets eine neue mechanische Identität annehmen. Zusätzlich will sich das mit übermenschlichen Fähigkeiten begabte Zwillingspaar Pietro (Aaron Taylor-Johnson) und Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) an Tony Stark rächen, was Ultron sich zunutze macht…

„Avengers: Age of Ultron“ beginnt nach Maß: Der Zuschauer wird mit einer famosen Plansequenz (eine längere Einstellung ohne Schnitte) direkt ins Geschehen gefeuert, die Helden-Truppe zerlegt im Kampf mit den Schergen von Baron von Strucker ein gar nicht so kleines Waldstück auf dem Weg zur dessen Festung. Regisseur Joss Whedon verschafft dabei jedem seinen kleinen Moment und setzt mit dem atemberaubenden Treiben seiner Hauptfiguren gleichzeitig Maßstäbe für den Rest des Films, welcher durchweg unfassbar grandios inszenierte sowie choreografierte Actionszenen aufweist. Die verwendeten stilistischen Experimente, welche den Film meilenweit von einem typischen Action-Blockbuster abheben, passen sich dabei restlos ein: Perfekt gesetzte Zeitlupen wechseln mit Whedons Markenzeichen der angeblichen Fokussuche sowie langen und eleganten Kamerafahrten, welche die Action nicht in unübersichtliche Schnittgewitter ausarten lassen. Wenn der Regisseur schließlich am Ende des Films eine Kampfszene fast ausschließlich in Nah- und Großaufnahmen inszeniert, dann ist das mutig und sehr ungewöhnlich, funktioniert jedoch großartig.

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Dramaturgisch hat man es mit einer klassischen Schnitzeljäger-Handlung zu tun, die Protagonisten begeben sich in rapidem Tempo von einem Ort zum anderen, unterbrochen von ruhiger angehauchten und teils emotionaleren Zwischenszenen, welche jedoch keineswegs fehl am Platze wirken. Manches geht inhaltlich etwas arg schnell, das ist bei einem Blockbuster dieser Größenordnung aber zu verschmerzen, speziell bei einem, der ohnehin jede Menge Fäden kontrollieren muss, diese Aufgabe aber einwandfrei meistert. Jeder bekommt seine Szenen, wobei man manchmal den Eindruck hat, dass die Drehbuchautoren Jeremy Renner dafür entschädigen wollten, dass sein Hawkeye im Franchise bislang eine eher untergeordnete Rolle spielte, auch wenn er nicht der einzige sonst eher randständige Charakter bleibt, über den man dieses Mal etwas mehr Hintergrundinformationen erhält. Idris Elba (als Asgards Torwächter Heimdall) und Hayley Atwell (als Captain Americas Jugendliebe Peggy Carter) werden mit ausgeklügelten Kurzauftritten in den Film eingebunden und auch Quicksilver und Scarlet Witch (so die Superheldennamen von Pietro und Wanda Maximoff) fügen sich stimmig ins Gesamtkonzept ein, insbesondere Elizabeth Olsen wird man aufgrund ihrer Kombination aus empathischer Menschlichkeit und Badass-Coolness wohl noch häufiger zu Gesicht bekommen, so wurde sie erst kürzlich für „Captain America: Civil War“ (geplant für 2016) bestätigt. Da die beiden Geschwister anfangs mit Ultron zusammenarbeiten, dienen sie zunächst als erhöhter Schwierigkeitsgrad für den Kampf der Avengers, bevor sie natürlich irgendwann davon überzeugt werden können, die Seiten zu wechseln. Ultron schließlich ist ein für einen Film dieser Größenordnung würdiger Antagonist, denn er ist durch seine digitale Existenz in der Lage, multiple Formen anzunehmen. Dadurch lässt er sich nicht unmittelbar besiegen und man weiß nie genau, wo er als nächstes auftauchen wird, was ihn für die Helden wie für die Zuschauer unberechenbar und damit zu einer spannungsfördernden Entität macht.

Natürlich kommt der Subtext von „Avengers: Age of Ultron“ bei weitem nicht an die progressiven Untertöne von „Captain America: The Winter Soldier“ heran, diese werden maximal in kleinsten Ansätzen aufgenommen, dennoch ist auch dieser Film ein wenig von der aktuellen Überwachungsdebatte geprägt. Die Gefahr für die Helden kommt in Gestalt des von Tony Stark erschaffenen Programms aus dem Inneren heraus, mehr Sicherheit bedeutet dabei nicht immer mehr Freiheit: Es liegt in der menschlichen Natur, Chaos zu verursachen. Ultrons mechanisch-rationalistischer Ansatz ist dabei der Versuch, in Gestalt der Menschen den Auslöser des Chaos zu entfernen. Dass ein gesellschaftlicher Neuanfang jedoch nicht immer die Auslöschung der Menschheit zum Ziel haben muss, das verkennt der Film zwar, dennoch zeigt er auf, dass es von Vorteil sein kann, das eigene Handeln und die eigenen Absichten stets kritisch zu reflektieren sowie Konsequenzen maßvoll abzuschätzen.

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Ein wenig Kritik gibt es jedoch auch hier zu üben: Man glaubt es kaum, aber „Avengers: Age of Ultron“ ist mit einer Lauflänge von 140 Minuten etwas zu kurz geraten. Zwanzig Minuten mehr hätten dem Film gut getan, denn er wirkt teilweise etwas hektisch und fegt manchmal in zu hohem Tempo von einem Plotpoint zum anderen, auch wenn er im Gegensatz zu anderen Actionblockbustern die alles umspannende Story nicht vernachlässigt. Was dabei jedoch fehlt, ist der eine, große, bombastische Showdown; scheinbar hatte Joss Whedon Bedenken, die Schlacht von New York aus dem ersten Teil zu kopieren. Die Suche nach neuen Ansätzen führt damit zu einer völlig unbegründeten Angst vor Bewährtem, das Action-Konzept des Finales aus dem ersten Teil hätte auch mit neuem dramaturgischen Rahmen perfekt funktioniert, wird jedoch stattdessen zum Schluss des Films ein wenig zu sehr fragmentiert, womit die zwanzigminütige Actionschlacht am Ende von „Marvel’s The Avengers“ tatsächlich unerreicht bleibt.

Das alles ist jedoch Kritik auf hohem Niveau. Der Plot ist zwar genretypisch, aber sehr stimmig, der Antagonist ist wirkungsvoll ausgearbeitet, die Darsteller und ihre Chemie untereinander sind extrem gut und die Action ist schlicht atemberaubend, maximal die etwas hektische Wirkung sorgt dafür, dass „Avengers: Age of Ultron“ schneller vorbei ist, als nötig scheint, wodurch final ein wenig verhindert wird, dass der Film als Gesamtkunstwerk in sich ruht. Und auch wenn Joss Whedon ein guter Regisseur ist und es in beiden „Avengers“-Teilen meisterhaft schaffte, alle einzelnen Fäden zu kontrollieren, so darf man nun doch auf Joe und Anthony Russo als Regisseure von „Captain America: Civil War“ sowie insbesondere „Avengers: Infinity War“ gespannt sein, haben die Brüder mit „Captain America: The Winter Soldier“ doch den bislang besten Film des Marvel Cinematic Universe vorgelegt. Ein frischer Ansatz mit neuem Schwung tut gut, bis dahin kann „Avengers: Age of Ultron“ jedoch nach Maßen punkten. 9/10

Autor: Jakob Larisch

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