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Django Unchained (2013) Review


Schon drei Jahre sind vergangen seit Tarantino seinen bisher wohl erwachsensten Film „Inglourious Basterds“ vorlegte und dem österreichischen Schauspieler Christoph Waltz, in der Rolle des Oberst Hans Landa, zum Sprung in die A-Liga der Hollywooddarsteller verhalf (dies war nicht das erste Mal, schon in den 90ern hauchte er beispielsweise Pam Griers und John Travoltas eher mauen Karrieren wieder Leben ein). Nach seinen bisherigen Ausflügen in verschiedenste Genres widmet er sich nun dem Western und einem insbesondere: Sergio Corbuccis „Django“ (1966) mit Franco Nero als titelgebendem Antihelden. Doch ist „Django Unchained“ kein Remake des selben, sondern vielmehr eine von Tarantinos heißgeliebten Hommagen an seine Lieblingsfilme (wie beispielsweise die Schneeszenen aus „Leichen pflastern seinen Weg“ (1968)). Die Erwartungen an den Film waren wie üblich hoch, doch die Produktionsgeschichte brachte einige herbe Rückschläge mit sich. Diverse Darstellerwechsel (u. a. Kurt Russel und Kevin Costner) sowie der frühzeitige Tod von Tarantinos langjähriger Cutterin Sally Menke haben den fertigen Film maßgeblich beeinflusst. Noch vor der Premiere ließ Tarantino verlauten, er denke über einen Extended Cut mit zusätzlich 30 Minuten Laufzeit nach. Ebenfalls ein Indiz, dass einiges was im Drehbuch stand, es nicht in die fertige Kinofassung geschafft hat. Diese Kinofassungen waren bisher aber ausnahmslos die Fassungen, die Tarantino favorisiert (von der Jahre andauernden Gerüchteküche um den „Kill Bill Merge Cut“ mal abgesehen). Doch ob diese Umstände den 160 Minuten Koloss ruiniert haben? Findet es heraus. (Spoilerfrei)

Zwei Jahre vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs macht der in den Südstaaten umherziehende Kopfgeldjäger Dr. King Schulz (Christoph Waltz) den Sklaventrack von Django (Jamie Foxx) ausfindig und befreit diesen unter der Bedingung, dass er ihm hilft die flüchtigen Brittle Brüder ausfindig zu machen. Nach der erfolgreichen Eliminierung dieser, beschließen die beiden auch in Zukunft zusammen zu arbeiten und Djangos Frau Broomhilda (Kerry Washington) aus den Händen des fiesen Sklavenhändlers Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) zu befreien.

Randnotiz: Alexandre Dumas war kein Schwarzer/Nigger!

Die Eröffnungssequenz mit Djangos Befreiung, welche zu großen Teilen bereits im Trailer zu sehen war, ist der perfekte Auftakt für einen lustig zynischen Film mit einem dennoch ernsten Grundanliegen. Das Aufzeigen eines gerne vergessenen Kapitels der amerikanischen Geschichte, stieß in den landeseigenen Medien auf wenig Gegenliebe, insbesondere der nahezu zelebrierende Gebrauch des Wortes NIGGER. Es fehlte nur noch, dass der Titel „Nigger Unchained“ lautet. Man ist sich der politischen Message zwar bewusst, neigt aber zugunsten der Handlung und Charaktere dazu das Ganze in den Hintergrund rücken zu lassen und den Film als das wirken zu lassen was er ist, nämlich KINO. Und das macht Spaß!

Christoph Waltz spielt -wie nicht anders zu erwarten- überragend und erntet die meisten Lacher des Films. Er schafft es sogar eine frische Note in seine Darstellung zu bringen, welche in meinen Augen seit „Inglourious Basterds“ irgendwie auf einen Typus festgelegt schien (nämlich Waltz selbst). Versteht mich nicht falsch, sein Spiel war immer überzeugend, aber auch immer wieder dasselbe. Richtig überraschend fällt die Wortkargheit der Hauptfigur auf. Jamie Foxx trägt den Film ohne Probleme, aber ich bin mir sicher, dass er sich mehr Dialog gewünscht hätte um seiner Figur Ausdruck zu verleihen, aber hey im Schießen ist er ein Naturtalent. Dennoch, Django und Schulz ergänzen sich formidabel und führen sehr kurzweilig durch die Handlung. In der zweiten Hälfte wird ihr Duo durch Calvin Candie ergänzt. Das ist die Rolle auf die man lange warten musste, DiCaprio als fieser, hinterhältiger, brutaler und reueloser Antagonist. Schon seine schwarzen Zähne und das Kettenrauchen. Es ist ein Hochgenuss diese Seite von ihm zu sehen zu bekommen. Hinzu kommt eine spezielle Szene deren Ausgestaltung eigentlich als Teil eines Unfalls im fertigen Film ist, DiCaprio aber in einem gänzlich neuen Licht erscheinen lässt. Vor lauter Wut schlägt DiCaprio während eines langen Dialogs mit geballter Faust auf einen Tisch, erst langsam aber dann immer offensichtlicher färbt sich seine Hand rot. Und nein es ist kein Kunstblut, der Gute hat sich tatsächlich bei jenem Schlag eine massive Verletzung zugezogen, aber darauf bestanden den Take zu beenden. Beeindruckend und verstörend zugleich, schmiert er doch mit fieser Geste das Blut ins Gesicht einer Protagonistin.

Gesondert muss der Charakter von Samuel L. Jackson als Stephen genannt werden. Sein erster Blick auf Django zu Pferd ist der fieseste den ich seit langer Zeit zu sehen bekam, eine Ausgeburt von Niedertracht und Hass. Wunderbar. Auch sein Verhalten gegenüber den anderen Sklaven ist von soviel Bosheit erfüllt, es jagt einem Schauder den Rücken hinunter. Und dies ist nur die „lightfassung“ seines Charakters. Die eingangs erwähnte längere Fassung wird sich Großteils auf seinen Charakter konzentrieren und ihm mehr Background geben. Aus Spoilergründen gehe ich am Ende des Artikels darauf ein. Wer zum Schluss gut aufgepasst hat kommt selbst drauf was fehlen dürfte.

Aber auch der Reigen von Nebendarstellern und Gastauftritten ist umwerfend: Franco Nero, Jonah Hill (Credit als Bag Head #2, köstlich), Don Johnson, Bruce Dern, James Remar, Zoe Bell (Death Proof), Michael Parks (häufige Besetzung in Tarantino/Rodriguez Filmen) und Meister Tarantino natürlich selbst. Es gib viel zu entdecken, Bruce Dern beispielsweise ist nur in einem Shot zu sehen.

Doch egal wie gut die Produktionsseite allen Umständen zum Trotz funktioniert, dramaturgisch schlägt sich Tarantino mit einigen Schwächen herum. Nach dem starken Auftakt fällt der Film zur Mitte in ein kurzzeitiges Loch, in welchem weder die Dialoge noch Schauwerte wirklich funktionieren wollen. Auch die Idee den eigentlichen Showdown ca. 20 Minuten vor Ende stattfinden zu lassen, um dann ein quasi Zusatzkapitel dran zu hängen ist nicht wirklich gelungen. Tarantino bemüht sich redlich so viel Kultkapazität wie möglich in diese letzten Minuten zu legen, aber die vermeintlichen Kultfaktoren wirken doch eher forciert. Überhaupt wirken Tarantinos neueren Handlungsstränge (etwa seit Death Proof) nicht mehr so rund wie früher. Als Beispiel soll eine eigentlich überflüssige Szene herhalten: Ein Lynchmob streitet sich über ihre Maskierung. Die Hinführung zu dieser Szene als Flashback ist sehr holprig und die slapsticklastige Inszenierung passt gerade überhaupt nicht in den Rhythmus des Films. Man merkt einfach, dass einige Sachen nur passieren weil sie passieren müssen, um in den nächsten Akt zu kommen. Traurigerweise ist Sally Menkes Abwesenheit spürbar. Die Montage kommt in manchen Szenen einfach unrund daher, der natürliche Fluss der Bilder scheint einfach zu fehlen (in Dialog- wie Actionsequenzen).

Dies spiegelt sich auch in den Tarantino typischen Gewaltorgien wider. Die Shootouts sind übertrieben brutal, ich wusste gar nicht das so kleine Kugeln so verheerend viel Fleisch aus Körpern reißen können. Ernst nehmen kann man sie nur in wenigen Fällen, wie etwa in Foltersequenzen. Doch die Shootouts haben einen leicht faden Beigeschmack. Die Choreografien der Shootouts reduzieren sich auf ein Minimum (genretypisch?). Hier wird einfach nur draufgehalten und geballert bis das Magazin leer und der Gegner voll ist. Ich kann verstehen wieso einige Medien sich daran hochziehen, aber im Endeffekt ist es doch… genau KINO.

Auch was die in der Vergangenheit viel gelobte Musikauswahl Tarantinos angeht kann ich dem Meister nicht mehr ganz folgen. Django reitet zu einem HipHop Track von RZA durch die Gegend. Ich bin sprachlos. Ich kann verstehen warum er sich dafür entscheidet, einen gewissen Reiz kann ich dem nicht absprechen. Aber die Künstlichkeit der Kombination von Setting und Musik dürfte den ein oder anderen jedoch kurzzeitig vollkommen aus der geschlossenen Dramaturgie des Films gehauen haben (Rap im wilden Westen? In einem Film der versucht eine glaubhafte Story zu erzählen?). Auch die Wahl von Richie Havens „Freedom“ hat den selben Effekt, besonders wenn man die Story hinter dem Song kennt.

Eins ist klar, es ist nicht Tarantinos Bester, aber das hat auch keiner erwartet. Trotz der genannten Mängel überwiegt das Positive und ich freue mich schon darauf, ihn ein zweites Mal zu sichten, da mir garantiert noch diverse Sachen entgangen sind. Die 160 Minuten verfliegen trotz 1 – 2 Längen und alleine die Szenerie zwischen Waltz, Foxx, DiCaprio und Jackson ist das Eintrittsgeld wert. Wie sehr man dabei die Themen Rassismus und Unterdrückung reflektiert, bleibt einem selbst überlassen. In 2 Szenen hat mich die Drastik der Dominanz von weiß über schwarz doch mit einem mehr als mulmigem Gefühl zurückgelassen. Ich bin gespannt welchem Projekt sich der Meister nun als nächstem widmet: „Killer Crow“ oder gar „Kill Bill 3“ (laut imdb „announced“).

Spoiler: (markieren zum lesen)

Wer aufgepasst hat, dem wird nicht entgangen sein, dass Sam Jackson kurz bevor Foxx ihm die Kniescheiben zerschießt den Stock weglegt, aufrecht geht und einen noch fieseren und mehr aufgeklärten Gesichtsausdruck trägt. Dies ist das größte Indiz dafür, dass er in Anwesenheit der Gäste die Rolle des verkrüppelten Oberaufsehers nur gespielt hat. Der Extended Cut wird wohl den Fokus auf seine Machenschaften hinter dem Rücken von DiCaprio legen. Jackson erwähnte einmal in einem Interview, dass wenn Tarantino „alles gedrehte Material seines Charakters wieder integrieren würde, er den meistgehassten Nigger der Filmgeschichte verkörpern würde“. OHA!

Autor: David Schröder

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