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96 Hours (2008) Review

© 20th Century Fox Home Entertainment

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Es gibt Filme, die uns auf beeindruckende Art und Weise daran erinnern, dass das Medium Film eine enorm effektive Bilderfolge kreieren kann, die uns Dinge vorgaukelt, die so eigentlich erst am Schneidetisch zum Leben erwachen – und irgendwie hat dies dann fast schon wieder etwas Magisches an sich. Das klingt jetzt vielleicht etwas kryptisch, ich weiß. Auf was ich aber hinaus will, ist Folgendes: Die Leistung des Cutters/Editors wird oftmals sträflich unterschätzt. Nehmen wir nun einfach mal einen Actionfilm wie „96 Hours“ von Pierre Morel als Beispiel für ein brillantes Editing: Uns wird hier suggeriert, dass der durchaus noch fitte, aber doch schon sichtlich gealterte Liam Neeson wie ein Jungspund nach seiner entführten Filmtochter Kim (Maggie Grace) sucht und dabei in den Reihen ihrer Entführer eine Schneise der Zerstörung hinterlässt. Flink wie ein Wiesel, mit beeindruckender Physis und gnadenloser Effizienz. Zu verdanken hat das Regisseur Morel einem kongenialen Zusammenspiel von Kamera, Ton und Schnitt, welches sogar dann Geschwindigkeit generiert, wenn eigentlich gar keine da ist. Heraus gekommen ist dabei ein rasanter Rache-Actioner, bei dem Neeson als ehemaliger Regierungs-Agent Bryan Mills eine brillante Figur und absolut keine Gefangenen macht. „96 Hours“ kann rückwirkend als der Film betrachtet werden, der seinem nordirischen Hauptdarsteller mit Mitte 50 im Jahre 2009 (deutscher Filmstart) zu einer Renaissance seiner Actionkarriere verholfen hat. Intellektuell ist der Film zwar überhaupt nicht fordernd, aber formal in seinem Genre eine kleine Meisterleistung, vor allem dank der guten Kameraarbeit von Michel Abramowicz und des erstklassigen Editings von Frédéric Thoraval – auch wenn das Geschehen in manchen Momenten minimal zu unübersichtlich geraten ist, was jedoch den positiven Gesamteindruck (wenn überhaupt) nur marginal trübt.

Ein Actionthriller mit primär französischem Stab? Na klar, da hatte natürlich wieder Luc Besson als Autor und Produzent mit seiner Firma EuropaCorp die Finger im Spiel. Mit Co-Autor Robert Mark Kamen hat er ein straffes Skript für einen der besten Actionfilme der jüngeren Vergangenheit geliefert. „96 Hours“, der im Original „Taken“ heißt – wobei ich den deutschen Titel doch schon um einiges cooler finde – handelt schlicht und ergreifend davon, dass Bryan Mills (Neeson) in Paris seine Tochter Kim (Grace) aus den Fängen eines albanischen Mädchenhändlerrings befreien muss – die titelgebenden 96 Stunden hat er dafür Zeit, ansonsten könnten bereits alle Spuren verwischt und seine geliebte Tochter damit unauffindbar sein. Das Drehbuch dient daher lediglich als Vehikel, um Neeson von Actionszene zu Actionszene zu lotsen, macht in dieser Hinsicht aber auch einfach alles richtig. Besson und Kamen werden zwar mit solchen Stories nie einen Drehbuch-Oscar einheimsen können (und wollen), doch die beiden wissen, wie man einen – zugegebenermaßen reißerischen – Actionplot konstruiert. „96 Hours“ ist zwar arg brutal, aber nur selten explizit, dafür umso kinetischer und dadurch auch so effektiv in seinem Spannungsaufbau und so immersiv in seinen Actionszenen.

© 20th Century Fox Home Entertainment

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Doch bei aller Stringenz und hervorragenden Unterhaltung muss man den Film dennoch leicht kritisieren: Eine latente Xenophobie ist nicht von der Hand zu weisen und auch eine insgesamt fragwürdige Moral ist dem Subgenre des Rachefilms natürlich stets immanent. Doch es sei hierbei auch die Frage gestattet, ob man das dem 90-minütigen Spektakel tatsächlich ankreiden sollte. Die Antwort darauf kann und will ich niemandem abnehmen, meine Meinung dazu sieht aber wie folgt aus: Im Endeffekt ist Morels Actioner natürlich total überzogener Humbug, komplett over the top und sowohl kompromiss- als auch humorlos. Die Prämisse ist exploitativ, man könnte fast schon sagen: hanebüchen – aber was soll’s? Sollte man den Film daher überhaupt allzu ernst nehmen? Ich denke nicht. Betrachten wir einfach mal die Fakten und erfreuen uns an der Absurdität des Ganzen: Der amerikanische Ritter – gespielt von einem Nordiren – kommt nach Frankreich und räumt mit allerlei Gesindel auf, das insgesamt betrachtet aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt stammt. Ja, sogar die Franzosen selbst kriegen etwas auf den Deckel, denn erst durch den Cowboy aus den USA konnte in der Metropole an der Seine wieder für Recht und Ordnung gesorgt werden. Dass es keine einzige starke Frauenfigur gibt und die Jungfrau in Nöten natürlich vom eigenen Papa gerettet werden muss, versteht sich von selbst und passt ins propagierte Weltbild. Ein Mann muss eben tun, was ein Mann tun muss. Und ein Mann mit den Fähigkeiten eines Bryan Mills muss den Luschen und den bösen Bubis gleichermaßen zeigen, wo der Hammer der Gerechtigkeit hängt. So!

Unser Held geht über Leichen und kommt damit ungeschoren davon, weil in der schwarz-weißen Welt von Besson und Kamen eben die Guten über die Bösen triumphieren. Eskapismus, wie er im Buche steht. Mitreißend mit anzusehen und wenn wir ehrlich sind: irgendwie auch enorm befriedigend. „96 Hours“ braucht die Stereotype, um seine Geschichte zu erzählen, sonst funktioniert der Film einfach nicht. Der Zuschauer kann sich dann einfach zurücklehnen und genießen, wie Bryan Mills ganz gehörig Rabatz macht. Und zwar so richtig. Und weil’s so schön ist, schreiben Luc und Robert weiter Skripts für Liam. Und die geneigten Actionfans, zu denen ich auch mich zähle, ziehen sich das immer wieder gerne rein. Man gönnt sich ja sonst nichts. 7/10

Autor: Markus Schu

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