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Triple 9 (2016) Review

© Wild Bunch Germany

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Wenn man nach Einflüssen auf und Quellen für das amerikanische Kino, vor allem das Genrekino, sucht, landet man nach Comics und totgeglaubten Franchises schnell beim ehemals kleinen Bruder, dem Fernsehen, genauer gesagt den TV-Serien und ihrer viel beschworenen Renaissance. Und gerade im Krimi/Thriller/Action/Cops/Unterwelt-Genre sowie all seinen Ausprägungen sind diese Einflüsse mehr als deutlich: Die versumpfte, ewig versuchende Hölle der amerikanischen Großstadt, lange ein exklusives Markenzeichen des Kinos, scheint inzwischen auch einer der Quasi-Protagonisten der (inzwischen gar nicht mehr so) kleinen Heimbildschirme geworden zu sein; und wie uns „Breaking Bad“ oder „True Detective“ zeigen, hat diese Entwicklung mittlerweile auch die Vorstädte und ländlichen Gebiete erreicht. Doch nicht nur das: Gab es früher zumindest noch einen Protagonisten, dessen moralischer Kompass zwar gelegentlich ungenau war, aber im Großen und Ganzen nach Norden zeigte, ist die Entwicklung von Schwarz-Weiß-Zeichnung über moralische Graustufen inzwischen bei mehr als 50 Schattierungen von dunkelgrau und schwarz angekommen. Genauso präsentiert sich „Triple 9“ von Regisseur John Hillcoat, der nach zwei wenig beachteten Regiearbeiten im letzten Jahrtausend nun nach „The Proposition“, „The Road“ und „Lawless“ seinen vierten Film innerhalb der letzten zehn Jahre und, so viel sei vorab gesagt, ein erneut gelungenes Werk vorlegt.

„Triple 9“ nimmt uns mit nach Atlanta, Georgia, genauer gesagt zu einer Gruppe Krimineller, geführt von Ex-Marine Michael (Chiwetel Ejiofor) und bestehend aus seinem Partner Russell (Norman Reedus aus „The Walking Dead“) dessen kleinem Bruder Gabe (Aaron Paul aus „Breaking Bad“) und zwei korrupten Cops (Anthony Mackie, besser bekannt als Falcon aus den Marvel-Filmen und Clifton Collins Jr.; nicht wirklich bekannt, aber trotzdem gut). Diese arbeiten für den örtlichen Ableger der Russenmafia, geführt von der Frau des inhaftierten Bosses (Kate Winslet in ungewohnter Rolle, aber gewohnt stark). Diese nutzt den Trupp für ihre Machenschaften und macht sich dabei zunutze, dass Michael einen gemeinsamen Sohn mit ihrer Schwester hat (sexy: Gal Gardot, ohne Wonder-Woman-Kostüm, aber ebenso spärlich bekleidet). Mit diesem Druckmittel will sie die Gruppe, die eigentlich gerade den klassischen „letzten Job“ abgeschlossen hat, zu ihrer heikelsten Mission zwingen.

Verkompliziert wird das ohnehin schon schwierige Vorhaben durch Cop Jeffrey Allen (Woody Harrelson), der die Ermittlungen zum letzten Job der Gang leitet. Vor allem, als Anthony Mackies korruptem Charakter Marcus Belmont auch noch der frisch auf die Polizeistation transferierte Neffe Allens, Chris Allens (Casey Affleck), als Partner zur Seite gestellt wird. Damit die schwierige Mission gelingt, schmiedet die Gruppe um Michael einen gewagten Plan: Um die Polizei aus der Gegend des Einbruchs wegzulocken, soll ein sogenannter Triple 9 ausgelöst werden: Der Polizeifunkcode für einen angeschossenen Officer! Wie passend, dass Marcus gerade einen neuen Partner bekommen hat, der auch noch verwandt mit dem Cop ist, den sie am weitesten weglocken möchten…

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Diese Zusammenfassung der Handlung zeigt schon die Selbstverständlichkeit, mit der komplexere Charakterbeziehungen sowie ein großer Cast Einzug auch ins Genrekino gefunden haben und genau diese Selbstverständlichkeit ist es, die „Triple 9“ zu einem ziemlich guten Film macht, ihn aber davon abhält, ein sehr guter zu sein: Es gibt immer noch die Mission, die Showdowns, Suspense- und Actionsequenzen im realistischeren Stil eines Michael Mann (oder aktueller: „Sicario“), den bösen Mafiaboss und auch den moralisch einwandfreien Saubermann. Aber daneben eben auch all die Grautöne; Protagonisten, die Polizistenmorde planen, Verrat an jeder Ecke und einen gut aufgelegten Woody Harrelson, dessen Charakter nach außen der Polizeiheld und nach innen alkoholabhängig und gescheitert ist (und sicherlich nicht zufällig sehr an seine Rolle aus „True Detective“ erinnert).

Trotzdem bleibt es eben ein Genrefilm, der natürlich Abstriche machen muss, was man ihm auch anmerkt: Die verschiedenen Fraktionen, die auf beiden Seiten Sympathieträger haben, der ständig lauernde Verrat und der bis in die Nebenrollen exzellent besetzte und fast genauso gut aufgelegte Cast hätten mit ein bisschen mehr Sorgfalt (und vermutlich Budget) auch zum neuen „The Departed“ werden können, so bleibt es wohl dabei, dass man eher vom kleinen Bruder sprechen wird.

Gute Bilder, dichte Atmosphäre, ein cleveres Drehbuch, das dem Zuschauer auch mal zutraut, mit mehr als vier Charakteren klarzukommen, ein Regisseur, der sein Handwerk beherrscht (und von dem man noch mehr sehen wird) und ein ziemlich abgerundeter Cast (einzig Casey Afflecks Figur ist teilweise ein wenig zu sehr der strahlende Held und dafür zwar richtig besetzt, jedoch kauft man Casey im Gegensatz zu seinem Bruder in „Batman v Superman“ den harten Hund noch nicht so ganz ab). Insgesamt ein rundes Paket, das auch den Vergleich zur absoluten Topriege des Gegenwartskinos nicht scheuen muss. Aber einige Momente des Mittelmaßes und des Gefangenseins in Konventionen führen leider dazu, dass „Triple 9“ bei diesem Vergleich doch eher schlecht abschneidet. Trotzdem taugt der Film absolut als zweistündige Popcorn- und Atem-anhalten-Unterhaltung und lässt ab und zu auch noch mehr Klasse durchschimmern. Und der kleine, dreckige Bruder von „The Departed“ zu sein, ist ja wohl auch nicht das Schlimmste, oder? Da kann man schon mal verschmerzen, dass man am Ende keinen „Triple 9 von 10“-Witz machen konnte: 7/10!

Autor: Laszlo Horvath

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