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Smashed (2012) Review

© Sony Pictures Home Entertainment

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Mary Elizabeth Winstead kennt man bisher nicht unbedingt als große Charakterdarstellerin, assoziiert man sie doch eher mit ihren Nebenrollen in „Death Proof – Todsicher“, „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ oder „Abraham Lincoln: Vampirjäger“. Ach ja, außerdem spielte sie ja noch Bruce Willis‘ Filmtochter Lucy in den letzten beiden „Stirb Langsam“ Filmen, zudem hatte Ms. Winstead noch die Hauptrollen im Horrorfilm „Final Destination 3“ und im Tanzfilm „Make it happen“ inne. Mittlerweile ist sie zwar in Hollywood eine feste Größe, doch der Film, in welchem sie eine meisterliche schauspielerische Performance abgeliefert hat, ist leider nur den wenigsten bekannt. Die Rede ist von James Ponsoldts Independent-Produktion „Smashed“, die im Jahr 2012 mit dem Minimalbudget von gerade mal 500.000 US-Dollar realisiert wurde.

Kate (Winstead) und Charlie (Aaron Paul) sind ein junges Ehepaar: Sie ist Grundschullehrerin, er arbeitet sporadisch als Journalist – beide sind sie Alkoholiker. Als Kate nach einer durchzechten Nacht vor ihren Schülern erbrechen muss, erzählt sie den Kindern kurzerhand, dass sie schwanger sei. Eine Spirale aus (Not-)Lügen und Selbstverleugnung wird in Gang gesetzt – lediglich zum stellvertretenden Schulleiter Dave (Nick Offerman) baut sie Vertrauen auf und erzählt ihm die Wahrheit über ihre Trunksucht. Die junge Frau möchte aufhören, weiß aber nicht wie. Nach weiteren geradezu entwürdigenden Tiefpunkten, die aus ihrer Krankheit resultieren, fasst sie den Entschluss, zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen, um sich endlich helfen zu lassen. Doch der Selbst-Exorzismus ist sowohl mit Rückschlägen und Tränen als auch mit bitterer Selbsterkenntnis verbunden, wodurch dieser sich zudem als Belastungsprobe ihrer jungen Ehe erweist. Kann es für Kate einen Weg hinaus aus dem Teufelskreis der Sucht geben?

© Sony Pictures Home Entertainment

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Regisseur James Ponsoldt gelingt das Kunststück, ein heikles Thema so anzugehen, dass es niemals in parodistische oder verkitschte Gefilde abdriftet, sondern quasi zu jeder Zeit den richtigen Ton trifft: mal ironisch, mal einfühlsam, oftmals tieftraurig und grundehrlich. Die Katharsis gegen Ende der Erzählung ist keine, die üblichen Hollywood-Konventionen entspricht, sondern einfach nur das Resultat einer konsequent zu Ende gedachten Läuterung eines gebrochenen Charakters. Maßgeblichen Anteil an der Intensität seines Werkes hat die fantastisch aufspielende Mary Elizabeth Winstead, die mit ihrer tour-de-force-Performance die ohne Frage bisher beste Leistung ihrer Karriere vorlegt. Die Kamera ist immer nah dran am Geschehen und verfolgt die Protagonisten in verwackelten und zumeist halbnahen oder nahen Einstellungen, wodurch sie geradezu unmittelbar die ungeschminkte Wahrheit in paradoxerweise dennoch wunderschönen Bildern einfängt. Der Filmtitel bedeutet übersetzt nicht nur „sturzbesoffen“, sondern auch „zerschmettert“ oder „zerstört“: Zu Beginn ist Kate am Boden zerstört und am Ende vielleicht endlich Herr über die eigenen Dämonen, die sie zerschmettert hat. Die Dramaturgie gestaltet sich zwar sehr konventionell und Kates traumatische Kindheit hätte vielleicht einer präziseren Psychologisierung bedurft, doch „Smashed“ kompensiert dies mit seinen präzise beobachteten und bitteren Wahrheiten mehr als ausreichend.

Fazit: Ein herausragendes Charakterstück mit einer brillanten Hauptdarstellerin, das sich auf leise und ehrliche Weise einem hochbrisanten Thema nähert, dem in der heutigen Zeit leider viel zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Dass zusätzlich geradezu jeder Anflug von Kitsch und ein sorgenfreies Happy-End konsequent vermieden werden, macht James Ponsoldts zweiten Spielfilm zu einer bedrückenden, aber durchaus hoffnungsvollen und unbedingt sehenswerten Filmperle des zeitgenössischen amerikanischen Independent-Kinos. 8/10

Autor: Markus Schu

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