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Boll die Zweite: Darfur (2010) Kritik

Sie retten Leben, bohren in unseren Zähnen, verzapfen missratenes Autorenkino und verfassen oftmals wissenschaftliche Essays oder gar Bücher. Der aufmerksame Leser merkt bestimmt schon sofort, worauf ich anspiele, auf die Doktoren nämlich, die unser Leben durch Morphium versüßen oder durch Zahnbehandlungen (verdammter Mausebohrer) zur Hölle machen können. Dieses Mal hat sich mein absoluter Lieblingsdoktor Uwe „The Mastermind“ Boll jedoch wieder einmal als Autor, Produzent, Regisseur und missverstandenes Universalgenie in Personalunion an ein so hochbrisantes Thema, wie den Völkermord im Sudan wagt. Umso verwunderlicher die Tatsache, dass Regienulpe Boll mit „Darfur“ einen Film schafft, der vielleicht handwerklich wieder einmal von seinem oft erwähnten Dilettantismus zeugt und mit der wohl penetrantesten Wackelkamera der Filmgeschichte aufwartet, es jedoch trotzdem vollbringt das Leiden der Opfer glaubwürdig zu transportieren.

2009 reisen sechs englischsprachige Journalisten, begleitet von Soldaten der Afrikanischen Union ins Krisengebiet Darfur, in dem immer wieder Teile der Schwarzafrikanischen Bevölkerung von bewaffneten arabischen Milizen, der sogenannten Janjaweed, angegriffen, vergewaltigt und getötet werden, um sich selbst ein Bild über die Zustände machen zu können und diese zu berichten. Nachdem sie in einem Dorf, nach einigen Gesprächen mit den Dorfbewohnern von den furchtbaren Zuständen in Darfur erfahren, wird das Dorf von den Janjaweed angegriffen und die Journalisten werden vor die Wahl gestellt, zu fliehen oder das Schicksal der Dorfbewohner zu teilen. Nun ist es an diesen, die Augen zu verschließen und davonzulaufen oder für das, woran sie glauben einzustehen.

Uwe Boll: Mit kaum einem anderen Namen assoziiert der erfahrene Kinogänger am ehesten Videospielverfilmungen, furchtbar schlampig und grauenhaft inszeniert, jedoch meist mit großen Stars besetzt und Sprüche, die immer wieder den Größenwahn dieses Mannes zu unterstreichen und gleichzeitig zu überbieten scheinen. Dass sich Raging Boll jedoch seit geraumer Zeit vom großbudgetierten Hollywoodkino verabschiedet und sich auf die Verfilmung ernster Stoffe konzentriert, mag sowohl vornehmlich an dem filmisch Erbrochenen, das der werte Doktor in den letzten Jahren so auf den Markt warf und als auch an fehlender Finanzierung durch Nazigold liegen, so darf diese Entwicklung jedoch von jedem Zuschauer als Sieg für die Kinowelt angesehen werden. Und selbst wenn die letzten Versuche, anspruchsvolles Autorenkino abzuliefern scheiterten (Tunnel Rats, Rampage mehr oder weniger), verkroch sich Uwe wohl in seinem Luftschutzbunker, boxte vielleicht noch ein paar Kritiker und tüftelte an neuen Ideen, die ihm endlich den lange verdienten Platz im Regieolymp bringen sollten, nach dem das German-Wunderkind so viele Jahre vergeblich strebte. Dass ausgerechnet Darfur im Gegensatz zu den andern, ein in meinen Augen sehenswerter, was nicht heißt guter, Film geworden ist, lässt Hoffnungen aufflackern, die jedoch durch die Ankündigungen von „Ausschwitz“, „Bloodrayne – The Third Reich“ und „Blubberella“ schnell wieder erlöschen.

Das neue anspruchsvolle Boll-Kino lässt sich recht simpel in 2 Phasen unterteilen. Die ersten 30 bis 45 Minuten der Filme sind für die Einführung und Entwicklung der Charaktere gedacht, danach wird gnadenlos gemordet, ums Überleben gekämpft, vergewaltigt oder Amok gelaufen. Genauso beginnt Darfur recht gemächlich, stellt kurz die Charaktere der Journalisten vor, die sich daraufhin auf den Weg ins Dorf machen und dort einiges über die furchtbaren Geschehnisse in der Krisenregion erfahren. So zieht die arabische Miliz Janjaweed mordend und vergewaltigend durch das Land, mit der Absicht die Schwarzafrikanische Bevölkerung auszulöschen. Anhand gezielter Einzelbeispiele erfahren die Journalisten und der Zuschauer mehr über die Untaten der Janjaweed und entwickeln eine Verbindung zu der leidenden afrikanischen Bevölkerung. Zudem wirken die Laiendarsteller allesamt sehr authentisch und natürlich, die Identifikation mit den Opfern wird dadurch sehr erleichtert.

Die Journalisten, dargestellt von Schauspielern wie Billy Zane, Edward Furlong und Kristanna Loken bleiben jedoch sehr blass und erfahren kaum eine wirkliche Charakterzeichnung. Sicher wollen alle helfen und sind schockiert von den Zuständen, die in Darfur herrschen, Tiefe kann jedoch kaum einer der Darsteller seinen Charakteren verleihen. Herausstechen kann einzig David O’Harra.

Die Janjaweed lassen sich im Grunde als gesichtslose Masse aus skrupellosen Mördern und Vergewaltigern fassen. Nur der Anführer spricht, der Rest ist eben munter metzelndes Beiwerk. Über die Gründe des Völkermordes werden nicht viele Worte verloren, die Motivation der Mörder wird nur vage angedeutet. Ein differenzierteres Feindbild wäre wünschenswert, doch da Subtilität und Feinfühligkeit noch nie Stärken des Meisters waren, war auch kaum anderes zu erwarten. Für den Zuschauer ist das Feindbild eine klobige Masse, bestehend aus wütenden Mördern, klar definiert, die Sympathien liegen eindeutig auf Seiten der Opfer.

Sobald die Journalisten aus dem Dorf fliehen lässt Boll die Janjaweed wüten. Sie vergewaltigen Frauen, zünden die Hütten an, schießen auf alles was ihnen vor die Flinte kommt, seien es Männer, Frauen oder Kinder. Selbst vor Babys, die kurzerhand gepfählt werden, wird nicht Halt gemacht. Ohne Rücksicht auf Verluste wird das Dorf ausgelöscht, nichts scheint den Mördern heilig. Boll hält drauf, zeigt gnadenlos was es zu zeigen gibt. Ich denke er weiß, dass es wichtig ist die Gewalt zu präsentieren, damit zu schocken und aufzurütteln. Zum Glück begeht er nicht den Fehler, den er meiner Meinung nach bei Rampage beging. Er verzichtet auf stilisiertes Töten, zeigt dieses Mal alles nüchtern und bewirkt beim Zuschauer kein voyeuristisches Verlangen nach weiterer und noch spektakulärerer Gewalt, sondern verlangt diesem alles ab und regt ihn dadurch zum Nachdenken an.

Ob das jedoch von vornherein die Intention Bolls war darf bezweifelt werden. Ich kann nur mutmaßen, denke jedoch dass sein Kameramann das Bild durch die vielgeliebte Wackelkamera einfach in ein realistisches, semi-dokumentarisches Licht tauchen wollte. Jede, ausnahmslos jede Aufnahme wackelt, schwankt, zittert, als ob ein betrunkener Einarmiger auf der sinkenden Titanic die Kamera geführt hätte. Ich bin mir nicht sicher, ob der gute Mann sein Arbeitsutensil mit einem Maschinengewehr verwechselt hat, aber so wild wie dieser hin und her schwenkt und wackelt, scheint der Rückstoß beim Filmen gnadenlos gewesen zu sein. Zeitweise erkennt man absolut nichts, alles bebt und verschwimmt. Ich selbst habe den Film auf DVD gesehen, ich will mir jedoch nicht ausmalen, was das „Große Wackeln“ auf der Kinoleinwand mit meinem Magen anstellen würde. Der Effekt der Wackelkamera hat im Grunde positiven Einfluss auf die gezeigte Gewalt. Wie oben schon erwähnt, wirkt sie sehr real und ungekünstelt. Doch die Konsequenz sind Bilder, die so keine sind. Ein einziger Flickenteppich. Es ist unglaublich schade mit anzusehen, wie es Boll immer wieder schafft gute Ansätze durch stümperhafte Ausführung zu torpedieren.

Auch die Rückkehr zweier Journalisten, die versuchen durch Feuergewalt den Dorfbewohnern zu helfen, schadet dem Film mehr als dass es hilft. Boll verfällt in den Actiontrott zurück und nimmt lässt die beiden einen übertriebenen Kampf ums Überleben austragen, an dessen Spitze der überpathetische Heldentod steht. Weniger ist oftmals doch einfach mehr.

Anhand von Darfur wird wieder einmal ersichtlich, dass Uwe Boll sich vom Videospielfilmer zum Autorenfilmer gemausert hat, dessen Themen und Stoffe sehr vielversprechend, kritisch und oftmals hochbrisant sind. Dass dies Potenzial jedoch von seiner Unfähigkeit, sei es der rein technische Aspekt oder doch das Gefühl und die Sensibilität fürs Filmen, in jedem Film aufs weitere untergraben wird, lässt zunehmend jede Hoffnung auf Besserung als Regisseur schrumpfen. Darfur ist gewiss kein schlechter Film, jedoch einer, der viel besser hätte werden können, wenn nicht Regiegott Boll, sondern ein fähiger Regisseur das Zepter geführt hätte. So bleibt es beim erschütternden und aufweckenden Film, dessen technische Unzulänglichkeiten ihn ins Mittelfeld katapultieren. Vielleicht sollte er sich auf die Rolle des Drehbuchautors und Produzenten beschränken und seine wirtschaftlichen Fähigkeiten für die Förderung junger Nachwuchsregisseure nutzen.


Via Youtube

Autor: Hermann Bauer

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