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Das verflixte 7. Jahr (1955) Review

Der Meister und die Diva. Lediglich zwei Mal arbeiteten Billy Wilder und Marilyn Monroe zusammen, schafften es jedoch, mit beiden Werken mehr als nur kleine Spuren in der Filmgeschichte zu hinterlassen und gleichzeitig für die vermutlich bekanntesten Filme der Blondine zu sorgen. Noch vor dem turbulenten „Manche mögen’s heiß“ (1959) fand sich das Duo bereits 1955 erstmals für die Broadway-Adaption „Das verflixte 7. Jahr“ zusammen. Sehr zum Glück sämtlicher Zuschauer, denn was Billy Wilder mit diesem Film abliefert, ist nicht weniger als eine der besten Komödien aller Zeiten.

Jedes Jahr, wenn der Sommer so heiß wird, dass man es in New York City nicht mehr aushalten kann, schicken alle Männer ihre Frauen und Kinder in den Urlaub, während sie selbst in der Stadt bleiben, um weiterhin das Geld für die Familien zu verdienen. So auch Richard Sherman (Tom Ewell), der als Lektor für einen kleinen Buchverlag arbeitet und sich vornimmt, die freie Zeit allein zu nutzen. Seine Frau und sein Arzt haben ihm zwar Alkohol, Rauchen und auch sonst alle spaßigen Aktivitäten verboten, diese guten Vorsätze vergisst Richard aber relativ schnell, als er bemerkt, dass für die Ferienzeit eine ungemein attraktive Blondine (Marilyn Monroe) in die Wohnung über ihn einzieht und er sich mit ihrer extremen Anziehungskraft konfrontiert sieht…

Dieser Film atmet mit jeder Faser die Zeit des Classical Hollywood. Die knalligen Technicolor-Farben und die fast durchgehende akustische Untermalung mit dem typisch amerikanischen Smooth Jazz sorgen relativ schnell für einen gedanklichen Rückfall in die 1950er-Jahre. Zwar galten damals noch die Zensurmaßnahmen des berüchtigten „Production Code“ (worunter das Drehbuch wohl im Vorfeld auch ein wenig gelitten hatte), Billy Wilder, der alte Rebell, widersetzt sich dem aber gekonnt. Zum einen baut er in den Film einige (sehr humorvolle) sexuelle Anspielungen ein, zum anderen schafft er das Kunststück, die klassischen Geschlechterrollen an der Oberfläche zu zementieren, sie jedoch gleichzeitig zu hinterfragen und vorzuführen. Auch das Ende, welches zu den Zeiten des „Production Code“ eigentlich immer mit einer Heirat eines neu zusammen gekommenen Paares oder der Festigung der Ehe eines bereits bestehenden Paares enden musste, wird in diesem Rahmen sehr charmant gelöst.


„Das verflixte 7. Jahr“ verleugnet dabei seine Herkunft vom Broadway nie. Zum einen wurde die Hauptrolle mit dem gleichen Darsteller (Tom Ewell) besetzt, der dafür prompt und völlig zu Recht einen Golden Globe absahnte, zum anderen besitzt der Film ohnehin eine sehr theatrale Atmosphäre. Die Handlung spielt sich mit Richards Wohnung und seinem Büro primär in zwei Räumen ab, außerdem monologisiert sich der Protagonist durch die vielen Szenen, die er allein zu bewältigen hat, was einen Großteil des Filmcharmes ausmacht. Der Film lebt von seinen wahlweise selbstüberschätzenden, paranoiden oder beschönigenden Selbstgesprächen, die von einer gekonnten Körpersprache unterstützt werden, das geniale und dadurch vermutlich sehr textlastige Drehbuch von Billy Wilder und George Axelrod, dem Autor der Broadway-Vorlage, tut sein übriges. Der Film besitzt zwar durchaus einige Slapstick-Anteile, schafft es jedoch, nie in einen trivialen „Haha-Humor“ abzugleiten, sondern stets einen ansehnlichen Grad an Subtilität zu wahren. Die zentralen Qualitäten des Films resultieren darüber hinaus aus Richards teilweise völlig ins Absurde abdriftenden Fantasien, die nicht nur erzählt, sondern auch bebildert werden und natürlich aus der Ausstrahlung Marilyn Monroes, die in einem extravaganten Kostüm nach dem anderen in der Szenerie erscheint und mehr als deutlich mit ihrem Sexappeal zu spielen vermag. Hier kommen die bereits erwähnten erotischen Anspielungen zur Geltung, etwa wenn Monroe nackt auf einem Balkon auftaucht und ihr Oberkörper kunstvoll, aber trotzdem wie zufällig von einem Blumenbouquet verdeckt wird oder eine schäumende Champagnerflasche als sehr eindeutige Sexualmetapher fungiert.

Billy Wilder schafft es auf hinreißende Art und Weise, dass wirklich fast jede Szene einen Bestandteil hat, an den man sich hinterher noch erinnern kann. Hierbei kommt ihm trotz der Dialog- bzw. Monologlastigkeit des Drehbuchs sein inszenatorisches Geschick zugute, etwa wenn sich Richard mit dem Hausmeister streitet und beide je nach Gesprächsanteil rhythmisch vor der Kamera hin- und herlaufen, wenn er verzweifelt versucht, sich von den im Raum befindlichen Zigaretten abzulenken, es jedoch natürlich nicht schafft oder natürlich in der berühmtesten Szene des Films, die Marilyn Monroe mit wehendem Kleid auf einem U-Bahn-Schacht zeigt und die mittlerweile Einzug in die Popkultur gefunden hat. Der Regisseur wählt teilweise einen fast schon postmodernen Ansatz, wenn er einige Bezüge zu Film und Literatur einbaut, Richards Frau sagen lässt, dass dieser seine Fantasien bereits in Cinemascope und Technicolor träume oder Richard einen Kollegen ärgerlich fragt, ob er denke, dass es sich bei der blonden Frau in seiner Küche vielleicht um Marilyn Monroe handele. Der damals medial aufgebaute „unwiderstehliche“ Charme der blonden Diva wird ebenfalls aufs Korn genommen, womit Wilder in der Summe letztlich seiner Zeit filmisch gesehen weit voraus war.

Der Film führt die verführerische Anziehungskraft der Frauen und die daraus resultierende, zumindest erst einmal optisch sehr schnell herzustellende Abhängigkeit der Männer davon schonungslos vor Augen. Durch das Intro wird gezeigt, dass sich diesbezüglich in den letzten 500 Jahren eigentlich nichts verändert hat und das Männer durch eine attraktive Frau sehr schnell aus dem mentalen Gleichgewicht zu bringen sind. Die Ehe als dauerhafte Institution wird zumindest hinterfragt, was 1955 fast als ein Skandal erschienen sein muss. Einige der besten Szenen resultieren aus genau dieser Eheproblematik, wenn sich Richard im Bewusstsein seiner Frau vornimmt, dass mit der blonden Schönheit ja nichts laufen wird, im Angesicht ebendieser Schönheit jedoch von einer Sekunde auf die andere eine gedankliche 180-Grad-Drehung vollführt und sich von ihrer Anziehungskraft komplett blenden lässt. Dass das Verhältnis der beiden Protagonisten jedoch von Grund auf eher temporär angelegt ist, zeigt sich zum einen darin, dass man während des ganzen Films den Namen von Monroes Charakter nicht erfährt und sich Richard für diesen auch gar nicht interessiert. Zum anderen wird dies durch eine wunderbare Szene bebildert, in der beide buchstäblich aneinander vorbeireden, da Richard über die psychoanalytischen Abgründe des Zufalls referiert und Monroe sich währenddessen darüber ärgert, dass die Drogerie ihr einen überteuerten Ventilator verkauft hat. Ihre Leben finden nicht nur im Haus auf unterschiedlichen Ebenen statt, aus dem Verhältnis zwischen ihnen kann (auch im Angesicht von Richards Ehering) nichts werden. Wilder entzieht sich damit geschickt einem etwaigen Plot-Twist, der das Ende vermutlich etwas absurder gestaltet hätte.

Das völlig übertriebene und extrem schnell wechselnde Spiel vom Tom Ewell trägt den Film zu großen Teilen, Marilyn Monroe stemmt den Rest. Leider ist sie auch hier wieder in ihrem Standardpart der naiven Blondine zu sehen, der, wie man heute weiß, wahrlich nicht der Wahrheit entsprach und ihr vermutlich nicht viel abverlangt. Ihr Potenzial blitzt in einigen Szenen kurz auf, jedoch ist ihre Paraderolle generell eher eng geschnitten und bietet nicht viel kreative Bewegungsfreiheit. Vom übrigen Cast bleiben noch Robert Strauss als schmieriger Hausmeister Kruhulik und Oskar Homolka als psychoanalytischer Seelenklempner Dr. Brubaker in Erinnerung; Nebenrollen sind aber ohnehin etwas, was in diesem Film wirklich nur als Randnotiz auftaucht.

Mit „Das verflixte 7. Jahr“ schuf Billy Wilder einen Marilyn-Monroe-Klassiker für die Ewigkeit, der auch nach knapp sechzig Jahren nichts von seinem Glanz verloren hat. Wegweisend im Bereich der Komödie bietet der Film sowohl mit sprachlichem als auch mit physischem Witz und seiner teilweise hintergründigen Ader ein wundervolles Erlebnis und sorgt für einen feinsinnigen Ausflug in die vermutlich etwas überspitzten Beziehungsumstände der „guten alten Zeit“.

Autor: Jakob Larisch

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