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The Fall (2006) Review

Schöne Geschichten sind für mich neben der Ästhetik des Mediums Film immer das größte Faszinosum gewesen. Auch wenn ich anarchistische bzw. experimentelle Elemente und Versuche im Film sehr interessant finde und mich auch dafür begeistern kann, bin ich nie ein wirklicher Freund von den reinen Formen dieser Spielarten geworden (Ausnahmen seien mir da gestattet). Was mich jedoch wirklich stört sind uninspirierte Konventionen, die zigmal Gesehenes nochmals durch den Fleischwolf drehen. Aber zurück zu den schönen Geschichten die ich so mag…

Oftmals sind außergewöhnliche Geschichten im phantastischen Film zu finden. Doch auch diese Feststellung bleibt für mich nicht ohne den bekannten Wermutstropfen bestehen. So interessant und aufregend die Geschichten auch sein mögen, kann ich mich auch an dieser Stelle mit den neueren Entwicklungen des Genres oft nicht anfreunden. Da bestehen Filme zum Beispiel zu einem drittel aus Massenschlachtszenen, in denen dann Gewalt mittels Zeitlupe, CGI oder anderen Hilfsmitteln besonders explizit in Szene gesetzt wird. Nicht nur das es mir egal ist ob das noch realistischer umgesetzt werden kann, oder das ich das auf Dauer auch langweilig finde, denke ich das Filme die das faszinierende Moment solcher Handlungen nutzen, um voyeuristische Affekte zu befriedigen ohnehin ein großes Problem haben.

Warum nun der ganze Exkurs, welcher zu allem Überfluss sicher auch von den meisten Cinephilen belächelt werden würde? Das ist die Frage die sich noch am einfachsten beantworten lässt. Um einen Fantasyfilm neuerer Zeit vorzustellen der das auch anders kann(!!!): „The Fall“ (Eigentlich wollte ich mich „Pans Labyrinth“ annehmen, da er mich auch völlig in seinen Bann gezogen und sowohl ästhetisch als auch narrativ berührt hat, aber die Entscheidung zu Gunsten von „The Fall“ kommt aufgrund der Annahme das der Film weniger bekannt ist.)

Wer meine Kritiken kennt, der kennt auch meine Schreibkonventionen. Eine Konvention ist das ich nie viel vom eigentlichen Handlungsverlauf preisgeben möchte, die andere das ich diesen Umstand in meiner Kritik immer ausführlich erkläre und zu legitimieren versuche. Also same procedure as every time : L.A. in den 1920er Jahren. Nach einem Unfall beim Dreh eines Films befindet sich der Stuntman Roy mit der Angst seine Beine nie wieder bewegen zu können im Krankenhaus. Um an einen größeren Vorrat an Tabletten zu gelangen, gewinnt er das Vertrauen der kleinen Alexandria, in dem er ihr zunächst eine kleine Abgeschlossene Geschichte und im Anschluss eine Geschichte die sich über die gesamte Länge des Films erstreckt erzählt. In dieser Zweiten Geschichte dreht sich alles um den Wunsch einer Gruppe von Leuten, die aus den verschiedensten Gründen Rache am bösen Gouverneur Odios nehmen wollen…

Zunächst lässt sich aus dieser Beschreibung natürlich wenig darüber entnehmen was denn nun das einmalige, besonders an der fiktiv erzählten Geschichte darstellen soll.

Außer beim bereits erwähnten „Pans Labyrinth“ kenne ich persönlich kein Beispiel der Filmhistorie, das es schafft diese beiden Ebenen der realen und der phantastischen Welt auf so poetische Weise zu transzendieren. Roy lässt in seine Geschichte zwar Personen und Geschehnisse der Realwelt einfließen, jedoch bleibt es nicht bei dieser einseitigen Beeinflussung. Sogar am unmittelbaren Rand dieser für gewöhnlich so scharfen Trennlinie stoßen die Welten aufeinander und so kann es passieren, dass ein Einwurf der kleinen Alex direkt auf der fiktionalen Ebene visualisiert wird.

Die Verbindungen, Assoziationen, Anspielungen und Metaphern sind zwischen den beiden narrativen Ebenen so zahlreich, dass es unsinnig wäre diese hier alle zu erwähnen (ganz davon abgesehen, das ich nicht behaupten kann jede auch als solche wahrgenommen zu haben) jedoch lässt das Erlebnis dieses Schmelztiegels der Erzählebenen einen Sog entstehen, dem man nicht so schnell entkommt.

Zu Beginn hat man das Gefühl Alexandria stehe Stellvertretend für uns als Zuhörerin der Geschichte ein, indem sie immer wieder Fragen stellt oder Anregungen gibt, die sich auch dem Zuschauer des Films aufdrängen (Jedenfalls war diese Überschneidung bei mir oft der Fall).

Wie Kinder schon in jungen Alter emotional überzeugende Rollen spielen können, wird mir in Anbetracht der ganzen 0815 Schauspieler älteren Kalibers immer ein Rätsel bleiben. Ob es nun mit Talent, Charisma etc. zu tun hat ist aber ganz egal, entscheidend für mich als Rezipienten ist nur die Wirkung. Und die ist beeindruckend. Vom Oscar in Schlöndorffs „Blechtrommel“, über die Kinder in den Wim Wenders Filmen, bis hin zu „Pans Labyrinth“ und „The Fall“ haben sie etwas einnehmendes und und fast unkindliches, das ihrem Auftreten etwas surreales verleiht. Unter all den genannten Beispielen ist die Alexandria in „The Fall“ (und dies ist nicht negativ konnotiert) wohl noch am kindlichsten.

Eigentlich ist der komplette Film eine Erkenntnisreise, die sowohl seine Charaktere als auch den Zuschauer nicht vorenthalten bleiben kann. Das immer größer werdende Leid des Protagonisten dekonstruiert sowohl die “Helden” seiner Geschichte, als auch ihn selbst. Erst am Ende schafft Alex es das für Roy, der in seiner eigenen Erzählung die Rolle des maskierten Banditen inne hat, die Rache unwichtig wird.

Ich habe vorhin schon mal über Gewalt im Film gesprochen und diese Review soll nicht dazu dienen dieses Thema in seiner Gänze zu beleuchten. Nur eins sei gesagt. Ich bin nicht prinzipiell gegen die Darstellung physischer Gewalt, aber die Art und Weise ist für mich doch schon ziemlich ausschlaggebend. In „The Fall“ geschieht dies im letzten Teil des Films am eindrucksvollsten. In der „wirklichen” Filmwelt ist der Film für mich zu dieser Zeit am emotionalsten. Daneben haben wir den Showdown der von Roy erzählten Geschichte, welche mit Stereotypen und Klischees von Anfang zu spielen scheint. Der Kampf von gut und böse ist hier quasi als zynische Ballade der Gewalt inszeniert.

Um alle Konventionen unterzubekommen, werde ich zum Schluss und den muss es wie auch bei jeder Geschichte immer geben, etwas nüchterner und komme zur handwerklichen Seite des Films und zu den Fakten. Zu meinem Bedauern ist dies der erste Film den ich von Tarsem Singh gesehen habe und so ist es mir auch nicht möglich diesen in sein Gesamtwerk einzuordnen oder zu vergleichen, aber ob das wirklich nötig wäre sei auch mal noch dahin gestellt. Visuell ist der Film auf jeden Fall sehr stimmig und erinnert vielleicht ein wenig an die ebenfalls fantasievollen und manchmal fabelhaften Welten eines Jean Pierre Jeunet. Obwohl ich artifizieller Kameraführung im allgemeinen eher abgeneigt bin, finde ich die diversen Kamerafahrten doch sehr schön in den Kontext dieser phantastischen Welt eingebettet.

Durch meine vielleicht etwas essayistische Schreibweise bei Filmkritiken/Reviews ist es mir wohl mal wieder weniger gelungen meinen Faden zu behalten und zu verdeutlichen was diesen Film so besonders macht. Aber alle alle alle die sich besonders für Geschichten interessieren sei diese Geschichte vom Geschichten erzählen sehr ans Herz gelegt.


Via YouTube
Autor: Robert Dörre

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