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When Animals Dream (2014) Review

When Animals Dream 1

Alle Jahre wieder erscheint ein dänischer Film, der auch außerhalb der Landesgrenzen von sich reden macht. Vom dänischen „enfant terrible“ Lars von Trier soll hierbei nicht die Rede sein, seine Werke versammeln, wie zuletzt „Nymph()maniac“, schon seit Jahren einen internationalen All-Star-Cast und werden zudem auf Englisch produziert. Doch Regisseure wie Anders Thomas Jensen, dessen letzter Film „Adams Äpfel“ (2005) zugegebenermaßen schon ein wenig her ist, Susanne Bier, deren „In einer besseren Welt“ (2010) mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde oder zuletzt Lars von Triers ehemaliger Dogma95-Kollege Thomas Vinterberg, der mit „Die Jagd“ (2013) immerhin eine diesbezügliche Nominierung einheimsen konnte, sorgen für eine stete Anerkennung dänischer Filmkunst auch im Rest der Welt. „When Animals Dream“ von Regiedebütant Jonas Alexander Arnby schickt sich nun an, die Fackel fortzutragen. Sein Horrodrama ist ein visuell überragender und extrem atmosphärischer Film, der gerade vom einheimischen Setting an der kargen dänischen Küste profitieren kann.

Die schüchterne neunzehnjährige Marie (Sonia Suhl) wächst in einem kleinen dänischen Dorf auf, dessen einzige Arbeitsmöglichkeit die örtliche Fischfabrik zu sein scheint. Ihre Mutter (Sonja Richter) befindet sich seit Jahren in einem Koma und ist an einen Rollstuhl gefesselt, zu ihrem Vater Thor (Lars Mikkelsen) hat sie ein eher distanziertes Verhältnis. Eines Tages bemerkt Marie Veränderungen an ihrem Körper: Sie bekommt einen Ausschlag und verstärkten Haarwuchs. Zudem scheinen die anderen Dorfbewohner etwas vor ihr zu verheimlichen; sie wird daneben zum Opfer von Schikane am Arbeitsplatz. Einzig ihr Kollege Daniel (Jakob Oftebro) hält zu ihr, als die Situation langsam außer Kontrolle gerät…

Bereits der Vorspann gibt die grundlegende Stimmung des Films wieder: Ein wolkenverhangener Himmel, einzelne Häuser in einer grauen Landschaft, keine Menschen auf den Straßen. Das Leben in dieser durch konservatives Misstrauen geprägten Dorfgemeinschaft scheint sämtliche Farben aus der Existenz zu eliminieren. Dieser ausgewaschene Look durchzieht den ganzen Film, auch wenn die Sonne scheint, ist es niemals wirklich sonnig. Innenräume sind kaum zusätzlich illuminiert, stets muss das karge Licht von draußen reichen. Auch gesprochen wird nicht viel, die Charaktere verhalten sich distanziert zueinander, es gibt Zweckbündnisse, aber nichts, was wirklich als Sympathie ausgelegt werden könnte. Außer das Verhältnis von Daniel und Marie.

When Animals Dream 2

In dieser Hinsicht lässt sich „When Animals Dream“ in gewisser Weise als eine sanftere und zugleich tragische Variation von „Ginger Snaps“ (2000) beschreiben, einem der besten und eindringlichsten Beispiele für eine metaphorische Verarbeitung jugendlicher Ängste und Unsicherheiten. Klar, auch „When Animals Dream“ rekurriert auf ein gern genutztes Horrorfilmmotiv und setzt die erwachende weibliche Sexualität mit dem Erwachen animalischer Kräfte gleich. Doch er verkommt nicht zu einer reißerischen und platten Neuauflage dieses schon oft gesehenen Stoffes, sondern erzählt seine Geschichte ruhig, fast beiläufig und zu großen Teilen mehr über seine Atmosphäre denn über Dialoge. Starke persönliche und häufig als sinnbildlich zu verstehende Szenen, etwa wenn Marie beim Essen beginnt, ihr Glas zu zerkauen, so dass ihr kurz darauf Blut aus dem Mund läuft, wechseln mit Bildern des Dorfes und der es umgebenden Landschaft, die trotz ihrer Farblosigkeit eine karge Schönheit aufzuweisen weiß. Fast scheint es dabei, als habe sich der Film an den Charakter von Marie angepasst und nicht umgekehrt: Wenn sie eine weitere körperliche Veränderung an sich entdeckt, dann schreitet auch die Story weiter voran. Zugleich besitzt „When Animals Dream“ fast die Eigenart einer Collage, indem er das Leben in einer hermetisch abgeriegelten Gemeinschaft in all seinen nicht sonderlich charmanten Facetten abbildet. Fast fühlt man sich ein wenig an „Halloween“ (1978) erinnert, auch hier lauerte das Böse unter den scheinbar so geordneten Strukturen einer vorstädtischen Gemeinschaft.

Sonia Suhl macht in ihrem ersten Filmauftritt mit einer mutigen Performance von sich reden und spielt ihre Mitstreiter in jeder Szene samt und sonders an die Wand. Perfekt veranschaulicht sie dabei die Gratwanderung zwischen dem Erschrecken über die an sich selbst beobachteten Veränderungen und der gleichzeitigen Faszination, welche die neue Form einer ungezügelten und energetischen körperlichen Kraft mit sich bringt. Lars Mikkelsen als ihr überforderter Vater weiß in seiner Hilflosigkeit ebenfalls zu überzeugen, ebenso Jakob Oftebro als einziger Mensch des Dorfes, der sich dem Unbekannten nicht verschließt.

Mit „When Animals Dream“ ist Jonas Alexander Arnby eine faszinierende Parabel über den Wert von Individualität in einer gleichgeschalteten Gemeinschaft gelungen. Und auch wenn der Regisseur gegen Ende erzählerisch etwas den Mut zur endgültigen Konsequenz verliert, so bleibt der Film ein äußerst atmosphärisches Werk, welches zeigt, dass für eine eindringliche und nachhaltige Erzählung leise Töne manchmal die besseren sind.

Autor: Jakob Larisch

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