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Urban Explorer (2011) Review

Deutsche Horrorfilme? Anatomie! Lange Zeit nichts von Bedeutung. Es wird aber auch wirklich Zeit für den nächsten Genrebeitrag aus deutschen Landen. Er soll terrorisieren, den Zuschauer in die Sitze pressen und mit ungutem Gefühl nach Hause entlassen. Und siehe da, Regisseur Andy Fetscher kommt daher, streift bei der Suche nach geeigneten Drehplätzen an der Grenze der Legalität, sicher überschreitet er sie sogar manchmal. Alles für den perfekten Schocker. Er übernimmt neben der Regie die Kamera und den Schnitt, zugegebenermaßen keine leichte Aufgabe für einen Mann. Andy scheint sehr selbstbewusst. Über das Ergebnis ist nur schwer zu sprechen. Er schafft auf jeden Fall das, was einen guten Horrorstreifen ausmachen sollte: Ich wurde terrorisiert, saß unruhig in den Sitz gepresst da und hatte auf dem Nachhauseweg ein mulmiges Gefühl im Magen.

Vier Touristen, zwei aus den Staaten, eine aus Frankreich und Korea, wollen in ihrem Berlinurlaub außergewöhnliches erleben. Sie engagieren den Urban Explorer Dante (Max Riemelt), der sie auf der Suche nach dem Fahrerbunker (wen interessiert schon der Führerbunker, ist der Bunker der NS- Chaffeure viel spannender) tief in die unterirdischen Gänge und Schächte Berlins führt. Als Dante bei einem folgenschweren Unfall in die Tiefe stürzt und sich schwer verletzt, bleibt das amerikanische Pärchen bei ihm, während die beiden anderen nach Hilfe suchen. Diese taucht unerwartet in Form des ehemaligen Grenzbeamten Armin auf. Was folgt dürfte klar sein.

Das Drehbuch von von Martin Thau schafft es wirklich in jeder, ausnahmslos jeder Sekunde zu terrorisieren. Kein klar denkender Verstand kann wohl mit so viel Dummheit, so unendlich vielen Ungereimtheiten und banalen Logiklöchern wie in diesem Machwerk klarkommen, ohne zu schmelzen und sich schlussendlich selbst zu verspeisen. Dass das Genre bisher seltenst die tiefsten Geschichten und interessantesten Charaktere hervorbrachte, ist ja soweit bekannt und muss schon fast so sein. Dass Charakterzeichnung in Falle des Horrorfilms fast immer mit der Reduktion der Charaktere auf eine Eigenschaft einhergeht, ist auch kein Problem. Dass sich jedoch ein Film erdreistet, uns fünf Hauptpersonen vorzusetzen, deren Herkunft die einzig ersichtliche Information rund um die Charaktere darstellt, ist eine einzige Frechheit. Nein, ganz so leicht macht es sich der Film doch nicht, immerhin erfährt man, dass es sich bei der Koreanerin um eine betrügerische Hexe handelt und dass die beiden Amerikaner ein Paar sind. Die Französin hat eine Kamera in der Hand, es könnte also sein, dass sie Interesse an der Fotografie hat. Der deutsche ist nun mal Urban Explorer. Das muss als Hintergrund reichen. Wäre dieser Verzicht auf glaubhafte Charaktere auch nur im Ansatz logisch begründet, könnte ich ihn wohl nachvollziehen. Doch kann kein Mensch von mir erwarten, ich würde mit den unsympathischsten Bratzen auf unserer Erde mitfühlen, wenn sie von einem trashig überzeichneten Psychopathen gefoltert werden.

Der folgende Abschnitt enthält einige Spoiler, da ich jedoch jedem davon abraten würde, sich dieses Machwerk zu Gemüte zu führen, ist das eigentlich auch egal.

Ein gutes Beispiel: Dante ist der letzte, der einen wackligen Steg über einem bestimmt fünf bis zehn Meter tiefen Abgrund überquert. Mitten auf dem Steg fotografiert unser französisches Superhirn den armen Kerl, sodass er vom Blitz geblendet in die Tiefe stürzt. Nicht besonders clever, jedoch durch pure Dummheit erklärbar.

Denis, Teil des amerikanischen Gespanns, wird narkotisiert und wacht wenig später ans Bett gefesselt auf. Er schafft es sich zu befreien und schleicht mit einer Metallstange bewaffnet durch das Versteck des Grenzers, bis er hinter einer Tür den Folterkeller entdeckt, in dem seine Freundin gerade ein halbes Ohr verliert. Statt ihr mit seiner mächtigen Stange zu helfen kauert Denis zunächst weinend in der Ecke. Dieses Weinen dient ihm jedoch als Konzentrationsübung, denn Denis hat eine bahnbrechende Idee. Er lockt den Grenzer durch geschicktes Umwerfen von alten Schränken in eine Kammer, in der er ihm ein Gabel!!!! in die BACKE rammt. Ich bin mir sicher, dass eine Gabel in der Backe bestimmt sehr schmerzhaft ist, doch stellen sich mir in dem Moment mehrere Fragen. 1) Wieso schleicht er sich nicht direkt von hinten an und erschlägt den Psychopathen? Wäre wohl zu einfach. 2) Was zur Hölle treibt den Idioten in dem Versteck des Killers dazu, sich mit einer Gabel zu bewaffnen? Und 3) Wieso, wieso in Gottes Namen sticht er ihm das Mordinstrument denn ausgerechnet in die Backe? Im schlimmsten Fall kann Armin die nächsten Wochen keinen O-saft trinken, weils doch sehr doll brennt. Um das ganze abzurunden versperrt er die Tür, hinter der er den Killer einschließt mit ebenselber Gabel. Dass dieser es schafft sich aus einem Raum, der von einer Gabel versperrt wurde zu befreien, dürfte wohl klar sein.

Wenig später schaffen es beide den Killer zu überrumpeln. Dieser liegt bewusstlos am Boden. Im schwächlichen Denis scheint plötzlich der Killerinstinkt zu erwachen. Er prügelt unerbittlich mit seiner Eisenstange auf dem Kopf des Grenzers ein. Im Bild ist nur Denis zu sehen. Währenddessen sind furchtbare Geräusche zu hören. Man denkt sich das schlimmste. Denis ist kurz darauf gezwungen zur Leiche zurückzukehren und siehe da, der Mann sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Bis auf die Einstichwunde ist nichts zu sehen, Denis Schläge schienen sehr sanft.

Den Höhepunkt bietet das Finale. Denis Freundin kriecht durch ein Loch, einzig gestopft mit sehr lockerer Erde aus dem Folterkeller in einen U-Bahnschacht! Als sie daraufhin am Gleis ankommt, hat die Gute zwei Alternativen. Raus an die Oberfläche und Hilfe rufen, denn noch ist kein Killer weit und breit in Sicht. Oder sie könnte sich weinend auf den Bahnsteig legen. Logisch denkend, immer im Hinterkopf Gefahren geschickt zu umgehen, legt sich unser Mastermind mitten auf den Bahnsteig und weint.

Unzulänglichkeiten hin oder her, der Film hätte für Genrefans durch einfallsreiche Morde und eine spannende Inszenierung sicherlich noch von Interesse sein können. Doch was uns Fetscher hier serviert ist eine Mischung aus Dilettanz und unmotiviertem Abkupfern. Bieten die unterirdischen Tunnel und Gänge durchaus großes Potenzial für bedrückende Atmosphäre und Spannung, schafft Fletcher das Kunststück, die so sorgsam ausgesuchten Schauplätze unglaublich langweilig einzufangen. Schon aufgrund der Thematik bietet der Film Ähnlichkeiten mit Neil Marshalls „The Descent“, der es meisterhaft vollbringt die Räumlichkeiten des Höllensystems einzufangen und dadurch ein unheimliche klaustrophobische Wirkung zu schaffen. Urban Explorer hat nicht den Hauch einer Chance diesem Vergleich stattzuhalten. Es werden Dreck, Staub und rostige Nägel vielsagend ins Bild gehalten, hinter jeder Ecke scheint eine Blutvergiftung oder Tetanus zu warten. Bedrohung oder gar Angst kommt während der ewigen Wanderungen durch die Tunnel nie auf.

Es ist zum Teil einfach ärgerlich und so furchtbar selbstgefällig was Fletcher hier abzieht. Während einer kurzen Pause, beschließt die Gruppe sich mit einem Tee zu wärmen. Vollkommen unmotiviert folgt nun eine schlechte Version der berühmten Hip-Hop-Montage, wie sie zum Beispiel in Requiem for a Dream vorzufinden ist. In vielen schnell hintereinander geschnittenen Großaufnahmen wird der Vorgang der Teezubereitung zelebriert. Es handelt sich dabei um reine Selbstgefälligkeit, jegliche Motivation fehlt, in meinen Augen wurde die Szene nur gedreht, weil der Regisseur sich dachte, dass es cool aussehen könnte.

Was die Morde angeht, will ich nicht viele Worte darüber verlieren. Es gibt genau drei Morde zu sehen, zwei davon sind kurz und blutig, aber reichlich unspektakulär, der dritte strotzt nur so vor perverser und ausufernder Gewaltdarstellung. Wer schon immer sehen wollte, wie es aussieht, wenn jemandem in aller Ausführlichkeit die Haut abgezogen und daraufhin noch Salz in die Wunde gestreut wird, hat sicher zwei Minuten lang seine hellste Freude an Urban Explorer.

Einen Lichtblick hat Urban Explorer dann aber doch zu bieten. Klaus Stieglmeyer scheint sichtlich Spass an der Rolle des Grenzers Armin zu haben. Allein sein vollkommen durchgeknallter Blick ist eine Sensation. Wobei es auch keine große Kunst ist, sich neben schauspielerischem Fallobst zu behaupten. Auch die Hintergrundgeschichte des Mörders ist in Ansätzen sehr vielversprechend, wird aber kaum ausgebaut.

„Urban Explorer“ ist ein schlecht inszenierter, noch viel schlechter durchdachter und bis auf eine Ausnahme auch sehr blutarmer Terrorfilm/Slasher, der auf der Haben Seite einzig und allein seinen Antagonisten hat und ansonsten in jeder erdenklichen Kategorie scheitert. Terrorisiert durch schlechtes Schauspiel und Inszenierung, in den Sitz gepresst durch die körperlichen Schmerzen, die einem dieses Machwerk bereitet und ein furchtbares Gefühl zu wissen, dass man eineinhalb Stunden kostbare Lebenszeit für diesen Schund geopfert hat.

Da fällt mir ein, ich muss mich verbessern. Es sind zwei Lichtblicke, die der Film zu bieten hat. Die letzte Szene des Films. Gelacht wurde. Das war schön.


Via Youtube

Autor: Hermann Bauer

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