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Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017/2018) Review

© 2018 Twentieth Century Fox

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„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“: Sperrig und irgendwie ein wenig merkwürdig wirkt dieser Titel im ersten Moment und man bekommt auch nicht wirklich eine Vorstellung davon, was für eine Art Film das jetzt sein wird. Dennoch bringt der Titel den Inhalt und den Charakter des Films treffend auf den Punkt. Ohne blumige oder tiefgründige Beschreibungen stellt er einfach nur klar und offen fest, worum die Handlung sich dreht: Drei Werbetafeln, die außerhalb der Kleinstadt Ebbing neu beklebt werden sowie deren Wirkung. Hintergrund und Effekt der Werbetafeln sind dabei ebenso sperrig wie der Titel. Selbst der zynische Witz des Films schwingt angesichts des Kontrastes von Thematik und nüchternem Titel mit. Dennoch überrascht der ständig auftretende Humor, der – teilweise an Galgenhumor grenzend – jedes Mal die unangenehmen Thematiken auf die Spitze treibt und, obwohl man lachen muss, jedes Mal das Gefühl hinterlässt: Wie kann ich über diese Situation jetzt lachen müssen?

Die Handlung beginnt mit Mildred Hayes (Frances McDormand), die drei heruntergekommene Werbetafeln außerhalb der Stadt Ebbing an einer inzwischen kaum noch befahrenen Landstraße neu bekleben lässt. Jedoch nicht mit Werbung, denn Mildred Hayes ist die Mutter von Angela Hayes, die sieben Monate zuvor unweit von ihrem Elternhaus (und den Werbetafeln) ermordet und dabei vergewaltigt wurde. Stattdessen prangert die neue Aufschrift der drei Werbetafeln die nach wie vor nicht aufgeklärte Tat und die Untätigkeit der Polizei mit großen schwarzen Buchstaben auf rotem Grund an. Auch wenn mehrmals betont wird, dass sie auf dieser Straße sowieso von niemandem gesehen werden, weil keiner mehr dort langfährt, scheint jeder, vom Pfarrer bis zum Zahnarzt, davon zu erfahren und eine Meinung über die Werbetafeln zu haben. Man sei ja auf Mildreds Seite bezüglich der schrecklichen Tat, aber nicht bei diesen Werbetafeln. Natürlich nimmt auch die Polizei und deren Reaktion auf die Tafeln einen großen Rahmen der Handlung ein, insbesondere die des auf den Tafeln sogar namentlich erwähnten Sheriffs William Whilloughby (Woody Harrelson) und des Officers Jason Dixon (Sam Rockwell), dem etwas dümmlichen, rassistischen und gewalttätigen Muttersöhnchen, das Willoughby trotzdem unter seine Fittiche genommen hat. Hinzu kommt noch, dass der Sheriff Bauchspeicheldrüsenkrebs und nicht mehr lange zu leben hat, was der Handlung einen weiteren Aspekt hinzufügt, der zwar nicht deren Fokus verschiebt, aber teilweise die Perspektive verändert.

Den Film zu schauen ist ein merkwürdiges Wechselbad zwischen Wut und Leichtigkeit, hervorgerufen dadurch, dass man ständig über die zynisch-spitzen Kommentare und Situationskomik lachen muss. Es liegt dem Film auch nichts daran, die Stereotype, die er immer wieder bildet, bis zum Ende durchzuspielen, stattdessen dekonstruiert er sie alle. Sämtliche Darsteller, egal wie kurz oder lang ihre Rollen sind, spielen ihre Charaktere souverän. Fast wirken die Darstellungen an einigen Stellen einen Tick zu ironisch, ein bisschen zu klischeehaft und die Charaktere einseitig, doch dann gelingt bei jedem Einzelnen der Wechsel zwischen leicht ironischer Darstellung und Tiefgang, wenn die ausführlich gebildeten Stereotype doch aufgebrochen werden, ganz egal, ob zum Beispiel vom desinteressierten Polizisten zum Polizisten, der todkrank ist und dem der Fall alles andere als egal ist (Woody Harrelson) oder vom sich etwas eigenwillig verhaltenden „Zwerg“, der jedoch durchaus für sich einstehen kann (Peter Dinklage). Dennoch ist die Darstellung von Mildred Hayes durch Frances McDormand besonders hervorzuheben, denn sie spielt ausdrucksstark und mit Ruhe Mildreds tiefe Wut und Verzweiflung, die diese antreiben und weiter machen lassen, sie bringt deren Charakter auf den Punkt, der nichts Ironisches hat und durch bissige zynische Aussagen zum Lachen bringt, aber auch schockiert. Zusätzlich geben Frances McDormands Gesichtsausdrücke innerhalb von Sekunden eine ganze Bandbreite an Gefühlen eindringlich wieder, insbesondere in Momenten, in denen auch ihr Stereotyp der wütenden, verurteilenden Frau mit Mission aufgebrochen wird.

© 2018 Twentieth Century Fox

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Man kann dem Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh trotz der sieben Oscar-Nominierungen, die der Film bekommen hat (Bester Film, Bester Schnitt, Beste Filmmusik, Bestes Originaldrehbuch, Beste Hauptdarstellerin und zweimal Bester Nebendarsteller, wobei Frances McDormand und Sam Rockwell ihre Auszeichnungen als beste Hauptdarstellerin bzw. bester Nebendarsteller gewannen) vielleicht vorwerfen, dass der Film Dinge nicht richtig stellt, nicht darauf abzielt, alles aufzuklären, viele Ungerechtigkeiten und Problematiken andeutet und dann übergeht oder der immer wieder auftauchende Rassismus nicht wenigstens durch eine größere Rolle der afroamerikanischen Nebendarsteller relativiert wird. Dagegenhalten ließe sich aber, dass man wegen dieser Umstände anfängt, genau dies zu hinterfragen und der Film dadurch eher schonungslos anspricht und aufdeckt, statt versteckt und beschönigt. Denn wie einfach wäre es zum Beispiel gewesen, Denise (Amanda Warren), der afroamerikanischen Vertrauten und Kollegin von Mildred Hayes mehr Raum zu geben? Macht man aber nicht. Gerade dadurch wird die Frage aufgeworfen: warum nicht? Weil sie Afroamerikanerin ist? In jedem Fall wird sie in der kurzen Zeit, in der sie vorkommt, alles andere als unwichtig dargestellt oder negativ konnotiert. Im Gegenteil – sie ist die Person, von der Dixon denkt, dass er über sie Mildred Hayes unter Druck setzen kann. Und auch die anderen afroamerikanischen Figuren, ebenfalls nur sehr kurze Zeit zu sehen, haben einen durchaus großen Einfluss auf die aktuelle Situation. Zusätzlich wird wiederum klar negativ konnotierten Figuren viel Zeit und Einblick gewidmet, wohingegen die Betroffenen teilweise weniger nahe behandelt und charakterisiert werden. Besonders gilt das für Angela Hayes (Kathryn Newton), das eigentliche Opfer. Aber dennoch wird nicht wirklich in Frage gestellt, dass Mildreds Trauer, ihr tiefer Zorn und ihr daraus resultierender Aktionismus gerechtfertigt sind, dass Vergessen hier nicht die Lösung sein kann. Sie wird nicht immer positiv oder als auf dem richtigen Weg dargestellt, aber sie wischt alle Argumente, die sie zum Aufhören bewegen wollen, – teils auch nur mit Gesichtsausdrücken – einfach weg.

Außerdem geht es eben nicht um die eigentliche Tat und deren Aufklärung. Obwohl der ganze Film davon handelt, dieses Ereignis der Vergangenheit in die Gegenwart zu bringen und dort zu halten, damit weiter nach dem Täter gesucht wird, zeigt die Handlung des Films eben nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart. Der einzige kurze Blick zurück zielt nicht darauf ab, Angela Hayes näher kennenzulernen oder die Tat aufzuklären, sondern gibt eher einen Einblick, was alles in Mildred vorgehen muss, auch wenn ihre ungebrochene Wut das ist, was sie nach außen zeigt und sie motiviert. Ähnlich ergeht es den beiden anderen Trauernden, dem Bruder (Lucas Hedges) und dem Vater (John Hawkes) von Angela. Nicht ihre Charaktere und deren innere Konflikte und Trauer stehen im Fokus, sondern deren Einfluss auf die aktuelle Situation und auf Mildred. Dennoch macht der Film, wenn auch mehr oder weniger nur am Rande, durchaus eindeutig klar, dass der Mord tiefe Spuren im Leben beider hinterlässt. Aber letztlich zeigt er vor allem, manchmal vielleicht auch nur durch kleine Dinge wie eine Schildkröte im Schoß einer schlafenden Person, dass jeder mehr als eine Seite hat. Nur überwiegt nicht immer das Positive das Negative. Er zeigt, dass jeder eine Geschichte hat und nichts und niemand sich einfach in Gut und Böse einteilen lässt, wie unbequem das vielleicht auch manchmal sein mag.

Die Handlung spielt sich in den klaren und oft sonnigen Bildern einer schönen Kleinstadt oder deren hübscher Umgebung ab, was aber gerade durch den Handlungskontext oft eher beklemmend wirkt. Im Kontrast dazu steht das schrille Rot der Werbetafeln und die nicht unbedingt fokussierte, aber explizite Darstellung von Gewalt, Verletzungen und Feuer. Genauso direkt und schonungslos, statt beschönigend und versteckend, wie die Geschichte erzählt wird, wird sie auch dargestellt. Weiterhin gibt die Kamera meist weniger einen Gesamtüberblick, sondern bleibt, genau wie die Geschichte, sehr nah an den handelnden Personen. Das wird zum Beispiel besonders deutlich, wenn die neu beklebten Werbetafeln am Anfang zum ersten Mal auftauchen und erst nach und nach in umgekehrter Reihenfolge zu sehen sind, während Jason Dixon von einer zur anderen nicht geht, sondern sogar fährt. Nicht ein einziges Mal im ganzen Film sind alle drei Tafeln klar lesbar gleichzeitig im Bild, dennoch sind sie und ihre Botschaft die ganze Zeit, sowohl bei den Figuren als auch beim Zuschauer, im Bewusstsein präsent. Egal wie man bestimmte Dinge wertet, der Film lässt einen eine ganze Weile nicht mehr los. Doch trotz all der traurigen Elemente und Ungerechtigkeiten hinterlässt er einen seltsam positiv, weil ein Gefühl von Menschlichkeit zurückbleibt und das Leben immer irgendwie weiterzugehen scheint, so hart das auch manchmal sein mag. Insbesondere das Ende des Films führt vor Augen: Letztlich hat man immer die Wahl. Jemanden aus dem Fenster werfen oder ein Glas Orangensaft mit Strohhalm reichen.

Autorin: Clara Roos

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