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The F-Word – Von wegen gute Freunde! (2013/2015) Review

© Senator

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Schauspieler, welche in einem finanziell wahnsinnig erfolgreichen Franchise eine Hauptrolle spielen, laufen nach dessen Ende häufig Gefahr, ihr Leben lang mit ebenjener Rolle assoziiert zu werden, was immer wieder zu einem akuten Karriereknick führt. Paradebeispiel dafür ist Mark Hamill, der nach den drei alten „Star Wars“-Filmen nicht mehr wirklich große Projekte auf die Beine stellte. Auch um Daniel Radcliffe ist es nach dem Ende der „Harry Potter“-Reihe ruhiger geworden, allerdings hat er sich in der Genrekino- und Independent-Szene mit Filmen wie „Die Frau in Schwarz“ (2012), „Kill Your Darlings“ (2013) und dem in Deutschland im Mai erscheinenden „Horns“ von Alexandre Aja einen halbwegs festen Tritt verschafft. Zuvor kommt mit Radcliffe in der Hauptrolle hierzulande jedoch die bereits 2012/2013 gedrehte kanadische Produktion „The F-Word – Von wegen gute Freunde!“ ins Kino. Wie es die grandios-holprig-überflüssige deutsche Tagline bereits vermuten lässt, geht es dabei um die emotionalen Probleme, welche zwischenmenschliche Beziehungen mit sich bringen können, gekleidet in das Gewand einer ganz netten, aber in weiten Teilen gezwungen ungezwungen wirkenden und langfristig eher belanglosen Komödie.

Der ehemalige Medizinstudent Wallace (Radcliffe) lebt in Ontario gemeinsam mit seiner Schwester und deren Sohn; sein Studium brach er ab, weil seine Ex-Freundin eine Affäre mit seinem Anatomieprofessor hatte. Sein Freund Allan (Adam Driver) überredet ihn, zu einer Party zu kommen, auf der er dessen Cousine Chantry (Zoe Kazan) trifft. Nach langer Unterhaltung bringt Wallace Chantry nach Hause, stellt dort allerdings fest, dass sie einen Freund hat und beschließt daher trotz des Austausches von Handynummern, den Kontakt nicht erneut zu suchen. Allan, der sich mittlerweile mit seiner Partybekanntschaft Nicole (Mackenzie Davis) eingelassen hat, überzeugt ihn jedoch, zumindest eine Freundschaft aufzubauen. Dies gelingt zwar, als jedoch Chantrys Freund Ben (Rafe Spall) im Rahmen seiner Arbeit bei den Vereinten Nationen einen Job in Dublin bekommt, intensiviert sich die Beziehung zwischen Chantry und Wallace. Sowohl die Versuche von Allan und Nicole, welche mittlerweile Heiratspläne hegen, die beiden zusammenzubringen, als auch die Tatsache, dass Chantry ein Jobangebot in Taiwan bekommt, machen es für Wallace nicht einfacher: Nur Freundschaft oder ernsthafte Beziehung? Die Dinge werden immer komplizierter…

„The F-Word“ hat seine Momente, so ist es nicht. Ein paar Situationen sind durchaus witzig, zumindest in puncto Humor kann das Drehbuch häufig überzeugen, dafür nervt auf Dauer das pseudo-tiefgründig-philosophische Gerede der Hauptfiguren à la „Was erwartest du vom Leben?“. Die übergeordnete Plot-Ebene wirkt altbekannt, die Geschichte hat man so oder so ähnlich schon oft gesehen und kann im Zuge des ganzen beziehungstechnischen Hin und Her der Story vielleicht ein paar Mal aufgrund der aktuellen viralen Beliebtheit des Wortes „Friendzone“ schmunzeln. Zwar gelingt es dem Script, in der Mitte des Filmes eine Phase einzubauen, wo man sich ein paar Minuten nicht mehr ganz so sicher ist, wie der Film endet, letztlich ist jedoch alles dann doch zu vorhersehbar und ein wenig monoton. Das größte Problem von „The F-Word“ ist indes die unfassbar schlechte Synchronisation, insbesondere die deutsche Stimme von Zoe Kazan klingt zumeist grauenvoll abgelesen und aus diesem Grund auch in emotionalen Szenen nicht fähig, Gefühle verbal zu transportieren.

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Würde man „The F-Word“ mit einem Satz beschreiben wollen, so wäre dieser Aufgabe mit „Mehr Indie geht nicht!“ Genüge getan. Zur Klarstellung: Damit sind nicht per se unabhängig produzierte Filme gemeint, sondern solche, die dem Zuschauer marktschreierisch beweisen wollen, wie total cool und voll alternativ sie doch sind. Denn „The F-Word“ besitzt tatsächlich alles, was man im Allgemeinen mit der Bezeichnung „Indie“ sowie den damit einhergehenden und nicht wirklich positiven Klischeevorstellungen assoziiert: Da wäre die durchs Leben driftende Hauptfigur, die absolut nicht weiß, was sie will, das Leben dabei aber voll spontan genauso nimmt, wie es gerade kommt (Wallace). Jemand, der einen kreativen Job in kreativer Umgebung hat (Chantry ist Animationsfilmzeichnerin). Viel Freizeit, da man projektgebunden und damit total flexibel arbeitet. Treffen in hippen Bars und Clubs. Das Sitzen auf einem Dachfirst unter dem Sternenhimmel und sich der eigenen Unbedeutsamkeit bewusst werden. Ein aktives Gutmenschentum (Medizinstudent Wallace und insbesondere UN-Mitarbeiter Ben). Kosmopolitische Arbeitsmöglichkeiten, da es wichtig ist, die Welt zu sehen, um sie verstehen zu können. Sanfte Gitarrenmusik. Wohnungen, die aussehen, als wären sie durch freischaffende Kreuzberger Szenekünstler eingerichtet worden, was seinen Höhepunkt in einem mit Fairtrade-Kaffeesack bespannten Sessel findet. Nichts gegen eines oder zwei der genannten Motive, aber alles zusammen? Ein kluger Kollege nannte das Ganze einst „Konfektions-Indie“ und dieser Begriff trifft wie die Faust aufs Auge. Geplante Spontaneität und organisiertes Chaos, das sind die Leitwörter dieser vorgeschoben progressiven Starbucks-Ciabatta-Vegan-Latte-Macchiato-Kultur. Man könnte auch sagen: Besitze eine instabile („spontane“) Identität, damit du die dich umgebenden, sozio-ökonomischen Konturen nicht mehr hinterfragst, weil du zu beschäftigt bist, dich selbst zu finden. Vorgeblich alternative Lebensentwürfe verwandeln sich auf diese Weise in systemstabilisierendes Verhalten.

Daniel Radcliffe spielt ganz gut, zumindest besser als in allen „Harry Potter“-Filmen, vielleicht liegt es ihm eher, nicht permanent der angestrengt wirkende Auserwählte sein zu müssen. Zoe Kazan ist vermutlich ebenfalls nicht schlecht, wobei sich eine finale Bewertung aufgrund der angesprochenen Synchro-Problematik bis zur DVD-Veröffentlichung verbietet. Die darstellerischen Highlights sind dann auch Adam Driver und Mackenzie Davis als liebenswert-verplant-durchgeknalltes Pärchen, das fast jede Szene stiehlt.

Rein unter dem Genre-Aspekt betrachtet, funktioniert „The F-Word“ als Komödie zunächst ganz ordentlich. Der angesprochene Indie-Charakter ist jedoch mit „aufdringlich“ noch sanft umschrieben, was nicht nur aufgrund des dargelegten Subtexts auf Dauer nervig wird. Letztlich ist „The F-Word“ ein glattpolierter Film ohne jedwede Ecken und Kanten, die zum Nachdenken über den Film anregen würden. Am ehesten bleibt das leicht perverse Rezept des „Fool’s Gold Sandwich“ in Erinnerung, welches hier nicht vorenthalten werden soll: Ein dickes Baguette wird mit Margarine bestrichen und knusprig gebacken, danach der Länge nach aufgeschnitten und ausgehöhlt. In eine Hälfte wird ein Glas Erdnussbutter, in die andere Hälfte ein Glas Erdbeermarmelade gefüllt, beides mit insgesamt einem halben Kilogramm kross gebratenem Bacon belegt und zusammengeklappt. Der Genuss dieses garantiert kalorienfreien Snacks macht auf Dauer vermutlich mehr Spaß als der Film. Guten Appetit! Die Mahlzeit: 10/10. Der Film: 5/10

Autor: Jakob Larisch

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