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Sunshine (2007) Review

Danny Boyle wurde bereits des Öfteren als Regie-Tausendsassa bezeichnet. Er lässt sich eben nicht gern auf ein Filmgenre festlegen und war daher bereits in vielen unterschiedlichen Genres aktiv, wobei er meistens auch beeindruckende Werke vorlegte. Angefangen bei seiner grotesken Satire „Trainspotting“ mit Ewan McGregor, über den Zombie-Horrorfilm „28 Days later“ mit Cillian Murphy, bis hin zum märchenhaften Feelgood-Movie und Oscar-Abräumer „Slumdog Millionär“ und zu seinem neusten Streich, der klaustrophobischen One-man-show „127 Hours“ mit James Franco. Boyles Handschrift ist in jedem seiner Filme unverkennbar, was sich im Besonderen in seiner Fertigkeit im Umgang mit den verschiedensten Stilmitteln und der außerordentlichen Bildsprache seiner Filme manifestiert. Warum Boyles ambitionierter Science-Fiction-Film „Sunshine“ jedoch am Boxoffice sang- und klanglos untergegangen ist, kann ich indes nicht nachvollziehen. Für mich persönlich ist es gar sein bisher bester Film, was unter anderem auch am starken Drehbuch seines langjährigen Weggefährten Alex Garland (Buch-Vorlage zu „The Beach“, Drehbuch zu „28 Days later“) liegt. Daher ist es mir eine Herzensangelegenheit, euch diesen Film nun im Folgenden näher zu bringen.

„Unsere Sonne stirbt. Die Menschheit steht vor ihrem Ende. Vor sieben Jahren entsandte das Projekt ‚Icarus‘ eine Mission, um die Sonne wieder zu entzünden. Doch die Mission ging verloren, noch bevor sie den Stern erreichte. Vor 16 Monaten habe ich, Robert Capa, mit einer siebenköpfigen Crew die in einem solaren Winter erstarrte Erde verlassen. Unsere Ladung: eine stellare Bombe von der Masse Manhattan Islands. Unser Auftrag: einen Stern innerhalb eines Sterns zu erzeugen. Acht Astronauten auf den Rücken einer Bombe geschnallt. Meiner Bombe. Willkommen auf der ‚Icarus II‘.“

Ich habe es mir hier einmal erlaubt, die Ausgangssituation der Geschichte nur mit Hilfe dieses Zitats des Crewmitglieds und Physikers Robert Capa (Cillian Murphy) grob zu umreißen. Es handelt sich bei der Mission der acht Astronauten also bereits um die zweite, die zum Wohle und Überleben der Menschheit entsandt worden ist, um die sterbende Sonne wieder zu entzünden. Natürlich klingt diese Ausgangssituation erst einmal reichlich absurd. Die Sonne stirbt? Und sie soll wieder entzündet werden? Ist das überhaupt möglich? Doch wer jetzt dran bleibt, der wird mit einem ganz besonderen Film belohnt. „Sunshine“ birgt bei genauerem Betrachten ein breit gefächertes Themen- und Motivspektrum, dass sich über die gesamte Laufzeit hinweg entfalten kann und dann am Schluss in einem spektakulären Finale zusammenläuft. Boyle und Garland werfen wie schon viele andere Regisseure und Drehbuchautoren großer Sci-Fi-Filme Fragen nach dem Menschsein auf. Doch wo beispielsweise Stanley Kubrick in seinem Meilenstein „2001 – Odyssee im Weltraum“ die Suche nach dem (Mensch-)Sein als Grenzerfahrung für alle Sinne inszenierte, beschreitet das „Sunshine“-Team nun andere Wege. Acht gut ausgearbeitete Charaktere (besondere Erwähnung verdient hier vor allem die darstellerische Leistung von Chris Evans als Mace), die auf engstem Raum zusammenleben und für das Schicksal der ganzen Menschheit verantwortlich sind, bergen hier nämlich ein enormes Potenzial für eine fesselnde Story, die unter anderem Themen wie moralische und ethische Verantwortung oder das Wechselspiel von Allmacht und Ohnmacht des Menschen beinhaltet. Im Grunde erzählt „Sunshine“ eine mit christlichen Motiven angereicherte Schöpfungsgeschichte, die in die Weiten des Alls und zum Ursprung allen Lebens verlagert worden ist: zur Sonne. Und ja – ich gebe zu, man muss sich auf die Story-Entwicklung einlassen, die der Film in seiner zweiten Hälfte einschlägt; der wahnsinnige (Un-)Heilsbringer, der ab diesem Zeitpunkt als Antagonist etabliert wird ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Auf „Sunshine“ muss man sich eben voll und ganz einlassen, um ihn genießen zu können. Wer eben genau das tut, wird den Film allein schon aufgrund seiner wundervollen Bilder wertschätzen können.

„Was können Sie sehen?“

Das gleißende, lebensspendende Licht der Sonne durchzieht den ganzen Film nicht nur auf inhaltlicher, sondern natürlich auch auf visueller Ebene. Die Sehnsucht nach der Erleuchtung und dem (Weiter-)Leben ist eines der zentralen Themen des Films, welches sich z.B. im Charakter des Psychologen Dr. Searle (Cliff Curtis) manifestiert. Kameramann Alwin Küchler findet dafür enorm ausdrucksstarke Bilder, hierbei sei nur einmal auf den Brand im Gewächshaus, den Tod des Captains und den „Licht-Raum“ verwiesen. Visuell ist Boyles Film ohne Zweifel eine Wucht, doch dienen die Bilder stets der Geschichte und verkommen nie zum Selbstzweck. Allein schon die intensive Schlusssequenz, in der auf der Bildebene mit Hilfe von speziellen Kamerawinkeln und -fahrten, sowie durch freeze Frames oder Schärfenverlagerungen die Ebenen von Zeit und Raum miteinander zu verschmelzen scheinen oder auch die Sequenz, in der die alte „Icarus (I)“ geborgen wird, welche durch den gezielten Einsatz von sogenannten Subliminalbildern eine bedrohliche Stimmung erzeugt, heben sich gerade in ihrer Stilmittelvielfalt wohltuend von gängigen Sci-Fi-Standards ab. In Kombination mit dem grandiosen Soundtrack von John Murphy und Underworld (das brillante musikalische Leitmotiv „Sunshine (Adagio in D Minor)“ sei hier einmal allen Filmmusikfans besonders ans Herz gelegt) gelingt es Boyle einen Sci-Fi-Film mit enormer (visueller) Sogkraft zu kreieren, der dem Genre einige neue Facetten abgewinnt.

„Wir alle sind nur Sternenstaub.“

Der Traum vom (zur Sonne) Fliegen (natürlich mit dem expliziten Verweis auf die griechische Sage von „Dädalus und Ikarus“), der Traum von der Erschaffung neuen Lebens, der Traum von der Rettung aller und das gleichzeitige Bewusstsein darüber, dass wir Menschen aber eben doch alle endlich sind in den unendlichen Weiten des Alls kulminieren im Albtraum von Capa und Cassie (Rose Byrne): „Der einzige Traum, den ich habe. Die Sonnenoberfläche? Sobald ich meine Augen zumache ist es immer dasselbe.“ Boyle und Garland haben „Sunshine“ mit viel Symbolik aufgeladen und stellen den Zuschauer vor viele Fragen. Genau das macht „Sunshine“ so faszinierend und genau das lädt den Zuschauer ein, den Film mehrfach zu sehen. Ich will nicht soweit gehen und sagen, der Film sei eine Grenzerfahrung wie „2001“, das erscheint mir dann doch zu vermessen. Eine ganz besondere Erfahrung und ein filmisches Kleinod ist er aber auf jeden Fall.

„Wenn ihr also eines Morgens aufwacht und es ist ein besonders schöner Tag, dann wisst ihr, dass wir es geschafft haben.“



Via YouTube

Autor: Markus Schu

One Response to “Sunshine (2007) Review”

  1. 1
    Sebastian Says:

    Was soll ich sagen…hab den Film jetzt innerhalb kurzer Zeit 2 mal gesehen.

    …und wenn ich den Bericht hier lese, dann bekomme ich gerade nochmal Lust darauf. Tolle Beschreibung!

    Ich finde es ist ein gelungener Film. Was mir am meisten gefällt ist die Isolation die dargestellt wird. Kein „Houston“, kein ständiger Kontakt zur Erde. Soetwas verändert Menschen, positiv wie negativ… Und ich finde es ist klasse dargestellt.

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