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Possession (1981) Blu-Ray-Kritik

© 1981 OLIANE PRODUCTIONS

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Es gibt Filme, bei denen es schwer fällt, dem Gegenüber zu vermitteln, was dort passiert: „Possession“ ist so ein Fall. Über die Jahre hat sich für das Meisterwerk des polnischen Regisseurs Andrzej Zulawski eine recht verwirrende, unter Umständen abstoßende, in jedem Fall das Interesse weckende Catch-Phrase entwickelt, die sogar vom Regisseur selbst propagiert wurde:“It’s about a woman fucking an octopus!“. Obwohl diese recht effekthascherische Beschreibung zur Überzeugung von Produzenten diente, lässt sich Zulawskis Film zu keiner Sekunde auf ein solches Element reduzieren, viel mehr überschüttet er uns mit Ansätzen und großartigen Momenten, die es immer wieder aufs neue vermögen, den Zuschauer aus der Fassung zu bringen.


Mark (Sam Neill, noch vor Jurassic Park) kehrt von einer Geschäftsreise ins geteilte Berlin zurück – seine Frau Anna (Isabelle Adjani) ist plötzlich verschlossen und zurückweisend. Mark vermutet eine Affäre, seine Befragungen und eifersüchtigen Ausbrüche eskalieren zunehmend. Schließlich gesteht Anna eine Affäre. Mark macht den Geliebten ausfindig, der sich ähnlich zurückgewiesen fühlt: Offensichtlich gibt es einen weiteren „Mann“ in Annas Leben. Ein Detektiv wird beauftragt und macht eine Entdeckung, und plötzlich wird aus dem klaustrophobischen Ehedrama ein albtraumhafter Creature-Film.


Bei der ersten Sichtung, ohne über die monströsen Ausmaße des Filmes Bescheid zu wissen, wird man schon im Vorspann stutzig: „Special Effects: The Creature – Carlo Rambaldi“. Das funktioniert schon fast wie eine Warnung – wer glaubt, das Monstrum hier sei nur allegorisch, der irrt gewaltig. Ohne zu viel vorweg zu nehmen (der Creature-Part des Filmes hat sich über die letzten 30 Jahre durchaus herumgesprochen), so belässt es Zulawski nicht einfach bei der Monster-Komponente: Über den Verlauf erhält das Wesen vollkommen kafkaeske Züge, es vollzieht eine Metamorphose, deren Ausmaße im letzten Drittel des Filmes die Sehgewohnheiten des Zuschauers vollkommen zerschmettern.

© 1981 OLIANE PRODUCTIONS

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Abgesehen von den großartigen Schauspielern (Isabelle Adjani wurde mit dem Prix d’interprétation fèminine in Cannes ausgezeichnet), glänzt ein weiterer Hauptdarsteller durch ständige Präsenz: Berlin. Die geteilte Stadt, eingetaucht in einen eiskalten Blaufilter, gibt der wahnsinnigen Geschichte ihren örtlichen Rahmen: Die Mauer schließt den Albtraum von der Außenwelt scheinbar ab. Innerhalb dieser Mauern findet jedoch eine völlige Entfesselung statt – von Anna, aber auch von der Kamera selbst, die sich frei in diesem abgeschlossenem Raum losgelöst von jeglichen Einschränkungen bewegen kann. Am stärksten äußert sich diese Ästhetik in der berühmt gewordenen „U-Bahn-Szene“, in der Anna einen völligen Zusammenbruch erleidet, dessen bildliche Umsetzung nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Adjanis Performance geht an psychische und physische Grenzen, und wurde verdient mit dem Preis in Cannes geadelt. Enden zu können scheint dieses geschaffene Universum nur in der Apokalypse, die Darsteller, aber auch die Stadt selbst, wirken hier wie zügig tickende Zeitbomben, die nur noch auf die Explosion warten.

© 2009 BILDSTÖRUNG

© 2009 BILDSTÖRUNG

Apokalypse, Besessenheit, Wahnsinn, Monstren, Kafka, eingebettet in ein Ehedrama im geteilten Berlin: Es ist schwierig, die gesamte Bandbreite von „Possession“ zu fassen. Über seine Laufzeit erschlägt der Film einen förmlich mit verschiedensten Ansatzpunkten für Interpretationen – schon deswegen sollte man sich auf dieses maßlose Werk einlassen. „Bildstörung“ veröffentlicht den Film in einer hervorragenden Special Edition mit viel Bonusmaterial, das umfangreiche Booklet bietet weitere Interpretationsansätze und eine Einführung in das Werk von Andrzej Zulawski. Wer schon Erfahrungen mit den Veröffentlichungen von „Bildstörung“ hat, der kann bedenkenlos zugreifen: Hier wurde ein Klassiker des obskuren Kinos in sehr ansprechender Aufmachung und ohne Kürzungen (von denen der Film zuvor viele ertragen musste) neu aufgelegt und für ein hoffentlich wachsendes Publikum zugänglich gemacht.

Autor: Roman Widera

One Response to “Possession (1981) Blu-Ray-Kritik”

  1. 1
    MMeXX Says:

    Ahoi!

    Bei der Erstsichtung der Blu-ray lief der Film bei mir mit einer ziemlichen Distanz. Als ich ihn kurz danach im Kino sehen konnte, war das ganz anders. Da hatte Possession eine ganz andere Sogwirkung, ein viel höheres Tempo. Ein ganz starker Film, der zum Gespräch geradezu auffordert.

    Bleibt zu hoffen, dass auch Unentschlossene hier einfach mal zugreifen!

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