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Overdrive (2017) Review

© Universum Film

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Schnelle Autos, eine Crew, die irgendetwas latent Kriminelles anstellt, aber dann doch nicht so kriminell ist, dass sie nicht mehr als Identifikationsbasis für den Zuschauer taugen würde, Verfolgungsjagden, markige One-Liner und eine schicke landschaftliche Kulisse? Klingt nach einem weiteren Film aus der „The Fast and the Furious“-Reihe, ist aber die französisch-US-amerikanische Co-Produktion „Overdrive“, für welche allerdings zumindest die letzten vier bis fünf „Fast & Furious“-Teile in der Tat als zentrale Inspiration gedient haben dürften. Dass „Overdrive“ in Frankreich spielt, ist kein Zufall, denn er wurde mitproduziert von Pierre Morel, seine Zeichens Regisseur von „Taken“ („96 Hours“), dessen Handlung selbst zu großen Teilen in Frankreich angesiedelt ist und dessen Produktion wiederum in den Händen von Luc Bessons Action-Schmiede Europacorp lag (ebenso wie die „The Transporter“-Filme mit Jason Statham, die, Überraschung!, sich ebenfalls um Auto-Action in französischen Gefilden drehen). Besson selbst hatte bei „Overdrive“ seine Finger wohl nicht mit im Spiel, dennoch reiht sich der Film in puncto Ansatz und Stimmung nahtlos in die Reihe der angesprochenen Werke ein.

Man bekommt es in „Overdrive“ mit dem Brüderpaar Garrett und Andrew zu tun (man denke an „I don’t have friends, I have family!“, was gefühlt mindestens einmal pro „Fast and Furious“-Film von Vin Diesel alias Dominic Toretto zum Besten gegeben wird), jeweils gespielt von Newcomer Freddie Thorp sowie Scott Eastwood, der mit seiner Teilnahme an „Fast & Furious 8“ wohl sein Bewerbungsschreiben dafür abgeliefert hat. Die beiden klauen Autos im Auftrag verschiedener Leute und leben davon, bis sie eines Tages einen Gangsterboss und Autosammler in Marseille (Simon Abkarian) ein wenig zu sehr ärgern. Um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, bieten sie ihm an, in seinem Auftrag einem anderen, nicht weniger unsympathischen Verrückten (Clemens Schick) ein äußerst seltenes Auto zu klauen. Gemeinsam mit Andrews Freundin (Ana de Armas), einer Super-Hackerin, die wiederum eine Super-Trickdiebin (Gaia Weiss) kennt, die wiederum eine Super-Crew aus dem Nichts hervorzaubert, versuchen sie, in der natürlich viel zu kurzen Zeit von einer Woche das Unmögliche möglich zu machen. Wer jetzt an „Klischee“ denkt, hat logischerweise Recht, andererseits: Es ist ein Actionfilm von der Stange, da sollte das nicht überraschen, zumal es absolut nicht negativ ins Gewicht fällt.

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„Overdrive“ wirkt ein wenig so, als hätten die Macher versucht, einen „Fast & Furious“-Film mit etwa einem Fünftel des Budgets zu drehen. Damit sind die Anspielungen auf das Vorbild-Franchise auch tatsächlich nicht vorbei, denn dieses stellt seit ein paar Jahren nicht nur, aber nicht zuletzt auch wegen seines enormen kommerziellen Erfolges die nicht zu umschiffende Messlatte für weitere sich in irgendeiner Weise um Autos drehende Actionfilme dar, zumal wenn der dramaturgische Ansatz sich so sehr ähnelt. Alles ist dabei eine Nummer kleiner: Die markigen Sprüche und die Dynamik zwischen den Protagonisten sind zwar sehr ähnlich, zudem erinnern die rollenden Hip-Hop-Beats das eine oder andere Mal an den „großen Bruder“ und auch in „Overdrive“ gibt es Explosionen und Verfolgungsjagden auf Küstenstraßen, allerdings ohne Panzer, Hubschrauber, U-Boote oder ähnliche Over-the-Top-Elemente, zumal es nicht um den Heist des Jahrhunderts geht, in dessen Rahmen man Top-Secret-Sachen aus einer Top-Secret-Anlage entwenden muss, um damit global angelegte Rettungsmissionen zu starten, stattdessen soll wirklich lediglich ein einzelnes Auto gestohlen werden (auch wenn es ganz so einfach nicht bleibt, das sei an dieser Stelle gesagt). Die Protagonisten jetten nicht rund um den Globus, sondern bleiben in und um Marseille, die Polizei spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle und die Crew bleibt mit Ausnahme der vier Hauptfiguren derart anonym, dass man sich nach der Sichtung von „Overdrive“ nicht einmal mehr sicher ist, ob sie überhaupt jemals mit Namen angeredet wurden.

Der Film ist wahrlich kein Meisterwerk und erfindet das Rad nicht neu (das Wortspiel mag entschuldigt werden), sondern bedient sich lediglich aus dem Baukasten bekannter Genre-Versatzstücke, wobei er sich nicht einmal Mühe gibt, das groß zu verbergen. Das Interessante ist: In der Gesamtschau funktioniert „Overdrive“ durchaus, da er stets rechtzeitig den nächsten dramaturgischen Trigger setzt und so tatsächlich keinerlei Längen aufweist. Das Tempo wird über die 94 Minuten Laufzeit konsequent hochgehalten, die Figuren werden eingehend genug charakterisiert, dass man sich mit ihnen ausreichend identifizieren kann, jedoch nicht mit überflüssigem emotionalen Ballast à la tiefschürfender Beziehungskrise oder zu weit ausgespielter Backstory versehen. Einiges wird angedeutet, vieles nicht ausgespielt, da es für das Vorantreiben der Handlung, deren Wendungen gleichermaßen Quatsch sind, ohne an den Haaren herbeigezogen zu wirken, schlicht keine Rolle spielt. Dabei nimmt sich „Overdrive“ natürlich keine Sekunde ernst, was ihm im Hinblick auf seine Prämisse auch nicht gut getan hätte und zelebriert in einigen Momenten regelrecht seine teils vollkommen überdrehten Spektakel-Momente. Die Action vermag zu überzeugen, die Verfolgungsjagden sind stringent und straff inszeniert, ohne in ein vollkommenes Schnittgewitter auszuarten, einzig beim Einsatz von CGI bzw. bei den Greenscreen-Szenen bemerkt man ab und an das im Bezug zu High-End-Blockbustern geringere Budget, was aber in der Gesamtbetrachtung nicht nennenswert ins Gewicht fällt.

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„Overdrive“ wird keinesfalls in die Annalen der Filmgeschichte eingehen und vermutlich nicht einmal bei der zusammenfassenden Filmbesprechung des Jahres 2017 eine nennenswerte Rolle spielen. Doch manchmal reicht es bereits, wenn man Bekanntes neu zusammensetzt und dabei seinen Job nicht völlig falsch macht. So auch hier: Alles ist schon einmal da gewesen, aber nichtsdestotrotz vermag der humorig-rasante Ansatz zumindest für einen entspannt-netten Abend adäquat zu unterhalten. „Overdrive“ ist, was er ist: unterhaltsamer Schwachsinn. Und solange man die Oberflächlichkeit nicht als lebenspraktischen Standard festsetzt, ist das manchmal auch vollkommen in Ordnung.

Autor: Jakob Larisch

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