Einen Kommentar hinterlassen

Original vs. Remake #1 „Fahrstuhl des Grauens“ (1983) vs. „Down“ (2001)

Dass die US-amerikanische Filmindustrie geneigt ist, ältere Filme neu aufzulegen, ist nicht wirklich etwas neues. Die Frage, die sich bei derartigen Remakes stellt, ist eigentlich immer nur eine: Ist es ein amerikanischer Horrorfilm, der erneuert wird oder ein europäischer Film eines beliebigen Genres? Für letzteren Fall ist Michael Haneke zumindest im deutschsprachigen Raum sicherlich das bekannteste Beispiel, als er 2007 seinem Film „Funny Games“ (im Original von 1997) unter dem vor Kreativität nur so strotzenden Titel „Funny Games U.S.“ für den amerikanischen Markt ein neues Gewand verpasste. Jedoch finden auch manchmal Nischenfilme ihren Weg in die Traumfabrik. Der Niederländer Dick Maas durfte 2001 wie später Haneke unter eigener Ägide sein Erstlingswerk „Fahrstuhl des Grauens“ (1983) mit dem Titel „Down“ auf die USA zuschneiden. Die Handlung wird lediglich von einer ungenannten niederländischen Kleinstadt nach New York verlegt, was das Motto des Remakes widerspiegelt: Alles ein paar Nummern größer.

Ansonsten wurde das Original nicht großartig abgewandelt. Hier wie dort spielt ein Fahrstuhl in einem Hochhaus plötzlich verrückt, die herbeigerufenen Techniker (Huub Stapel / James Marshall & Eric Thal) können jedoch nichts auffälliges finden. Auch die Presse tritt in Gestalt einer Sensationsjournalistin (Willeke van Ammelrooy / Naomi Watts) auf den Plan, zumal es sehr bald die ersten Todesopfer gibt. Die Polizei (Siem Vroom / Dan Hedaya) tappt im Dunkeln, aber der Chef der Fahrstuhlfirma (Ab Abspoel / Ron Perlman) und ein Elektronik-Experte (Hans Veerman / Michael Ironside) scheinen etwas zu verbergen…

Bereits wenn man von einem Film hört, in welchem ein mordender Fahrstuhl die Hauptrolle spielt, wird dem einen oder anderen vermutlich sehr schnell das Wort „Trash“ in den Sinn kommen. Ließ sich das Original aufgrund des 80er-Jahre-Charmes, des sichtbar kaum vorhandenen Budgets und seiner Ästhetik auch noch gepflegt als lupenreine Trashgranate bezeichnen (wobei der Begriff hierbei nicht abwertend gemeint ist), gestaltet sich die Nomenklatur beim Remake aufgrund der deutlich professionelleren Machart und der bekannteren Schauspieler etwas schwieriger. Auch „Down“ hinterlässt jedoch eine leichte Trashnote, was unter anderem der Tatsache zu verdanken ist, dass Dick Maas sich selbst niemals ernst nimmt, dafür besitzt der Film zu viel Situations- und Dialogkomik. Spätestens durch die Inszenierung eines 86 Stockwerke tief stürzenden Skaters, der regelrecht aus dem Fahrstuhl gefeuert wird und dabei mal eben sämtliches Sicherheitsglas zu Splittern verarbeitet, wird die Abstrusität des ganzen Sujets schlichtweg gefeiert, was sich durch die überzogenen Splattereffekte noch steigert. Und als der Präsident der Vereinigten Staaten sich zu einem meuchelnden Fahrstuhl äußern muss und eine Panzerfaust als Waffe gegen ihn (den Fahrstuhl, nicht den Präsidenten) gebraucht wird, kann man in der Tat nicht mehr davon sprechen, dass hier irgendetwas ernst gemeint sein soll. Dick Maas erteilt jedem gesunden Verständnis für Verhältnismäßigkeit über die gesamte Laufzeit eine klare Absage, was das Remake derart übersteuert erscheinen lässt, dass einem die Ironie förmlich entgegenspringt.

Dies passt jedoch zur bereits erwähnten Maxime des Films, das Original in allen Belangen zu übertreffen. Gab es in „Fahrstuhl des Grauens“ noch ein einfaches Bürogebäude mit drei Aufzügen, so spielt sich die Handlung in „Down“ im (fiktiven) „Millennium Building“ in Manhattan ab, welches natürlich 102 Etagen und 73 Aufzüge besitzt, auch wenn der Fokus auf den drei so genannten „Express-Aufzügen“ liegt. Tranken die zwei Nachtwächter-Trottel im Original ihren eigenen Whisky aus Plastikbechern, so brechen sie hier in ein Büro ein, um in Teilen den darin befindlichen Alkoholschrank zu plündern. Der blinde Mann, der 1983 in den Fahrstuhlschacht stürzt, weil sich die Tür öffnet, ohne dass der Aufzug da wäre, bekommt 2001 zuvor noch grüne Haare verpasst, da sich eine Friseuse damit für seine lüsternen Annäherungsversuche rächen will. Findet sich die Szene mit dem vom Fahrstuhl abgetrennten Kopf in beiden Filmen, muss im Remake natürlich noch ein Polizist auf blutige Art und Weise durch den Lift in zwei Hälften geteilt werden. Die Gruppe von Menschen, die zu Beginn des Films im Fahrstuhl eingeschlossen wird und mit der zunehmend knapper werdenden Luft klarkommen muss, sind im Remake auch keine betrunkenen Restaurantgäste wie im Original, sondern eine Gruppe schwangerer Frauen, von denen zwei im Aufzug kurzerhand ihr Baby bekommen. Und wenn die rauchende, osteuropäische Kindergärtnerin ihren drei- bis fünfjährigen Schützlingen im Remake mehrfach eine Zukunft in Prostitution und Drogenabhängigkeit prophezeit und sie als Mistkröten und Missgeburten bezeichnet, sprengt der Regisseur auf eine amüsante Art und Weise kurzzeitig die Grenzen des guten Geschmacks. Die Übertreibung als filmisches Mittel funktioniert hervorragend, zumal Dick Maas einige Todesfälle mit skurrilen Parallelisierungen bebildert und sich in Bezug auf die Inszenierung des Fahrstuhls interessanter Regieeinfälle bedient. Der Spaßfaktor wird dadurch im Vergleich zum Original enorm hochgeschraubt; waren im niederländischen Film die komischen Momente kaum vorhanden, wird hier jede zweite Handlung mit einem schlagfertigen One-Liner verziert, der zumeist von Naomi Watts kommt.

Es gibt jedoch logischerweise auch Gemeinsamkeiten der beiden Filme. Die drei Express-Aufzüge dienen als Hauptschauplatz und sind teilweise fast identisch inszeniert wie im Original, ab und an sogar mit gleichen Kameraperspektiven. Trotz aller Komik besitzen in beiden Fällen die drei Fahrstühle eine fast ungreifbare Aura, was dem Design der Türen und ihrem Öffnungsgeräusch zu verdanken ist. Mehrere Szenen und Figuren sind sich sehr ähnlich, so zum Beispiel der Polizeikommissar, der einen Vortrag darüber hält, wie viele Menschen pro Jahr in Aufzügen steckenbleiben, das kleine Mädchen, dessen Puppe von den Fahrstuhltüren zerstört wird sowie mehrere der bereits angesprochenen Todesfälle, die teilweise fast Bild für Bild übernommen werden. Der im Original zwar von einigen Seiten vermuteten, aber nicht zustande gekommenen Affäre zwischen dem niederländischen Monteur Felix und der Journalistin Mieke wird im Remake durch die Tatsache, dass der amerikanische Monteur Mark (im Gegensatz zu seinem niederländischen Pendant) nicht verheiratet ist, allerdings mehr Raum gegeben. Großartig hierbei der Dialog von Mark und Naomi Watts‘ Figur Jennifer über möglichen Sex von Maschinen, der sich in eine Richtung entwickelt, die zumindest Jennifer wohl so nicht erwartet hätte. Ebenfalls in der Personenkonstellation etwas anders ist die Tatsache, dass der später für die Auflösung zuständige Techniker im Remake einen Kollegen an seiner Seite hat, der allerdings im Laufe des Films das Zeitliche segnet. Die Verwicklung der ominösen Vorgänge rund um den Fahrstuhl in einen militärischen Zusammenhang wird in beiden Filmen nur angedeutet, die Auflösung ist hier wie dort ähnlich hanebüchen, auch wenn sie im Remake zumindest deutlich professioneller inszeniert wird.

Die junge Naomi Watts (noch kurz vor ihrem Durchbruch mit „Mulholland Drive“) verkörpert ihre Figur in einer völlig überdrehten Weise (wozu auch ihre äußerst schrille, zumeist in Pink-Tönen gehaltene Kleidung beiträgt), was sich aber in den Gesamteindruck des Remakes gut einfügt. Eine Darstellerin ihres Kalibers spielt eine Figur wie die teilweise fast hyperaktiv anmutende Jennifer mit links, vermutlich hat sie die Rolle eher unterfordert als gefordert. Ohne Willeke van Ammelrooy zu nahe treten zu wollen, bleibt Naomi Watts von den beiden Frauen eher im Gedächtnis, auch wenn van Ammelrooys tendenziell ruhigeres Spiel den Ton des Originals durchaus trifft. Bei den männlichen Hauptrollen ist es umgekehrt. James Marshall spielt seinen Mark zwar nicht schlecht, er hat jedoch nicht so viele Chancen wie Naomi Watts, sich zu profilieren und schafft es nicht, seiner Rolle mehr als ein paar durchschnittliche Kanten zu verleihen. Auch Huub Stapel ist vermutlich kein Meister des nuancierten Spiels, verleiht der Figur des Monteurs Felix Adelaar im Original jedoch durchaus ein wenig mehr Tiefe. Ein Cameo seinerseits im Remake wäre eine nette Geste gewesen und hätte Fans des Originals sicher gefreut. Bei allen Urteilen über schauspielerische Leistungen sollte man jedoch im Gedächtnis behalten, dass die Protagonisten eines niederländischen Low-Budget-Trashfilms und einer amerikanischen B-Movie-Horrorkomödie nun wahrlich nicht als Charakterstudien, sondern als Figurentypen angelegt sind. Und diese werden durch die Bank weg erfüllt. Michael Ironside und Ron Perlman bleiben eher Randnotizen, was zwar ein wenig schade ist, aber wohl dem Zweck der Handlung dient. Von den sonst in Deutschland komplett unbekannten Darstellern der niederländischen Version bleibt maximal noch Siem Vroom als Polizeikommissar und Fahrstuhlphobiker im Gedächtnis, der seine Arbeitszeit lieber damit verbringt, seinen Urlaub zu planen, als sich für den Fall zu interessieren.

Dick Maas enttäuscht sein Publikum nicht. Er schafft es, das Remake einer Trashgranate nicht zu einer überflüssigen Neuauflage verkommen zu lassen, sondern reichert die Story mit viel Humor und Selbstironie an, ohne jedoch die Wurzeln des Originals außer Acht zu lassen. Fans von 80er-Jahre-Trash, die ein Faible für filmästhetisch nostalgische Bilder haben, sei das Original wärmstens ans Herz gelegt, andere, die einfach einen Film für einen komödiantischen und nicht wirklich anspruchsvollen DVD-Abend suchen, sollten sich auf das witzig-überdrehte Remake fokussieren. Hier wie dort bleibt Dick Maas jedoch noch zu gratulieren, dass er 1983 das Subgenre des Fahrstuhlthrillers erfunden hat. Denn das kann schließlich nicht jeder von sich behaupten.

Autor: Jakob Larisch

Leave a Reply