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Michael Manns Thief (Der Einzelgänger, 1981) BluRay-Kritik

© OFDb Filmworks

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Michael Mann – einer der Großen in Hollywood, aber irgendwie nie einer der ganz Großen. Er ist ein klassischer Auteur, bekannt insbesondere für stilistisch exzellente Filme mit elegant-versierter Kameraarbeit. Sein Name dürfte einigen ein Begriff sein, Cineasten allemal, aber vermutlich nicht als zusätzliche Zuschauermengen akquirierendes Element dienen. Vielleicht, weil er stets unabhängig war von filmischen Strömungen und Erfolgswellen: Er begann seine Karriere nach der Hochkonjunktur des New Hollywood, welches Regisseure wie Martin Scorsese oder Francis Ford Coppola hervorbrachte, war aber wiederum zu früh aktiv für die gern dem so genannten New New Hollywood zugerechneten Regisseure wie Christopher Nolan, David Fincher oder Darren Aronofsky; auch verzeichnet er in seiner Vita nicht mehrere Filmkracher, die retrospektiv zu quasi objektiv uneingeschränkten Meilensteinen der Filmgeschichte wurden, wie es beispielsweise bei Ridley Scott der Fall war. Den Durchbruch schaffte Michael Mann 1992 mit „Der letzte Mohikaner“, ein gleichermaßen künstlerischer wie kommerzieller Erfolg. Es folgten seine Meisterwerke „Heat“ (1995) und „Insider“ (1999), sein bislang letzter Knaller gelang ihm mit „Collateral“ (2004). Seine Karriere begann er beim Fernsehen, am ehesten ist er diesbezüglich als Produzent der TV-Serie „Miami Vice“ ein indirekter Bestandteil des populärkulturellen Gewissens. In jene Zeit fällt auch sein erster Kinospielfilm: „Thief“ (1981), in Deutschland vermarktet als „Der Einzelgänger“, ein Neo-Noir-Kriminalthriller unter der Produzenten-Ägide des damals noch jungen Jerry Bruckheimer. Das Label OFDb Filmworks bringt jenen Film nun in einer limitierten „5-Disc Ultimate Edition“ auf den Markt, welche ihn in mehreren Fassungen sowie zudem massenweise Bonusmaterial beinhaltet.

Der Film: „Thief“ – der Name ist Programm. James Caan spielt ihn, den titelgebenden Dieb Frank, der gemeinsam mit seinem Kumpel Barry (James Belushi in seiner ersten großen Rolle) elaborierte Raubzüge durchführt, „no cowboy shit, no home invasions“. Über Umwege gelangt Frank an den Gangsterboss Leo (Robert Prosky), welcher ihn und Barry für einen aufwändigen Heist einspannt. Frank will die daraus entstandene Beute nutzen, um sich zur Ruhe zu setzen, da er mittlerweile eine Beziehung mit der Kellnerin Jessie (Tuesday Weld) eingegangen ist. Doch ein paar korrupte Polizisten haben es ebenfalls auf ein Stück des lukrativen Kuchens abgesehen und auch Leo macht Frank nach und nach Probleme.

Michael Mann erschafft in „Thief“ eine auf visuelle wie auditive Weise perfekt durchkomponierte und von kühler Urbanität geprägte Atmosphäre, gerade jene Szenen, die bei Nacht spielen, sind ein Genuss, stets mustergültig ausgeleuchtet, oftmals ein wenig artifiziell-stilisiert, jedoch ohne dabei künstlich zu wirken. Das Großstadt-Flair Chicagos mit seinen verspiegelten Hochhausfassaden, das je nach Szene zwischen rustikal und distinguiert schwankende Interieur der Innenaufnahmen und die häufigen Autofahrten, welche in einer Einstellung ihr Highlight finden, in der man die Neonreklamen der vorbeiziehenden Straßenränder lediglich in der blanken Motorhaube gespiegelt sieht, all dies evoziert in seiner Symbiose eine charakteristische Stimmung, welche sich auf diese Weise scheinbar nur am Übergang der 1970er- in die 1980er-Jahre findet, ein Zeitraum, der somit durch den Film quasi ein Denkmal erhält. Dazu trägt auch das exquisite Soundtrack der deutschen Elektro-Formation „Tangerine Dream“ bei, welche daneben unter anderem für die Musik zu William Friedkins „Atemlos vor Angst“ (1977) und Kathryn Bigelows „Near Dark“ (1987) verantwortlich zeichneten. Der Film ist vorwiegend mit flächigen und unaufdringlichen, teils fast schon träumerischen Synthesizer-Klangteppichen untermalt, die auch bei Dialogpassagen nicht stoppen und so die Gespräche zwischen den Charakteren teils ihrer Realitätsgebundenheit zu entheben scheinen.

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„Thief“ ist ein Heist-Film, der sich Zeit lässt und Zeit nimmt, seine Figuren und sein Setting aufzubauen. Zu Beginn sieht man Frank und Barry bei einem durchgeplanten Diebstahl von Diamanten, welcher bereits die exzessive Detailversessenheit der Titelfigur verdeutlicht. Nachdem der Plot rund um Franks Deal mit Leo etabliert ist, räumt „Thief“ sowohl der Beziehung zwischen Frank und Jessie sowie dem Subplot um die korrupte Polizei genügend Zeit ein, sich entfalten zu können, ohne jedoch Spannungsaufbau und Handlungsfluss der Vorbereitungen rund um den zweiten Überfall und gleichzeitigen Höhepunkt des Filmes zu bremsen. Dieser wird schließlich umfassend präsentiert, wobei es sich gelohnt hat, dass Michael Mann tatsächliche Einbrecher als filmische Berater engagierte. Mit welchen Mitteln und welcher Akribie Frank und Barry ihren Job durchziehen, verdient eine entsprechend detaillierte Bebilderung, die der Film liefert und durchweg spannend hält.

„Thief“ lebt zudem von der Performance James Caans, der vorher insbesondere als Sonny Corleone in „Der Pate“ (1972) bekannt geworden war und seinen Charakter kongenial zwischen liebevoll, genial und gewaltbereit anlegt, garniert mit einer Spur Rätselhaftigkeit. Wenn er mit seinem im Knast sitzenden Mentor Okla (Willie Nelson) fast schon unsicher über seine Gefühle zu Jessie spricht und sich fragt, ob er ihr die Wahrheit über sich erzählen soll, wenn er mit Jessie später in einem Diner ein entsprechendes Gespräch führt oder wenn er in einem Krankenhaus ganz ohne Worte einen Arzt so lange undurchdringlich anschaut, bis es dieser mit der Angst zu tun bekommt, dann ist das ganz großes Schauspiel, welches durch Tuesday Weld, James Belushi und Robert Prosky an den richtigen Stellen ergänzt wird, die jedoch klar hinter Caan zurückstehen, was ihre Leistung keinesfalls schmälern soll.

„Thief“ ist ein paradigmatisches Stück Kino seiner Zeit, ein stylischer Kriminalfilm mit einer ausgedehnten, aber nichtsdestotrotz effektiven Erzählstruktur, maßgeblich getragen von seiner Atmosphäre und seinem enorm starken Hauptdarsteller. Michael Manns Debüt ist zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit geraten, ein Umstand, der sich durch die vorliegende Veröffentlichung nun in der Lage sieht, behoben werden zu können.

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Die Edition: „Thief“ liegt in der „5-Disc Ultimate Edition“ in drei Versionen vor: der originalen Kinofassung von 1981 (auf DVD und BluRay), der so genannten „Special Director“s Edition“ (auf DVD), die Michael Mann 1995 für eine US-Laserdisc-Edition von MGM anfertigte und für die er eine Szene hinzufügte, jedoch an anderen Stellen Schnitte unternahm, um den Erzählfluss zu straffen sowie schließlich den „Director’s Cut“ (auf DVD und BluRay), welchen der Regisseur für die 2014 erschienene US-Criterion Collection anfertigte. Hier integrierte er die zuvor herausgeschnittenen Einstellungen wieder und veränderte zudem das Color-Grading etwas in Bläuliche, was die kühle Atmosphäre des Filmes zusätzlich untermauert. Der „Director’s Cut“ ist damit die längste der drei Versionen und stellt vermutlich Michael Manns definitive Wunschfassung dar.

Dies unterstreichen die verfügbaren Audiokommentare, die sich beide auf den „Director’s Cut“ beschränken, ein gemeinsamer von Michael Mann und James Caan sowie ein gewohnt informativer des Filmwissenschaftlers Marcus Stiglegger. Des weiteren umfasst das Bonusmaterial zwei Interviews mit James Caan, eines von kurz nach dem Dreh des Filmes sowie ein aktuelles, in welchem Caan darüber spricht, wie er zu „Thief“ kam, von den Dreharbeiten berichtet und auch Ansätze einer eigenen Deutung des Filmes gibt. Schließlich sind zwei Dokumentationen Bestandteil der Edition, zum einen „The Art of the Heist“, welche durch die Augen des Schriftstellers und Filmemachers F.X. Feeney Michael Manns Werdegang, seine Prägung, seine frühen Arbeiten, die Produktion von „Thief“, die Einordnung des Filmes in sein Œuvre, den Cast und die Musik beleuchtet sowie eine kurze Interpretation einzelner Szenen liefert, zum anderen „The Directors: The Films of Michael Mann“, der das Werk des Regisseurs bis „Ali“ (2001) unter die Lupe nimmt.

Abgerundet wird das Ganze schließlich durch die Aufmachung der Edition, die zudem ein Poster und ein Booklet enthält, verfasst ebenfalls von Marcus Stiglegger. Die Discs sind in einem aufklappbaren Digipak untergebracht, welches wiederum in einem stabilen Hochglanz-Schuber mit Eyecatcher-Charakter steckt; das FSK-Logo ist auf einem Pappumschlag aufgedruckt, der leicht entfernt werden kann. OFDb Filmworks setzt die hohe Qualität seiner bisherigen Special Editions wie „The Resurrected“ oder „Wenn du krepierst – lebe ich“ fort, und hat, man kann es nicht anders sagen, mit der „5-Disc Ultimate Edition“ von „Thief“ die vermutliche definitive BluRay- und DVD-Edition dieses Filmes geschaffen.

Autor: Jakob Larisch

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