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Margos Spuren (2015) Review

© 20th Century Fox

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Kaum ein Schriftsteller ist momentan bei Teenagern (und Erwachsenen) so beliebt wie der US-amerikanische Jugendbuchautor John Green. Seitdem sein bisher letztes Buch, „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ („The Fault in our Stars“), im vergangenen Jahr erfolgreich von Josh Boone verfilmt wurde, gingen Greens Romane in den Buchhandlungen weg wie warme Semmeln. Der 37-jährige Autor scheint ein Gespür zu haben, sich in die Gefühlslage junger Menschen hineinzuversetzen und interessante Stoffe über das Erwachsenwerden zu entwickeln. Kein Wunder also, dass die nächste Filmadaption nur eine Frage der Zeit war. Mit „Margos Spuren“ (im Englischen: „Paper Towns“) von Regisseur Jake Schreier kommt nun die zweite Green-Umsetzung in die Lichtspielhäuser und verspricht nicht nur dank talentierter Jungschauspieler wie Nat Wolff und Cara Delevingne Coming-of-Age-Kost vom Feinsten.

Quentin Jacobsen (Nat Wolff), von seinen Freunden kurz Q genannt, könnte man nicht gerade als Rampensau bezeichnen. Statt es auf Partys krachen zu lassen, arbeitet der 17-Jährige lieber gewissenhaft an einem erfolgreichen Schulabschluss und versucht, niemandem irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten. Seine Nachbarin Margo Roth Spiegelmann (Cara Delevingne), in die Q seit Kindheitstagen heimlich verliebt ist, scheint da das direkte Gegenbild zu sein und sprüht nur so vor Spontaneität und legendären Geschichten. In ihrer Kindheit waren der introvertierte Q und die abenteuerlustige Margo lange Zeit unzertrennlich. Nach und nach verloren sich die beiden unterschiedlichen Gemüter jedoch zum Leidwesen von Q aus den Augen. Umso erstaunter ist der schüchterne Protagonist, als Margo eines Nachts in sein Zimmerfenster einsteigt und ihn um Assistenz bei einem Rache-Plot gegen ihren Ex-Freund und weitere Schulkameraden bittet. Nach anfänglicher Skepsis willigt Q ein und erlebt eine unvergessliche Nacht voller Abenteuer und Risiken, durch die er seiner geheimnisvollen Nachbarin wieder näher kommt. Eine Nacht, auf die man laut Q aufbauen könnte. Dumm nur, dass Margo am nächsten Morgen plötzlich verschwunden ist. Für ihre Eltern sind die regelmäßigen Ausreißversuche der Tochter nichts Ungewöhnliches mehr; Q bemerkt jedoch, dass Margo überall Spuren bezüglich ihres aktuellen Standorts hinterlassen hat. Will Margo etwa von Q gefunden werden? Gemeinsam mit seinen Freunden Ben (Austin Abrams), Radar (Justice Smith), Angela (Jaz Sinclair) sowie Margos bester Freundin Lacey (Halston Sage) begibt sich Q quer durch die USA auf die Suche nach seiner großen Jugendliebe und den quasi nicht existenten Paper Towns, von denen Margo an ihrem letzten gemeinsamen Abend sprach.

Regisseur Jake Schreier hat mit „Margos Spuren“ einen wundervollen Coming-of-Age-Film geschaffen, der sowohl humorvoll als auch melancholisch die Regeln des Subgenres bedient wie es zuvor schon unter anderem der Jugendfilm-Klassiker „Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers“ (1986) tat. Man könnte fast meinen, Schreier habe eine Art Blaupause auf den Film gelegt, der das allmähliche Heranwachsen und die Entwicklung von Jugendlichen mit all ihren Ängsten sowie Hoffnungen thematisiert. Die auffälligste Veränderung macht dabei sicherlich der vorsichtige Q durch, der zu Beginn der Heldenreise aus seiner Komfort-Zone ausbricht, sich mutig auf die Suche nach seinem Objekt der Begierde begibt um letztlich doch etwas viel Größeres zu finden. Passend dazu lautet der deutsche Werbeslogan zum Film: „Finde mich. Finde dich.“ Doch nicht nur Q allein durchläuft über den Film hinweg eine Entwicklung, die für den Coming-of-Age-Film elementar ist. Auch die sehr gut und komplex ausgearbeiteten Nebencharaktere, durch die sich schon Greens Büchern immer auszeichneten, wandeln sich glaubwürdig im Laufe des Abenteuers und haben ihre Ecken und Kanten. Die Figur der mysteriösen Margo dient dabei besonders als typische Katalysatorfigur, an der die restlichen Charaktere wachsen beziehungsweise über sich hinauswachsen.

Auf der inszenatorischen Ebene macht der Film einen sehr souveränen Job und lässt sich kaum etwas zuschulden kommen. Gerade die anfängliche Glorifizierung Margos durch Qs Erzählperspektive und die steigende, fast schon zerstörerische Obsession des Protagonisten nach dem Objekt der Begierde werden gut dargestellt. Der Rätsel-Plot um die von Margo gelegten Spuren, das Roadtrip-Motiv sowie das Konzept der mysteriösen Paper Towns, die nicht das zu sein scheinen, was sie sind, dienen ebenfalls dem großen Thema der Selbstfindung im Lebensabschnitt des Heranwachsens. Unterlegt werden diese Momente mit leichtem und eingängigem Indie-Pop, der die Situationen zwar gut begleitet, aber nicht lange in den Köpfen der Zuschauer hängen bleiben wird. Die dadurch entstehende, etwas arg überspitzte „YOLO“-Ästhetik (Chat-Akronym für „You Only Live Once“), die der Film in manchen Abschnitten atmet, jedoch wenig später wieder konterkariert, könnte einigen Zuschauern sauer aufstoßen. Rein technisch gesehen überzeugt „Margos Spuren“ jedoch jederzeit mit einer routinierten Inszenierung und toller Bildgestaltung.

© 20th Century Fox

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Bei der Wahl der Besetzung wurde auf eine Mischung aus eher unbekannten Jungschauspielern und derzeit populären Darstellern vertraut. Nat Wolff spielt den anfangs zurückhaltenden, mit der Zeit jedoch immer selbstsicher werdenden Q unfassbar charmant, während man seiner Leinwandpartnerin Cara Delevingne den ausgeflippten Freigeist Margo jederzeit voll abnimmt. Dem aufsteigenden Jungmodel aus England scheint die rebellische Göre quasi auf den Leib geschneidert zu sein. In den Nebenrollen überzeugen besonders Austin Abrams als liebenswerter Chaot Ben und Halston Sage als zuckersüßes, jedoch komplexes Schul-Beauty Lacey. Generell fällt bei „Margos Spuren“ die Dominanz der starken Frauencharaktere Lacey, Margo oder Angela positiv auf. Demgegenüber wirken die Jungs Q, Ben und Radar geradezu sympathisch unbeholfen in ihren Aktionen. Als besonderes Schmankerl dürfen sich Fans der John-Green-Verfilmungen außerdem auf den lustigen Kurzauftritt eines Darstellers freuen, der schon in der ersten Green-Adaption erschien. Wer das wohl sein dürfte?…

„Margos Spuren“ ist ein absolut fluffiger Wohlfühlfilm, der aufgrund der jugendlichen Thematik natürlich hauptsächlich Zuschauer zwischen 14 und 19 Jahren ansprechen soll. Nichtsdestotrotz kann der Film über die jugendliche Selbstfindung, Freundschaft sowie Schein und Sein auch problemlos von Kinogängern jenseits dieser Altersgruppen geschaut werden. Für Fans von John Greens Büchern und den Filmadaptionen ist der Streifen sowieso Pflicht. Und da der Mann mittlerweile auch das Erwachsenenlager mit seinen Jugendromanen begeistert, dürfte einem Kinobesuch in „Margos Spuren“ eigentlich nichts mehr im Wege stehen, oder? 8/10

Autor: Nicolai Gwiasta

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