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Handys im Kinosaal – Eine Streitschrift

© Paramount Home Entertainment (Jennifer Garner in "#Zeitgeist")

© Paramount Home Entertainment (Jennifer Garner in „#Zeitgeist“)

Ein Gespenst geht um in der Kinolandschaft, und nein, an dieser Stelle soll es nicht zum x-ten Mal um das exzessive Franchise-Building der US-Filmstudios gehen. Nicht die Produktionsseite steht im Fokus dieses Essays, sondern die Rezeptionsseite. Das Verhalten von Zuschauern in Kinosälen bei laufendem Film. Und irgendwie nicht nur da.

Aus psychoanalytischer Sicht würde man vermutlich sagen, dass es um den Phallus unserer Generation geht: das Smartphone. Schlimm genug, dass Eltern, die finanziell nicht in der Lage sind, ihren drei blökenden Kindern anständige Klamotten zu kaufen, sich ein iPhone für mehrere Hundert Euro zulegen müssen. Status, ist klar. Schlimm genug, dass kaum ein Jugendlicher mehr im Bus sitzen kann, ohne nicht alle drei Minuten fast schon zwanghaft auf sein Smartphone zu schauen, sofern er nicht ohnehin wie hypnotisiert auf seine Partie „Candy Crush Saga“ starrt oder beginnt, gemeinsam mit seinem ebenfalls minderjährigen Sitznachbarn heimlich das Dekolleté der jungen Frau eine Reihe davor abzufotografieren. Schlimm genug, dass Menschen beim Joggen oder Spazierengehen nicht mehr die Natur um sich herum wahrnehmen, sondern mit entsprechenden Bildern dauerhaft Instagram bespielen, falls sie nicht ohnehin viel zu sehr damit beschäftigt sind, ihre in Echtzeit entstehenden Gesundheitsdaten an multinationale Pharmakonzerne zu verscherbeln. Schlimm genug, dass Menschen, wenn sie im Reichsmuseum in Amsterdam stehen, nicht Rembrandts „Nachtwache“ betrachten, sondern sich den besten Platz für ein Selfie vor Rembrandts „Nachtwache“ suchen, um hinterher auf Facebook über die ästhetische Schönheit des Gemäldes zu schwärmen, dem sie vorher keinen Deut ihrer intellektuellen Aufmerksamkeit geschenkt haben. Und damit schlussendlich: Schlimm genug, dass im Kino während des Filmes Smartphones herausgeholt werden, um einen unfassbar dringenden Tweet über die Qualität von Gartenstühlen abzusetzen. Und nein, nicht während des Abspanns. Während des Filmes. Das Smartphone ist die Zigarette unserer Gegenwart, mit dem Unterschied, dass nicht nur einige, sondern fast alle süchtig sind. Und wenn man mal zwei Stunden ohne auskommen muss, dann wird man im Angesicht des nahenden Endes der temporären Abstinenz so hypersensitiv, dass es nicht mehr möglich scheint, sich zurückzuhalten. Eigentlich wäre es eine treffende Marktlücke, ein Smartphone mit eingebauter Nikotinzufuhr zu entwickeln.

Hier wäre man bei den Gemeinsamkeiten von „Smartphone im Kino“ und „Reden im Kino“ angelangt. Nur dass es sich bei letzterem nicht zwingend um ein Phänomen handelt, welches unabdingbar mit unserer heutigen Zeit verbunden ist. Reden konnten Menschen schon immer, auch wenn sie es früher zumindest im Kino vermutlich dann doch etwas weniger getan haben als heute. So oder so: Beidem liegt ein gewisses, mal mehr, mal weniger ausgeprägtes Maß an Respektlosigkeit zugrunde, sowohl vor den Mitmenschen im Kino wie auch vor dem laufenden Film. Allerdings: Der redende Idiot, sofern er nicht gleich schreit, stört zunächst einmal weniger Menschen, nämlich die um ihn herum, so ärgerlich das auch in jedem einzelnen Fall aufs Neue ist. Der Smartphone-Idiot jedoch stört, je weiter vorne er sitzt, nahezu alle Menschen hinter ihm, deren Blick auf das Telefon nicht zufällig wie unwahrscheinlich durch einen großen oder breiten Kinobesucher versperrt wird. Dieser Störfaktor ist bei 3D-Filmen umso mehr gegeben, als dass das Polarisationsverfahren der 3D-Brillen den Smartphone-Leuchteffekt noch intensiviert.

Man weiß natürlich vorher nie, wie der jeweilige Film werden wird. Sollte man als Zuschauer bei zunehmender Laufzeit an akuter Langeweile leiden, so besteht zunächst die Möglichkeit, schlicht und ergreifend das Kino zu verlassen. Ist blöd, wenn man vorher einen zweistelligen Betrag in den Rachen eines Multiplex-Giganten geworfen hat, aber dabei handelt es sich um ein kalkulierbares Risiko, welches stets mit einem Kinobesuch einhergeht. Die Sneak lässt grüßen. Vor lauter Langeweile aber sein Smartphone aus der Tasche zu ziehen und eine Partie „Angry Birds“ zu beginnen, tötet zwar die eigene Langeweile ab, sorgt aber für zunehmenden Unmut der Mitmenschen. Womit man wieder beim Faktor der Respektlosigkeit wäre.

Damit ist natürlich nicht das Geraschel und Geknusper des Popcorn-Essens gemeint, das gehört zur Erfahrung Kino ja schon fast dazu, ebenso wie lautes und kollektives Loslachen bei witzigen Momenten. Das ist schlicht der willentliche Rausch kollektiver Kinoerfahrungen. Nein, es geht neben unflätigem Gequatsche schlicht um den Umgang mit diesem einen Gerät, welches das neue Jahrtausend so sehr definiert wie kaum ein zweites. Wer in ein Kino geht, hat seine verbalen Äußerungen auf Flüsterlautstärke zu halten und sein Telefon auszustellen. Nicht auf „Lautlos“ oder „Flugmodus“ oder ähnliche Pseudo-Verfahren zur zeitweiligen Geräuschreduktion. Wer telefonieren will, bleibt draußen. Wer seinen Facebook-Status updaten will, bleibt draußen. Wer twittern will, bleibt draußen. Und wer während des Filmes die Uhrzeit wissen will, nehme sich eine Armbanduhr mit. Ganz einfach.

Final geht es darum, seine Mitmenschen zu respektieren, ihren Wunsch zu achten, einen Film auf großer Leinwand mit möglichst keinerlei Störungen zu sehen, dem sie mit dem Kauf einer Eintrittskarte quasi emotionalen Ausdruck verschafft haben. Es geht darum, in einen Film eintauchen zu können, ihn als das immersiv-künstlerische Werk wahrnehmen zu können, was es ist, ohne dabei ständig von hellen Flecken im Zuschauerraum abgelenkt zu werden. Egal ist dabei auch, ob es sich um einen Blockbuster oder einen Independent-Streifen handelt. Ja, Film wird von vielen Menschen als reines Unterhaltungsmedium rezipiert und das ist vollkommen in Ordnung, denn darauf sind viele Kinofilme primär angelegt. Doch egal wie flach, egal wie scheinbar schlecht ein Film ist, es mag immer Menschen geben, die ihn aus welchen abstrusen Gründen auch immer für sich zu würdigen wissen. Jeder, der ein Smartphone inmitten eines Kinofilmes gebraucht, erweist sich in diesem Zusammenhang als sozial vollkommen minderbemittelt mit Hang zu zwischenmenschlicher Anmaßung. Methoden dagegen gäbe es genug: Wer sein Handy während des Filmes aufleuchten lässt, zahlt jedem einzelnen Gast des Kinosaals den vollen Eintrittspreis zurück, das summiert sich schnell auf eine stattliche Summe. Oder man gibt das Mobilfunkgerät an der Kasse ab und erhält dafür eine Nummer, ähnlich wie bei Theatergarderoben. Wird dagegen rebelliert, folgt die physikalische Lektion, wer in der Auseinandersetzung von Smartphone und Bunsenbrenner der Stärkere ist. Oder aber: Störfilter, kleine fiese Vorrichtungen, die in jedem Saal angebracht werden und die automatisch alle Fähigkeiten von Smartphones lahmlegen, um auf diese Weise jeden Kinobesucher an damit verbundenen asozialen Tätigkeiten zu hindern. Wenn man die fünf großen deutschen Kinoketten Cinemaxx, Cinestar, Cineplex, UCI und Kinopolis zusammenrechnet, müssten mehr als die Hälfte der deutschen Kinoleinwände erfasst sein. Das wäre ein Anfang. Und das dumme Gesicht dessen, der versucht, sein Smartphone zu nutzen, gibt’s gratis dazu. Das könnte fast als Entschädigung dienen für die vielen Zeitpunkte, zu denen jemand nicht bereit war, die Regeln des sozialen Miteinanders zu respektieren.

Autor: Jakob Larisch

3 Responses to “Handys im Kinosaal – Eine Streitschrift”

  1. 1
    Lucas Says:

    Da müsste es etwas geben wie in neuen Schwimmbädern. Früher konnte man ja noch ungestört in das Chlorwasser reinpullern, heute gibt es ja extra chemische Verfahren, die Urin automatisch in eine beliebige Farbe färben (siehe Rot, siehe „Take This Waltz) und den Übeltäter bis das Knochenmark blamiert. Nun, was gibt es für eine Möglichkeit im Kino den Smart-User sofort zu peinigen? Ich denke da an 007. Schleudersitz.

  2. 2
    David Spade Says:

    Was für ein Manifest!

    Redende Leute gab’s schon seit ich ins Kino gehe und, das ist vermutlich wenige Jährchen länger als bei dir. Da könnte ich eher den rückwärtigen Trend ausmachen, seit es Smartphones gibt, wird in Kinos weniger geredet. :D
    Ansonsten nervt der ganze Smartphone-Scheiß im Kino ungemein. Bei „normalen“ Handys haben die Leute auch schon häufig geschrieben, aber das waren halt nicht so große und vor allem helle Displays wie früher. Das Publikum sind auch für mich häufig der Grund, warum ich nicht immer den großen Zwang sehe, direkt in der ersten Woche des Blockbusters ins Kino zu gehen, weil sich eben in den vollen Kinos mehr Menschen und daraus folgend auch mehr Idioten rumtreiben. Bei Programmkinos ist das ja auch weniger ein Problem. Ist leider so.

    Wie du das bei Trams und Co siehst, kann ich das schon nachvollziehen. Aber ich habe selbst schon seit Unzeiten bei Fahrten meistens einen Walkman -> Discman -> CD/MP3-Player -> MP3 Player -> Smartphone dabei, um einfach Musik zu hören oder eben so wunderbare Podcasts wie den unseren hören. Bei längeren Fahrten ist es dann immer noch ein Buch oder irgendwelche Texte für die Uni. Auf den kürzeren Fahrten guck ich dann auch schon häufig aufs Smartphone, wenn meine Gedanken kreisen oder ich mich noch über das Album informiere, was ich gerade höre. Oder wenn du irgendwas im TT sagst.
    Reisen oder einfach nur von A nach B kommen ist eben eine unfassbar langweilige Tätigkeit und auch Zeitverschwendung, da find ich’s praktisch mich ablenken bzw. sogar weiterbilden zu können und die Zeit für sowas zu nutzen. Das hat nicht so viel mit Entfremdung der Menschen oder so zu tun, wie das viele andere immer so beobachten wollen ( jetzt nicht bei dir, höre ich nur ab und an mal). Auch vor Smartphones haben Leute in U-Bahnen nämlich keine intellektuellen Gespräche geführt und ihre sozialen Kontakte erweitert. Die haben sich da auch um sich selbst gekümmert und aus dem Fenster geschaut und waren genauso angenervt, wenn der untalentierte Straßenmusiker reinkam und schief gesungen hat. ;)

  3. 3
    David Spade Says:

    Achso,

    gesendet von meinem iPhone.

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