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Filmfestival Max Ophüls Preis 2016: Schnee essen (2016) Review

© Jumafilm / Kunsthaus e.V.

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Max Hegewalds neue Regiearbeit „Schnee essen“ lief auf dem diesjährigen „Max Ophüls Preis“-Festival im Wettbewerb der mittellangen Filme und ist nicht nur wegen seines ungewöhnlichen Titels eine Besonderheit unter den Wettbewerbsbeiträgen. Auch thematisch betritt der Streifen keine ausgetreten Pfade, sondern versucht sich stattdessen an einem schwierigen Thema: Suizid in der Jugend.

Der Film, welcher auf einer wahren Begebenheit basiert, begleitet hierbei drei Mädchen – gespielt von Carolyn Genzkow, Josefine Israel und Lisa Hrdina – die sich über einen Onlinechat kennengelernt haben, bei ihrem grausamen Vorhaben. Mitten in einem abgelegenen Waldstück wollen die jungen Frauen ihren Leben ein Ende bereiten. Die Gründe hierfür werden bestenfalls nur angerissen oder symbolisch dargestellt, für die Handlung des Werks ist diese Obduktion der Motivation jedoch unerheblich. Der Entschluss zur Selbsttötung ist längst gefallen und Regisseur Hegewald konzentriert sich verstärkt auf diesen kleinen Zeitabschnitt kurz vor der Tat. Er interessiert sich mehr für das, was die Personen im Moment ihres Zusammentreffens denken und gliedert die Vorgeschichte der einzelnen Mädchen als kunstvolle Einzelsequenzen in die Handlung ein.

Dadurch wird der Film nicht nur zu einer psychologischen Charakterstudie, sondern auch zu einem sozialen Experiment. Die Mädchen treffen zum ersten Mal auf andere Menschen, die ähnliche Gedanken wie sie selbst hegen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Wie kann eine solche Interaktion festgelegte Denkmuster möglicherweise umschreiben oder verstärken? Diese Fragen treiben Hegewald unter anderem um. Eine Antwort in den knapp 30 Minuten Laufzeit zu finden, ist dabei keine einfache Aufgabe, aber der Streifen findet durch die zeitliche Begrenzung wiederum einen ganz eigenen narrativen und audiovisuellen Zugang zu seinem Thema. Hegewald sieht nicht nur das Bedrückende in seiner Geschichte, sondern ironisiert seine Figurenzeichnung auch immer wieder. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch seine eigenwillige Inszenierung, welche immer wieder den filmischen Hintergrund der Story aufblitzen lässt. Zwar basiert das Werk, wie bereits angemerkt, auf einem wahren Fall, das Endergebnis ist aber ein Film und keine Dokumentation.

„Schnee essen“ ist ein mutiger Film geworden. Nicht einfach nur, weil er ein sensibles Thema anpackt, sondern die Art und Weise der Auseinandersetzung ist entscheidend. Mit einer gesunden Prise Humor und einigen visuellen Kniffen zieht er der Geschichte den depressiven Grund unter den Füßen weg und findet so einen neuartigen, aber auch angemessen Zugang zu einer gesellschaftlichen Dunkelzone. Auch wenn viele Fragen hier unbeantwortet bleiben müssen, ist der frische Blickwinkel definitiv mehr als sehenswert. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge filmisch über Suizid zu erzählen, ist auf jeden Fall eine Besonderheit.

Autor: Max Fischer

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