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Ex Machina (2015) Review

© Universal Pictures

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Bei einer „Sie haben gewonnen!“-Nachricht muss es sich nicht immer um digitalen Müll handeln, den der Spamfilter besser geschluckt hätte. Denn Caleb (Domhnall Gleeson), Programmierer beim Suchmaschinenriesen „Blue Book“, hat das große Los in der firmeninternen Lotterie gezogen, das es dem Gewinner ermöglicht, Genie, Firmengründer und Eremit Nathan (Oscar Isaac) persönlich kennen zu lernen. Einen Hubschrauberflug in die Abgeschiedenheit später findet sich Caleb inmitten einer High-Tech-Villa seinem großen Idol gegenüber, das sich als so genial wie verschroben entpuppt. Dabei bekommt Caleb aber mehr als ein kurzes Händeschütteln und eine Führung durch den Glaspalast; Nathan weiht ihn in seine letzte Erfindung ein – Ava (Alicia Vikander), eine künstliche Intelligenz in Androidengestalt. Als ihr „Vater“ möchte Nathan sehen und erforschen, wie sich Ava gegenüber einer fremden Person verhält, daher bittet er Caleb, sie dem „Turing-Test“ zu unterziehen; eine Versuchsreihe, die veranschaulichen soll, ob eine K.I. zu einem dem Menschen gleichwertigen Denkvermögen fähig ist. Schnell findet sich Caleb in einem Hin und Her zwischen der unschuldig wirkenden Ava und dem immer schroffer auftretenden Nathan wieder, welches den einstmals glücklichen Losgewinner bald an seiner eigentlichen Aufgabe zweifeln und eigene Nachforschungen anstellen lässt.

Drehbuchautor Alex Garland feiert mit „Ex Machina“ seinen Wechsel von der Schreibmaschine auf den Regiestuhl und liefert mit seinem Debüt ein erstklassiges Empfehlungsschreiben für zukünftige Arbeiten hinter der Kamera. Vom Einstieg bis zur letzten Einstellung gleitet der Film in einer angenehm unterkühlten Atmosphäre dahin, die heutigem Sci-Fi-Kino zugunsten von Bombast und Schauwerten gerne mal abgeht und eher an Andrei Tarkowskis „Solaris“ erinnert. Dabei profitiert das Kammerspiel im Besonderen von seinem geschlossenen Setting, denn mit Nathans Luxus-Enklave allein, die sich irgendwo zwischen sterilem Entzugskrankenhaus und gläsernem Ferienhaus einpendelt, können Regisseur Garland und sein Kameramann Rob Hardy die Spannungsschraube weiter anziehen. Früh wird dem Zuschauer klar, dass das durch Schlüsselkarten gesicherte und bis in alle Ebenen verkabelte Haus, so viel Komfort wie Gefahr ausstrahlt. Calebs aalglatt möbiliertes Gästezimmer fühlt sich nicht umsonst an wie eine Luxuszelle, gerade da wegen der unerklärlich auftretenden Stromausfälle die Türverriegelung gerne mal jeden Weg nach draußen versperrt. Hier reichen auch schon simpelste Farbkontraste, um den Urinstinkt des Zuschauers anzusprechen – wenn urplötzlich die eigentliche iPod-weiße Umgebung in das Rot des Notstroms getaucht ist, wird schnell deutlich: Hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Entsprechend befreiend und widersprüchlich präsentieren sich auch die wenigen Naturaufnahmen, wenn es Caleb und Nathan mal nach draußen verschlägt. Hier philosophieren sie über das Gelernte und ihre Ansichten, schaffen es sogar, den sich verbreiternden Graben zwischen ihnen wieder etwas zuzuschütten, nur um zurück im Haus, zurück im Gespräch mit Ava, wieder im gegenseitigen Misstrauen zu versinken.

© Universal Pictures

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Wie jeder Film mit einer solch geschlossenen Location und einer überschaubaren Anzahl an Figuren steht und fällt das Endergebnis mit der letztendlichen Besetzung. Alle drei teilen sich dabei fast die gesamte Leinwandzeit, sind angenehm widersprüchlich angelegt und bekommen vom Script ausreichend Platz, sich auszutoben. Dabei schaffen es Gleesons Caleb und Vikanders Ava selbst scheinbar harmlosen Gesprächen über das Lügen oder das Selbst einen aufgeladenen Unterton zu verpassen, der den Zuschauer jederzeit bei der Stange hält. Alicia Vikander meistert den Drahtseilakt zwischen eigentlich unemotionaler Maschine und neugierigem Mädchen scheinbar mühelos und wenn die Rolle auch sicher nicht die Möglichkeiten bietet, sich als Schauspielerin voll auszutoben, darf man aufgrund ihres „Ex Machina“-Auftritts gespannt sein, welche Rollen in Zukunft auf die Schwedin warten. Selbiges gilt natürlich auch für Oscar Isaac, der breiten Masse spätestens seit „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ein Begriff in seiner Rolle als Rebellenpilot Poe Dameron. Isaac ist auf dem Weg, eine sichere Bank für jede Nebenrolle und eine Bereicherung für jeden Film zu werden, zeigt hier nach „Inside Llewyn Davis“ aber ein weiteres Mal großes Hauptrollenpotenzial. Seine Darstellung des Genies Nathan ist fernab vom coolen Nerd, findet sich stattdessen irgendwo zwischen trunksüchtigem Jock und missverstandenem Eigenbrötler. Als einzige Figur im Film, die zu körperlichen Aktivitäten in der Lage scheint, sei es Training am Boxsack oder eine Tanzeinlage mit seiner Assistentin, sorgt Isaac für die nötige Dynamik und schafft es gleichzeitig, dem bedrohlichen Unterton seiner Figur nur durch seine physische Präsenz Ausdruck zu verleihen.

Und was ist mit den großen Fragen, deren Verhandeln und Beantworten doch gute Science Fiction ausmacht? Hier erlaubt sich „Ex Machina“ den einzigen, kleineren Schnitzer, der verhindert, dass aus Garlands Debüt ein moderner Klassiker und stattdessen „nur“ ein sehr guter Science-Fiction-Film wird. Die aufgeworfenen Fragen ob eine Maschine einen Menschen wirklich täuschen kann, wo diese Ergebnisse hinführen und wie die Zukunft so einer Welt aussehen könnte, verhandelt der Film kompetent und zufriedenstellend, allerdings fehlt hier das Quäntchen Novum, das Etwas an Phantasie, diese Idee weiter über den Film hinaus zu tragen.

Obwohl Garlands Script sein Publikum immer erfrischend ernst nimmt und sogar etwas Vorwissen verlangt, bleibt „Ex Machina“ nach dem Finale eine Pinocchio-Geschichte. Das mag gewollt sein und in diesem Rahmen auch völlig funktionieren, ändert aber nichts daran, dass sich der eine oder andere Zuschauer im Laufe des Films sicher Hoffnungen auf mehr gemacht haben könnte. 8/10

Autor: Simon Traschinsky

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