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Elysium (2013) Review

In einem Interview kurz vor dem Kinostart von „Elysium“ wurde Regisseur Neill Blomkamp von Matt Damon mit den Worten zitiert: „Es ist kein Film mit einer Botschaft, ich will bloß keinen Film mit einer Botschaft.“ Dass es sich hierbei um eine massive Untertreibung handelt, ist jedoch mehr auf mangelnde journalistische Expertise à la „was will uns der Autor damit sagen?“ als auf eventuell fehlende hermeneutische Qualitäten von Damon und Blomkamp zurückzuführen. Natürlich besitzt „Elysium“ eine Botschaft und zwar eine, die es verdient hat gehört zu werden, ja, bei der es sogar nötig ist, die Welt mit ihr zu konfrontieren.

Das Jahr 2154. Nachdem das stetige Bevölkerungswachstum den Planeten nach und nach zugrunde richtete, hat sich die Elite der Reichen auf die paradiesische und mit futuristischer Technik versehene Raumstation Elysium zurückgezogen, während der Großteil der Menschen in Armut auf der despotisch geführten Erde lebt. Polizisten und Beamte sind durch Roboter ersetzt worden, Brutalität ist an der Tagesordnung, die in Slums verwandelten Wohngebiete sind von anarchischer Qualität und völlig überfüllt. Der Fabrikarbeiter Max DeCosta (Matt Damon) wird bei einem Unfall radioaktiv verstrahlt und nimmt sich vor, mit einer restlichen Lebenserwartung von fünf Tagen nach Elysium zu gelangen, da dort die Möglichkeit bestünde, ihn zu heilen. Unterstützen soll ihn dabei der im Untergrund operierende Kriminelle Spider (Wagner Moura), welcher jedoch im Gegenzug von Max verlangt, die Daten aus dem Kopf des Fabrikchefs Carlyle (William Fichtner) zu stehlen. Max willigt ein, ahnt jedoch nicht, dass er damit in ein Komplott zwischen Carlyle und Elysiums Verteidigungsministerin Delacourt (Jodie Foster) geraten ist, welche den ihr unliebsamen Präsidenten Patel (Faran Tahir) stürzen will. Sie reaktiviert den auf der Erde postierten Agenten Kruger (Sharlto Copley), welcher unnachgiebig nach Max fahndet und auch vor dessen Freundin Frey (Alice Braga) nicht halt macht…

Neill Blomkamp erweist sich nach „District 9“ (2009) zum zweiten Mal als visionärer Science-Fiction-Autor und -Regisseur, dem es bravourös gelingt, das Genre als Ausgangspunkt für düster-dystopische Zukunftsvisionen mit einem nicht von der Hand zu weisenden Realismusgehalt zu nutzen. Der Zuschauer wird mit Science-Fiction auf dem Boden der Tatsachen konfrontiert, denn dass die Erde in nicht ganz ferner Zukunft tatsächlich einmal so aussehen könnte, ist gar nicht mal unwahrscheinlich. „Elysium“ kann jedoch auch als Parabel auf das Gesellschaftssystem unserer Zeit gelesen werden: Entfernt man fliegende Transporter und futuristische Waffen aus dem Setting, hat man einen ziemlich genauen Eindruck von der Welt, in der wir heute leben. Die Slums sehen exakt so aus wie ihre realen Vorbilder, das Gesundheitssystem ist völlig kaputt und das Leben gleitet in unkontrollierbare Sphären ab, welche sich in einem Wirrnis aus Kriminalität und Polizeigewalt manifestieren. Blomkamp zeigt daneben Konsequenzen einer fortschreitenden Technisierung, indem er Max mit emotionslosen Polizei- und Beamten-Robotern verhandeln lässt, welche jedweder Menschlichkeit entbehren. Die Reichen schotten sich ab, werden innerhalb eines bewussten Zwei-Klassen-Denkens erzogen und haben jeglichen Kontakt zur eigentlichen Lebensrealität verloren. Wenn man so will, ist „Elysium“ speziell im Angesicht der Wirtschaftskrise die auf die Spitze getrieben Version der „99 zu 1“-Gleichung (1 % der Menschen bilden die finanzkräftige und damit einflussreiche Elite, während die anderen 99 % die negativen Konsequenzen tragen müssen), welche 2011 im Zuge der Occupy-Wall-Street-Demonstrationen entwickelt wurde.

Natürlich muss sich auch „Elysium“ an einigen Stellen den dramaturgischen Gesetzen des Kinos beugen, jedoch hat es in letzter Zeit kaum ein Film geschafft, den Spagat zwischen Sommerblockbuster und politisch anspruchsvollem Actionkino derart versiert zu meistern, vor allem ohne in Pathos oder gar Kitsch abzudriften. Brillante Actionsequenzen und ein hochaktueller Subtext reichen sich die Hand, daneben sieht der Film einfach fantastisch aus, der teilweise fast dokumentarisch anmutende Stil passt sich perfekt der geerdeten Atmosphäre an. Die vermutlich nicht von der Hand zu weisenden CGI-Effekte sind niemals zu bemerken, das Setdesign ist herausragend und sehr einfallsreich gestaltet, womit der Film auf allen Ebenen genügend Potenzial für ein mehrmaliges Anschauen bietet.

Matt Damon liefert eine gute Leistung ab, durch welche sein Charakter einwandfrei abgedeckt wird, Jodie Foster kann sich jenseits eines eiskalten Gesichtsausdrucks nicht weiter profilieren, die Rolle der Ministerin Delacourt sollte ihr nicht allzu viel abverlangt haben. Zwei Schauspieler verdienen in Bezug auf „Elysium“ jedoch besondere Erwähnung: Zum einen Wagner Moura, der seinen zwischen Genie und Wahnsinn schwankenden Spider durch ein nuanciertes Spiel herausragend verkörpert. Das wahre Highlight des Films ist jedoch der bereits aus „District 9“ bekannte und aus dem Cast massiv hervorstechende Sharlto Copley, der den Antagonisten Kruger mit einer derartig skrupellosen Bösartigkeit verkörpert, dass man nicht eine Sekunde daran zweifelt, es hier mit einem absolut irre gewordenen Psychopathen zu tun zu haben.

„Elysium“ transportiert das politisch anspruchsvolle und brisante Actionkino auf eine Ebene, welche trotz ihrer futuristischen Verankerung aktueller nicht sein könnte und dystopische Zukunftsvisionen mit einem realistischen Fundament verknüpft. Ein wichtiger und für das Verständnis unserer heutigen Gesellschaft bedeutender Film, dessen potenziell prophetische Bedeutung sich erst noch zeigen könnte.

Autor: Jakob Larisch

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