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Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012) Review

„Möge das Glück stets mit euch sein!“ Das war es im Falle von Suzanne Collins auch ganz bestimmt, denn die amerikanische Jugendbuchautorin hat mit ihrer Buch-Trilogie „Die Tribute von Panem“ (OT: „The Hunger Games“) phänomenale internationale Erfolge gefeiert, die Umsatzzahlen reichten sogar bis an die der „Bis(s)“- und der „Harry Potter“-Reihe heran. Natürlich wurde da auch Hollywood schnell hellhörig und Lionsgate sicherte sich die Filmrechte, sodass nun im Frühjahr 2012 nicht einmal dreieinhalb Jahre nach Erscheinen des ersten Buches eine filmische Adaption in den Lichtspielhäusern ihren Einzug hält. Und das bisher vor allem in den USA auch überaus erfolgreich, denn rund 70% der Einnahmen stammen aus dem Land der Stars and Stripes, eine Endsumme von rund einer halben Milliarde US-Dollar wird mittlerweile prognostiziert. Aber was ist dran am Hype? Und vor allem eine Frage drängt sich mal wieder auf, wenn Hollywood erneut zum Großangriff auf Box-Office-Rekorde bläst: ist die Umsetzung auch in künstlerischer Hinsicht gelungen? Doch gegenüber den größten Pessimisten unter euch kann ich bereits an dieser Stelle Entwarnung geben: es lohnt sich durchaus, ein Ticket für den Film zu lösen. Man sollte aber wissen, auf was für einen Film man sich einlässt.

Ich glaube die letzte Filmadaption eines erfolgreichen Romans bei dem ich den Roman bereits vor seiner Filmumsetzung gelesen hatte, liegt bei mir schon etliche Jahre zurück. Chris Columbus‘ „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ dürfte das wahrscheinlich gewesen sein. Doch nachdem mich die Trailer zu „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ und der Hype um die kommende Adaption neugierig auf die literarische Vorlage gemacht hatten, fasste ich mir dann doch endlich wieder ein Herz und las den ersten Band der Reihe vor seiner filmischen Adaption. Das Resultat war Begeisterung, denn trotz der Tatsache, dass sich „Die Tribute von Panem“ eher an ein jüngeres Zielpublikum richtet und dass die Romantik-Anteile doch irgendwo im Erfolg der „Bis(s)“-Bücher begründet liegen, punktet der erste Roman vor allem mit einem gnadenlos spannenden Plot, der es fast unmöglich macht, mit dem Lesen aufzuhören. Das Ausgangsmaterial bietet also genügend Potenzial, um einen ordentlichen Film auf die Beine zu stellen. Doch um was geht’s eigentlich in „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“?

Das Nordamerika der Zukunft ist kein guter Ort zum Erwachsenwerden: die 16-jährige Katniss Everdeen (findet eine gute Balance zwischen Entschlossenheit und Verletzlichkeit: Jennifer Lawrence) lebt mit ihrer jüngeren Schwester Primrose und ihrer Mutter in einem von zwölf Bezirken, die das sogenannte Kapitol umgeben. Die USA und Kanada sind Geschichte, das nunmehr faschistisch regierte Land trägt den Namen „Panem“, in Anlehnung an das Rom der Antike, in welchem unter dem Motto „Panem et circenses“ (Brot und Spiele) u.a. mit Gladiatorenkämpfen die Massen beschwichtigt und unterhalten worden waren. Buchautorin Suzanne Collins geht in ihrer Sci-Fi-Dystopie dann sogar soweit, dass sie dem (vermeintlichen) Reality-TV und den TV-Casting-Shows der Gegenwart einen bitterbösen Spiegel vorhält und die Pervertierung der Fernseh-Unterhaltungsmaschinerie in ihrer Romantrilogie thematisiert: jeder der zwölf Distrikte von Panem muss alljährlich ein Mädchen und einen Jungen zwischen 12 und 18 Jahren ins Kapitol entsenden, damit sich dort die 24 Tribute genannten Jugendlichen bis aufs Blut bekämpfen, bis am Ende nur ein Sieger übrig bleibt. Quasi Gladiatorenkämpfe in Zeiten von Big Brother und DSDS. Und wie es das Schicksal eben will, wird Primrose bei der jährlichen Hungerspiel-„Ernte“ als weiblicher Tribut ihres Distrikts ausgewählt. Katniss jedoch meldet sich freiwillig an Stelle ihrer Schwester und wird gemeinsam mit dem gleichaltrigen Peeta Mellark (Josh Hutcherson), dem männlichen Tribut, ins Kapitol entsandt, um dort an den Hungerspielen teilzunehmen, die landesweit rund um die Uhr ausgestrahlt werden und lediglich dazu dienen, den Distrikten die Macht zu demonstrieren, die das Kapitol über eben jene verfügt, indem es sie dazu auffordert, einmal im Jahr zwei ihrer Kinder bei einem blutigen Wettstreit zu opfern. Unterstützung in ihrer Vorbereitung auf das, was sie in der etliche Meilen umfassenden Arena dann erwarten wird, erhalten Katniss und Peeta dann von der PR-geilen Effie (fast nicht wiederzuerkennen: Elizabeth Banks), Mode- und Entertainment-Spezialist Cinna (Rocksänger Lenny Kravitz, der wohl einzige Mann der Welt, der sogar mit goldenem Eyeliner noch cool aussieht) und dem fast Vollzeit Betrunkenen Haymitch (grandios wie immer: Woody Harrelson), der in seiner Jugend einer der Wenigen war, der jemals die nunmehr zum 74. Mal stattfindenden Hungerspiele zu Gunsten des 12. Distrikts entscheiden konnte und nun wichtige Überlebensstrategien für die beiden Jugendlichen parat hält.

Die Regie bei der mit 78 Millionen US-Dollar im Vergleich zu anderen Blockbustern relativ niedrig budgetierten Adaption des ersten Romans von Collins‘ Erfolgstrilogie übernahm Gary Ross, der sich mit Filmen wie „Pleasantville“ und „Seabiscuit“ zwar einen Namen machen konnte, aber in Hollywoodkreisen nicht gerade als Fachmann für Filme mit Kassenmagnet-Potenzial gilt. Dass die ihm zur Verfügung gestellten Millionen doch zunächst einmal ausreichen müssen, liegt natürlich primär in der Gefahr begründet, einen kapitalen Flop hinzulegen, wie es seinerzeit die Verfilmungen von „Eragon“ oder „Tintenherz“ bedeuteten. Gerade die Effekte lassen daher aber an einigen Stellen stark zu wünschen übrig. Im Großen und Ganzen ist Ross jedoch eine solide Adaption gelungen. Drehbuchtechnisch wurden sinnvolle Kürzungen vorgenommen, was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass Collins selbst am Drehbuch mitgewirkt hat.

Die grundlegenden Themen mit denen sich sowohl das Buch als auch der Film auseinandersetzen sind die Fragen danach, was wahrhaftig und was gestellt/inszeniert ist: sind Katniss und Peeta ein Liebespaar oder ist ihre Liebe nur vorgegaukelt und dient dazu, die Sympathien des Publikums zu gewinnen? Wer handelt aus welchen Gründen, wer handelt egoistisch, wer altruistisch? Kann Liebe aus Rebellion hervorgehen oder Rebellion aus Liebe? Kann man in Zeiten der Gewalt seine Menschlichkeit und seine Seele/Identität bewahren? Im Besonderen thematisieren Buch und Film demnach natürlich die Glaubwürdigkeit von Reality-Entertainment und die Funktionsweise dieses modernen Opiums fürs Volk. Um insgesamt den Eindruck von Unmittelbarkeit zu erwecken, sodass auch der Kinozuschauer glaubt, er befände sich „mittendrin statt nur dabei“, hat sich Ross dazu entschieden, dem Film eine für eine Jugenbuch-Verfilmung sehr eigenwillige Optik zu verabreichen: „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ wirkt teilweise wie Teil 2 und 3 der „Bourne“-Trilogie, in welchen bereits Regisseur Paul Greengrass eine hyperschnelle Schnittfrequenz zelebrierte. Der Kamera-Dokumentarstil erinnert dann manchmal gar an Found Footage-Filme à la „Cloverfield“. Doch der pseudo-dokumentarische Stil steht dem Film und seiner Thematik gut zu Gesicht. Auch wenn die ständigen Schärfeverlagerungen und die ruckartige, hektische Kameraführung, die zumeist sehr nah an den Darstellern dran ist, dem Zuschauer teilweise viel abverlangen (gerade auf der großen Leinwand kann dies schon fast zu Kopfschmerzen führen) gewöhnt man sich mit der Zeit an die gewählte Ästhetik. Ein paar establishing bzw. re-establishing shots mehr hätten dem Zuschauer aber eine oftmals dringend notwendige bessere Übersicht über das Geschehen auf der Leinwand gewähren müssen. Daher muss sich der Film gerade im Bezug auf seine Actionsequenzen den Vorwurf der Unübersichtlichkeit gefallen lassen, welche dann sogar so weit geht, dass die übertriebene Kamera- und Schnitt-Dynamik dazu führen, dass keine tatsächliche Actiondynamik sondern teilweise lediglich ein unübersichtliches Gerangel und Tohuwabohu auf der Leinwand zu bestaunen ist.

In den emotionalen Momenten macht der Film dann aber fast alles richtig: gerade der Tod eines liebgewonnenen Charakters und die anschließende Distrikt-Reaktion, der Auftakt der Spiele mit seinem durch Mark und Bein gehenden Countdown und der beeindruckenden Startsequenz, in welcher die Geräuschkulisse fast gänzlich zurückgedreht worden ist, um den massakerhaften Beginn zu intensivieren, und auch die Halluzinations-Sequenz sind überaus gelungen. Ebenfalls großes Lob hat der Film dafür verdient, wie er den Wegfall der im Buch benutzten Ich-Perspektive von Katniss kompensiert: anstatt lediglich das Geschehen in der Arena zu zeigen, gibt es Zwischenschnitte ins Kapitol und Rückblenden, die dem Zuschauer die Hintergründe transparenter machen. Positiv hervorzuheben sind außerdem der sehr atmosphärische und niemals aufdringliche Score von James Newton Howard und das starke Finale, das seine Raffung mit Hilfe eines exzellenten Musikeinsatzes („Marissa Flashback“ aus dem „Wer ist Hanna?“-Score von den Chemical Brothers, hier in leicht abgewandelter Form) kaschiert. Für einen FSK 12- (bzw. PG-13-) Film ist Ross‘ Adaption dem Buch entsprechend erfreulicherweise sogar relativ blutig geraten, auch das Produktionsdesign weiß zu überzeugen und die vielleicht etwas zu überkonstruierte Story punktet mit einem guten Spannungsaufbau. Die Kostüme der Kapitol-Bewohner sehen gewollt trashig aus, doch richtig mies sind die Effekte bei den „brennenden“ Outfits von Katniss und Peeta, hier wäre wirklich mehr drin gewesen, zudem sieht dann im direkten Vergleich der Waldbrand in der Arena auch wieder richtig gut aus. Ebenfalls etwas zwiespältig sind die Leistungen der Jungdarsteller geraten: wo Hutcherson und Lawrence ihre Sache noch richtig gut machen, weiß bei den weiteren Tributen lediglich noch die junge Amandla Stenberg als Rue zu überzeugen. Klar, einigen Charakteren wird eine so geringe Screentime gewährt, dass sie überhaupt keine Möglichkeit haben, sich tatsächlich zu bewähren, aber gerade die Darsteller der sogenannten Karrieros aus den edleren Distrikten zerstören durch unpassendes Lachen und Overacting einen Teil der ansonsten durchweg gelungenen Atmosphäre. Und mal ganz ehrlich: was soll eigentlich der unglaublich bescheuerte Zeitlupen-Effekt bei den auf die Minen herunterfallenden Äpfeln? Allerdings muss man Ross und seinem Team noch ein weiteres großes Kompliment aussprechen: die im Buch arg trashig anmutenden, durch das Kapitol genmanipulierten Tiere fügen sich im Film sehr harmonisch und weitaus glaubwürdiger ins Gesamtbild ein.

Nach Ende der 142 Minuten Spielzeit erweckt der Film dann den Eindruck, dass man gerade trotz der beachtlichen Länge in viel zu kurzer Zeit viel zu viel und das auch noch viel zu sehr gerafft erlebt hat. Die Welt, in die man als Zuschauer hineingeworfen wird, entwickelt keine sogartige Atmosphäre wie es beispielsweise Peter Jackson seinerzeit mit „Der Herr der Ringe“ gelungen war, doch das war im Vorfeld auch nicht zu erwarten. Trotz einiger Schwächen ist Gary Ross aber eine überaus solide, da sehr spannende und unterhaltsame Jugendbuch-Adaption gelungen. Glücklicherweise hat er dies auch ohne glattgebügelte Hochglanzoptik erreicht, der raue Stil der Bilder ist zwar nicht jedermanns Sache, funktioniert aber meistens exzellent. Jennifer Lawrence und Josh Hutcherson machen ihre Sache erwartungsgemäß richtig gut und können auf die Unterstützung von Stanley Tucci, Donald Sutherland, Woody Harrelson und Wes Bentley zählen. Die wichtigsten Teile der Buch-Handlung wurden im Film übernommen, wobei es natürlich wie bei jeder anderen Adaption auch wieder schade ist, dass vieles keine Erwähnung fand. „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ ist zwar leider nicht der erwartete ganz große Wurf geworden, aber da beim nächsten Film dank des grandiosen Einspielergebnisses wohl mit einem noch höheren Budget zu rechnen ist und sogar die Möglichkeit eines Regie-Wechsels besteht, darf man weiterhin gespannt der Dinge harren, die da kommen mögen. Man soll mich an dieser Stelle bitte nicht falsch verstehen, denn Gary Ross hat einen durchaus guten Job gemacht, allerdings schmälern die zwischen überaus gelungen und arg durchwachsen anzusiedelnden Effekte den Gesamteindruck: die Außenaufnahmen des Kapitols und die TV-Übertragungs-Zentrale überzeugen auf ganzer Linie, doch Katniss Everdeen, „das Mädchen, das in Flammen steht“, hätte stylischere Flammenauftritte verdient gehabt. Doch auch im Jahr 2012 scheint digitales Feuer Effektspezialisten immer noch vor große Probleme zu stellen. Aber sei’s drum. Von mir gibt’s trotzdem eine Empfehlung. „May the odds be ever in your favor!“


Via YouTube
Autor: Markus Schu

One Response to “Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012) Review”

  1. 1
    Sebastian Says:

    Ich hab ne Zeit lang überlegt, was man dazu kommentieren könnte… letztendlich bin ich zu dem Ergebnis gekommen das ein Wort reicht: „Passt!“

    Auch wenn bei meinem bescheidenen Halbwissen nicht jeder Vergleich zu anderen Regisseuren oder Filmen angekommen ist (ich werde mein Filmwissen in nächstger Zeit definitiv erweitern müssen), so stimme ich der Kritik insgesamt zu und freue mich schon auf den nächsten Beitrag :=)

    Weiter so!

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