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Die Taschendiebin (2016/2017) Review

© Koch Films

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Park Chan-Wook ist einer der ganz Großen des koreanischen Gegenwartskinos, der sich insbesondere mit seiner so genannten „Rache-Trilogie“ („Sympathy for Mr. Vengeance“, 2002; „Oldboy“, 2003 und „Lady Vengeance“, 2005) einen Platz im Herz von Cineasten sicherte, womit man von anderen markanten Filmen wie „Joint Security Area“ (2000) und „I’m a Cyborg, but That’s Okay“ (2006) noch gar nicht gesprochen hat. Ein derart nachhaltiger Ruf lässt gern einmal Hollywood aufhorchen und so durfte Park parallel zum US-Remake seines vermutlich bekanntesten Films „Oldboy“ im Jahre 2013 seinen ersten Ausflug in das US-amerikanische Filmgeschäft machen. Nach dem trotz toller Besetzung nur mäßig überzeugenden Ergebnis „Stoker“ wendet er sich mit seinem neuen Werk „Die Taschendiebin“ (auch unter dem internationalen Verleihtitel „The Handmaiden“ bekannt) nun wieder seinem Heimatland Südkorea zu. Das Ergebnis ist dabei nicht weniger als ein schlichtweg grandioser Film.

Die Story ist im Korea der 1930er-Jahre situiert, welches zu jener Zeit unter japanischer Besatzung stand, wobei die historischen Hintergründe zwar Erwähnung finden, man sich jedoch nicht zwingend mit ihnen auskennen muss, um den Film nachvollziehen zu können (alles andere hätte die internationale Auswertbarkeit des Filmes vermutlich zu sehr erschwert). Ein professioneller Trickbetrüger (Ha Jung-Woo) will mit Hilfe der als Dienstmädchen verkleideten titelgebenden Taschendiebin (Kim Tae-Ri) an das Erbe einer japanische Aristokratin (Kim Min-Hee) kommen, was durch eine Liebesaffäre der beiden Frauen verkompliziert wird. Diese Dreiecksgeschichte wird dabei zwei Mal aus einer jeweils unterschiedlichen Perspektive erzählt, die sich beide gegenseitig ergänzen und schließlich final in einen gemeinsamen dritten Erzählstrang münden. Dieser narrative Kniff erlaubt es dem Regisseur, die Erwartungen des Publikums immer wieder gekonnt zu unterlaufen und den Film für eine Mehrfachrezeption zu öffnen. Es lohnt sich, im ersten Teil bzw. der ersten Perspektive kleine visuelle Hinweise zu beachten, die zunächst keinen Sinn zu ergeben scheinen und sich im Zuge der Handlung schließlich aufklären, so dass am Ende ein kohärentes Bild des Geschehens entsteht.

© Koch Films

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Was ist real, was ist nur Schein? Diese Frage durchzieht den Film, wechselnde Allianzen zwischen den Figuren gehen Hand in Hand mit ihren wechselnden Plänen, die dem Zuschauer oftmals verspätet präsentiert werden, so dass jeder Twist eine weitere Neubewertung des bereits Gesehenen erfordert. Wie jeder unzuverlässig erzählte Film ist damit auch „Die Taschendiebin“ eine subversive Aussage über versteckte Machtverhältnisse, die das Publikum erst am Ende in ihrer Gänze zu durchschauen vermag. Jede Wendung, die zunächst einen Teil des dramaturgisches Geflechtes löst, wirft zugleich immer wieder auch die Unsicherheit auf, wem zu trauen ist, wer bislang die Wahrheit erzählt hat, wessen Intentionen gerade die Oberhand besitzen, kurz: wer und was der eigentliche Motor der Handlung ist, wer und was die Triebfeder des Geschehens darstellt.

So wird man als Zuschauer auf seine eigene gesellschaftliche Position zurückgeworfen, auf seine eigene Eingebundenheit in unsichtbare Machtverhältnisse, die das Leben unbemerkt strukturieren. Die Handlung reflektiert diesen Umstand, es geht auf sehr direkte Weise um versteckt und offen ausgeübte Macht, um die langwierige Emanzipation von den Machthabenden und auf diese Weise um einen quasi-revolutionären Gestus, der im Film maßgeblichen Ausdruck im Kampf um die Befreiung von sexueller Bevormundung und Unterdrückung findet. Mit „Die Taschendiebin“ hat Park Chan-Wook ein faszinierendes und exzellent durchdachtes Verwirrspiel um Erotik, Verrat und Liebe vorgelegt, ein früher und zugleich markanter erster Höhepunkt des Kinojahres 2017.

Autor: Jakob Larisch

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