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Der Babadook (2015) Review

© capelight pictures

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Gruselfans aufgepasst, mit Jennifer Kents cleverem Indie-Horrorfilm „The Babadook“ hat es eine echte Genreperle in die deutschen Lichtspielhäuser geschafft, die aufgrund ihrer eher unkonventionellen Machart und einer teilweise kaum zu ertragenden Intensität auch eingefleischte Genrefans überraschen dürfte. Interessanterweise ist die Gruselfilm-Hülle in der Tat etwas irreführend, da es sich viel mehr um ein teils berührendes, aber eben auch sehr verstörendes Depressions-Drama handelt. Wer im letzten Monat bereits mit „Cake“ seine Probleme hatte, sollte um den „Babadook“ daher einen großen Bogen machen.

Auch sechs Jahre nach dem Tod ihres Mannes hat die alleinerziehende Mutter und Altenpflegerin Amelia (Essie Davis) noch nicht zurück ins Leben gefunden. Sie ist von schweren Depressionen geplagt und wird zusätzlich von ihrem hyperaktiven Sohn Samuel (Noah Wiseman) jeden Tag auf harte Geduldsproben gestellt. Die Situation spitzt sich weiter zu, als eine Schauergeschichte namens „Mister Babadook“ bei Samuel ungemein reale Albträume evoziert, die auch im wachen Zustand nicht so recht aufhören wollen. Er wird zunehmend ängstlicher und gewalttätiger, weshalb Amelia ihn schließlich von der Schule abmelden muss. Zunächst misst sie den schrecklichen Albträumen ihres Sohnes keinerlei Bedeutung zu, doch dann klopft plötzlich der Babadook mit unerbittlicher Härte an ihre Haustür…

Gleich die ersten Einstellungen verdeutlichen, dass die Regisseurin und Drehbuchautorin Jennifer Kent an einer generischen Abarbeitung standardisierter Gruselfilm-Klischees keinerlei Interesse hat und stattdessen die posttraumatische Störung ihrer faszinierenden Hauptfigur konsequent ins Zentrum der Handlung rückt. Wir erleben einen typischen Tag aus dem Leben der psychisch kranken Frau, die von ihrem hyperaktiven Sohn regelmäßig in den Wahnsinn getrieben wird. Die ADHS-Anfälle werden von Noah Wiseman überzeugend auf die Leinwand gebracht und können – unterstützt durch eine hervorragende Inszenierung – ihre psychische Belastung auch auf Zuschauerebene entfalten. Bereits nach kurzer Zeit ist man daher in der Lage, sich mit Amelia zu identifizieren und relativ schnell zu verstehen, weshalb ihr Gesicht jeglichen Anflug von Freude vermissen lässt. Das Mutter-Dasein wirkt in „Der Babadook“ zunächst schlicht und einfach wie das Schlimmste, was einer Frau in ihrem Leben passieren kann. Allerdings macht die Mutter-Sohn-Beziehung im Verlauf der Handlung eine große Entwicklung durch und man beobachtet als Zuschauer gebannt, wie sich Amelia aus ihrer nervenzerrenden Depression zu befreien versucht. Dank einer hervorragenden und ungemein authentischen schauspielerischen Leistung von Essie Davis ist der Film teilweise nur schwer zu ertragen und geht mit seinem psychischen Effekt somit weit über die Intensität vergleichbarer Produktionen hinaus.

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Inszenatorisch unterläuft Jennifer Kent mit der Spielfilmadaption ihres Kurzfilms „Monster“ (2005) immer wieder die herrschenden „James-Wan-Standards“ und entwirft ihr Schreckensszenario selbstbewusst völlig befreit von Jump Scares oder ähnlichen Schock-Garantie-Effekten. Diese Subtilität tut der finsteren Atmosphäre des Streifens unglaublich gut und verhilft auch dem titelgebenden Babadook – dessen Auftritte Jennifer Kent übrigens sehr sparsam und daher mit maximalem Gruseleffekt platziert– zur verstörenden Entfaltung seines Gruselpotentials. Der Babadook dient als stimmige Metapher für Amelias Kampf gegen ihre Depression und die schmerzhafte Erinnerung an den verstorbenen Ehemann – hier eröffnen sich mit fortlaufender Spieldauer immer neue interessante Interpretationsansätze. So ließen sich beispielsweise schon allein über die Rolle der immer wieder auftauchenden Sexualität problemlos ganze Aufsätze schreiben, auch wenn ich mir das an dieser Stelle erspare.

Erfreulicherweise kommt „Der Babadook“ in mancherlei Szene zudem überraschend selbstreflexiv daher und bietet daher auch Hardcore-Cineasten genug Material, um nach dem Kinobesuch vor ihren Freunden anzugeben. Von Georges Méliès über „The Shining“ und den „Exorzist“ deckt Jennifer Kent tatsächlich die gesamte Entwicklung des Horrorkinos ab, ohne dabei mit dem Holzhammer zu schwingen. Die Zitate sind angenehm subtil in die Handlung eingewoben, weshalb der Film keineswegs zur bloßen Meta-Spielerei verkommt und seine Eigenständigkeit somit zu jeder Filmsekunde behält. Ansehen!

Abschließende Anmerkung:  Genrefans, Berufs-Nerds und Freunde origineller Kinderliteratur konnten sich das böse Buch bis vor Kurzem übrigens noch für wenig Geld im Internet bestellen…

 Autor: Jonas Hoppe

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