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Demolition – Lieben und Leben (2016) Review

© 20th Century Fox

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Gleich vorweg: Ich bin ein großer Fan vom Stil Jean-Marc Vallées und mochte (natürlich) sein Meisterwerk „Dallas Buyers Club“, aber auch „Wild – Der große Trip“ und sogar „The Young Victoria“, der seinerzeit bei einem Großteil der Kritik leider nur wenig Anklang fand. Vallées neuer Film „Demolition – Lieben und Leben“ (Danke für den blöden deutschen Zusatztitel!) wurde namhaft produziert (u.a. von John Malkovich, Sidney Kimmel und Jason Reitman) und glänzt mit einem ebenso hochkarätigen Cast: Die wandlungsfähige Urgewalt Jake Gyllenhaal, die ewig unterschätzte und stets grandiose Naomi Watts und der ebenso fantastische Chris Cooper adeln mit ihrem tollen Schauspiel das Feel-Good-Drama (ja, schon irgendwie paradox, aber im Prinzip am zutreffendsten) des kanadischen Regisseurs.

Der Film läuft noch keine fünf Minuten, da stirbt auch schon Julia (Heather Lind), die Ehefrau unseres Hauptcharakters Davis Mitchell (Jake Gyllenhaal) bei einem Autounfall. Davis überlebt als Beifahrer wie durch ein Wunder nahezu unverletzt. Auf dem Flur der Intensivstation des Krankenhauses, in welchem seine Ehefrau soeben verstorben ist, wirft er vier Vierteldollar-Münzen in einen Süßigkeiten-Automaten und erhält nicht das gewünschte Produkt, weil es im Automaten klemmt und partout nicht herunter fallen will. Während Julias Eltern Phil (Chris Cooper) und Margo (Polly Draper) versuchen, auf ihre Art mit dem Verlust der geliebten Tochter umzugehen, wählt Davis einen gänzlich anderen Weg: Er schreibt Beschwerdebriefe an den für den defekten Automaten zuständigen Hersteller und landet somit beim Kundenservice – repräsentiert durch Karen Moreno (Naomi Watts), quasi-alleinerziehende Mutter des pubertierenden Chris (Judah Lewis) und unglücklich liiert mit Carl (C.J. Wilson), Besitzer der Automatenfirma. In seinen Briefen geht Davis hart mit sich selbst ins Gericht: Hat er Julia denn (wahrhaftig) geliebt oder überhaupt gekannt? Warum kann er nicht den Umständen entsprechend trauern? Warum fühlt er sich so taub? Warum ist er so oberflächlich und unaufmerksam? Eine leise Freundschaft zwischen Karen und Davis entfaltet sich, in deren Verlauf beide erkennen müssen, was es bedeutet, ehrlich zu anderen und zu sich selbst zu sein. Und den Ratschlag seines Schwiegervaters, manche Dinge erst einmal komplett auseinander nehmen zu müssen, um zu verstehen, warum sie nicht mehr funktionieren, nimmt Davis sehr, sehr wörtlich und ernst: Kühlschränke, Toilettenkabinen, Computer – nichts ist vor ihm sicher. Davis nimmt sich alles zur Brust, was kaputt ist oder nicht mehr richtig funktioniert – auch sein Leben und seine Ehe…

© 20th Century Fox

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Jean-Marc Vallée kann einfach nicht scheitern. Dafür ist sein Stil viel zu un- und außergewöhnlich. Auch „Demolition“ hat er wieder aus den bekannten Zutaten zusammen gemixt und in Bryan Sipes Drehbuch hat er sicherlich einen guten Ausgangspunkt für seine Erzählweise gefunden: Die Narration gestaltet sich an vielen Stellen wieder einmal elliptisch, auf der Zeitachse wird hin- und hergesprungen und das Editing darf in diesem Zusammenhang (neben den hervorragenden Darstellern) wieder einmal als Herzstück seines Filmes betrachtet werden. Zudem hat er seine Story noch mit allerhand anderen audiovisuellen und erzählerischen Spielereien versehen: Mal wird z.B. auf der Tonebene die Atmo komplett zurück gedreht und wir befinden uns quasi direkt in der Wahrnehmung der Hauptfiguren; oftmals erleben wir so auch die Tagträumereien und Erinnerungen von Davis aus erster Hand und müssen Imaginiertes von Realem trennen. Unbedingt erwähnenswert ist übrigens eine tolle Musikcollage, in welcher der tanzende Jake Gyllenhaal mit seinen lustigen Moves für ein breites Grinsen beim Publikum sorgt.

© 20th Century Fox

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„Demolition“ ist im Prinzip eine einzige Metapher für Zerstörung und Wiederaufbau (und somit für einen Neubeginn) und zeigt letztendlich im Laufe seiner Handlung immer mehr vom selben, wodurch sich ein gewisses repetitives Element in die Narration einschleicht. Man könnte Vallées Film demnach sowohl eine metaphorische Überfrachtung als auch diesbezüglich eine gewisse Einfachheit vorwerfen, würde dem Film dadurch aber nicht wirklich gerecht werden. Zu ambitioniert, zu eigenwillig, ideenreich und schlicht und ergreifend besonders gestaltet sich sein ungewöhnlich inszeniertes Drama, das zwar durchaus tiefgehender, komplexer, ja auch emotionaler hätte sein können, aber nichtsdestoweniger gut und vor allem rund erzählt worden ist und sein grundlegendes Konzept über die gesamte Laufzeit hinweg durch exerziert. Auch wenn ich nicht jeden Plotpoint mochte und mir durchaus weitere, neue Akzente gewünscht hätte: „Demolition“ beinhaltet die Jean-Marc-Vallée-DNA, die bereits „The Young Victoria“, „Dallas Buyers Club“ und insbesondere „Wild“ erzählerisch auszeichnete und den Filmen so einen ganz eigenen Charme und Charakter verlieh.

Traumabewältigung mal anders: Hier hat ein eigenwilliger Regisseur mit einem starken Drehbuch und einem hervorragenden Cast einen sehr guten Film abgeliefert – altbewährt und unkonventionell zugleich. Freunde seiner vorangegangenen Werke sollten unbedingt einen Blick riskieren. 7/10

Autor: Markus Schu

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