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Coraline (2009) Review

Ein Mädchen, das durch widrige Umstände in eine Fantasiewelt eintaucht? Ein Kater, der dem Mädchen Ratschläge gibt und eine Welt voller irrer Gestalten? Klingt nach Alice im Wunderland? Ist es aber nicht, sondern Henry Selicks („The Nightmare Before Christmas“) wunderbare Adaption von Neil Gaimans Roman „Coraline“. Der Stop-Motion Film aus dem Jahr 2009 gehört meiner Meinung nach zu einem der besten und skurrilsten Animationsfilmen der letzten Jahre und wurde auch zurecht für die Oscarverleihung 2010 nominiert.

Die 11-jährige Coraline Jones zieht gezwungenermaßen mit ihren Eltern in ein Landhaus mitten im Nirgendwo, wo diese sich ganz ihrer Arbeit hingeben können und Coraline erstmal ungeachtet mit der Umgebung allein gelassen wird. Nachdem sie sich in der Einöde umgesehen, einige verrückte Mitbewohner des Hauses kennen gelernt und sich mit dem nervigen Nachbarsjungen Wybie und dessen Kater „angefreundet“ hat, überkommt sie die Langeweile. Bei einem Rundgang im Haus entdeckt sie eine kleine Tür, die ihre Neugierde weckt und bei der sie nach dem öffnen… auf eine Backsteinwand stößt. Dass manche Türen lieber verschlossen bleiben sollten, ist sie sich erst später bewusst. In der ersten Nacht tut sich nämlich in dieser zuerst langweiligen Tür eine Parallelwelt auf, die für Coraline erstmal wie das Paradies aussieht. Ein fürsorgliches Pendant ihrer Mutter, die sie mit allerlei Köstlichkeiten bekocht und ein Vater, der sogar einen ganzen Garten für seine „Tochter“ anlegt. Auch die restlichen Hausbewohner wirken zuweilen viel interessanter als ihre Doppelgänger aus der realen Welt. Dass diese Gesellschaft Knöpfe anstelle von Augen hat, fällt bei der ganzen Gastfreundschaft gegenüber Coraline vorerst nicht sehr ins Gewicht. Erst als Coraline nach einigen nächtlichen Besuchen der Parallelwelt von ihrer „anderen Mutter“ ein paar schwarze Knöpfe mit dem dazugehörigen Näh-Equipment vor die Nase gesetzt bekommt, dämmert es der 11-jährigen, dass hinter den fürsorglichen Ersatzeltern ein hinterlistiger Plan steckt. Soll sie ihre richtigen Eltern und damit die reale Welt verlassen oder ist die Parallelwelt dieses Opfer doch nicht wert? Manche Dinge wirken nur auf den ersten Blick schön und vertraut…

Dass dieses Schauermärchen von Henry Selick inszeniert wurde, merkt man schon direkt an der düsteren Optik, die zum Beispiel auch „The Nightmare Before Christmas“ auszeichnete. Ich musste manchmal auch an die Werke von Tim Burton denken, der unter anderem als Produzent bei „The Nightmare Before Christmas“ seine Finger im Spiel hatte. In „Coraline“ wird die Atmosphäre vor allem im Kontrast der beiden Welten gestaltet. Während die reale, in Coralines Augen langweilige, Welt sehr grau, trist und matschig rüberkommt, sprüht die Parallelwelt geradezu vor warmen Farben, die vor allem in den Küchenszenen besonders stark zum Ausdruck kommen und einen sehr heimeligen Effekt erzielen.

Obwohl man als Zuschauer weiß, dass die andere Mutter mit ihren unangenehmen Knopfaugen sicherlich nichts Gutes im Schilde führt, versteht man Coralines Handeln absolut, die dieses gemütliche Schlaraffenland so oft es geht dem grauen Alltag in der Realität vorzieht. Die Figuren sind in beiden Welten sehr überspitzt dargestellt, sodass der Film für ganz Kleine bestimmt eine Spur zu gruselig erscheint, was für Animationsfilme eher ungewöhnlich ist. Aber gerade diese Andersartigkeit ist es, die mich an „Coraline“ so fasziniert. Es ist nicht einer der üblichen Animationsfilme, die nur an kleine Kinder gerichtet sind, dafür sind auch die Figuren und Settings viel zu scary. Der Stil, die Story und die Optik sind viel mehr an ältere Zuschauer gerichtet (obwohl der Film eine Freigabe ab 6 Jahren hat) und gerade die vollkommen grotesken Nebenfiguren ließen mich während des Films ein ums andere Mal mehrere What-The-Fuck-Momente erleben. Hierbei erwähne ich besonders die zwei skurrilen alten Pudeldamen und die Auftritte des Zirkusdompteurs. Die Verrücktheit der Story und der Figuren machen „Coraline“ sicherlich zu etwas ganz Besonderem. Auch die Musik trägt sehr gut zu der tristen Atmosphäre (bzw. gemütlichen Atmosphäre in der Parallelwelt), die in „Coraline“ aufgeworfen wird, bei. Als Kritikpunkt muss ich allerdings sagen, dass mir vor allem bei der Figur Coraline manchmal die Emotionalität fehlte um den Charakter als Zuschauer näher zu sein.

Trotzdem ist es sehr schade, dass dieser Stop-Motion Perle der Oscar im Animationsbereich verwährt blieb, aber als Animationsfilmfan sollte man sich „Coraline“ allemal anschauen. Vergessen werdet ihr ihn so schnell nicht mehr…


Via YouTube

Autor: Nicolai Gwiasta

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