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Chatos Land (1972) Blu-ray-Kritik

© capelight pictures

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Charles Bronson und Michael Winner – ein produktives Team. Sechs Mal arbeiteten der US-amerikanische Schauspieler und der britische Regisseur zusammen, am eindringlichsten in Erinnerung geblieben ist dabei vermutlich der Selbstjustiz-Thriller „Ein Mann sieht rot“ („Death Wish“, 1974). Winner war zudem für die ersten beiden Fortsetzungen (1982 und 1985) verantwortlich, die im Gegensatz zum Erstling jedoch von der reaktionär-konservativen 80er-Jahre-Action-Schmiede Cannon Films produziert wurden und dementsprechend deutlich plakativer ausfielen. Zuvor hatte das Gespann Winner (auf dem Regiestuhl) und Bronson (in der Hauptrolle) bereits „Kalter Hauch“ („The Mechanic“, 1972, die Vorlage für das Jason-Statham-Remake) sowie „Ein Mann geht über Leichen“ („The Stone Killer“, 1973) auf die Leinwand gebracht, ihre erste Zusammenarbeit war 1972 jedoch „Chatos Land“, der einzige ihrer gemeinsamen Filme, der nicht in der jeweiligen Gegenwart und auch nicht in einem urbanen Setting angesiedelt ist.

Ebenso wie in „Ein Mann sieht rot“ geht es auch in „Chatos Land“ um Rache und damit um das, womit sich die von Charles Bronson gespielten Figuren in der Regel am besten auskennen. Bronson, vier Jahre zuvor mit „Spiel mir das Lied vom Tod“ weltberühmt geworden, kehrte hierbei nach „Rivalen unter roter Sonne“ (1971) erneut in das Western-Genre zurück, verkörperte dieses Mal jedoch keinen Outlaw, sondern eine Figur, die in den klassischen Western der 1930er- bis beginnenden 1960er-Jahre stets das absolute Feindbild gewesen war: einen (Halb-)Indianer. Hierbei beweist „Chatos Land“ eine fast schon progressive Stoßrichtung, insbesondere mit Blick auf die sonstige Filmografie des Gespanns Bronson-Winner. Ein Indianer als Protagonist und Identifikationsfigur, die weißen Siedler als eindeutige Gegenspieler, der Sheriff nach drei Minuten erschossen – das ist eine interessante Prämisse.

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Es ist hierbei der von Bronson gespielte Halb-Apache Chato, der in einer kleinen, typischen Western-Stadt den Sheriff in Notwehr erschießt. Dieser hatte im Saloon eine Waffe gezogen, um seinerseits Chato zu töten, da er keinen Indianer in der Bar haben wollte. Dieses sofort zu Beginn des Filmes situierte Ereignis bringt in der Folge die bemerkenswert simple, jedoch nichtsdestotrotz effektive Handlung ins Rollen: Der ehemaligen Südstaaten-Soldat Quincey Whitmore (Jack Palance) stellt eine mehrere Mann umfassende Truppe von Farmern und dabei teils strammen Rassisten zusammen, um ihn zu jagen und zu hängen. Chato gelingt es zwar immer wieder, sie abzuhängen, sie finden jedoch nach einiger Zeit sein Zuhause, woraufhin drei Männer der Truppe, die Hooker-Brüder (Simon Oakland, Ralph Waite, Richard Jordan), seine Frau vergewaltigen, während sein Sohn entkommen kann. Das Verhältnis von Jägern und Gejagtem kehrt sich in der Folge um: Nun ist es Chato, der auf Rache aus ist und sich dafür mit nachhaltigem Geschick das unwirtliche Ödland der US-amerikanischen Wüste zunutze macht.

Aus dieser sehr einfachen Maxime holt „Chatos Land“ jedoch das Maximum heraus. Ist die Exposition vielleicht noch etwas zu lang geraten, da man in diesem Abschnitt doch irgendwie zu viel Zeit mit den Farmern und ihren rassistischen Ausfällen verbringt (insbesondere die drei Hooker-Brüder tun sich hierbei maßgeblich negativ hervor), so gelingt es Regisseur Michael Winner, ab dem Beginn der (lange Zeit nur indirekten) Konfrontation zwischen Chato und seinen Verfolgern die Spannung konstant zu steigern. Resultiert dies zu Beginn aus dem Einsatz immer neuer Mittel, mit denen Chato der Truppe immer wieder ein Schnippchen schlägt, so zieht der Film nach dem Übergriff auf dessen Familie auch die Gewaltschraube an und wird zu einem packenden Rache-Western. Niemand ist vor Chato sicher, man weiß nie genau, wann und wie er den Männer-Trupp wieder angreift, wobei die zu jeder Zeit sehr eindeutigen Identifikationsstrukturen des Filmes dabei dauerhaft sicherstellen, dass man dessen meiste Mitglieder nicht ausstehen kann, wodurch die Rache stets als verdient erscheint.

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Immerhin findet sich in der Chato verfolgenden Gruppe zumindest ein Zweifler, der Farmer Nye Buell (Richard Baseheart), der von Anfang an nicht von der Sache überzeugt ist und eher aufgrund von Gruppenzwang teilnimmt; auch ein weiterer Farmer, der gefragt wird, ist nicht bereit, überhaupt mitzukommen. Eine interessante Entwicklung wohnt daneben dem Anführer Quincey Whitmore inne, der bei der Suche nach und Jagd auf Chato in seiner Uniform aus dem US-amerikanischen Bürgerkrieg agiert. Diese hat hierfür zwar keinerlei Zweck oder Bedeutung, unterstützt jedoch gerade deswegen die durch den Film als irrig porträtierte (scheinbare) Nostalgie für eine frühere Zeit und die damit einhergehenden Feindbilder, die nun unreflektiert auf Chato übertragen werden. In Quinceys Figur kulminiert zudem eine gewisse Ambivalenz: Auch ihm kommen nach und nach gewisse Zweifel an seiner Mission, allerdings nicht etwa, weil er sein Weltbild in Frage stellt und auch nur eingeschränkt, weil er mit der Zeit realisiert, dass Chato ihnen stets einen Schritt voraus ist, sondern weil er (wie die meisten anderen aus der Gruppe) das Verhalten der sadistischen Hooker-Brüder, insbesondere die Vergewaltigung von Chatos Frau, scharf kritisiert (was in der Folge zu einer internen Spaltung führt), wobei es wiederum auch durch niemanden unterbunden wird. In den Augen von Chato ist die Schuld damit eine kollektive, was sich mit der politischen Ausrichtung des Filmes deckt.

„Chatos Land“ ist ein Abgesang auf den von Frederick Jackson Turner Ende des 19. Jahrhunderts etablierten Frontier-Mythos, der davon ausgeht, das die genuin US-amerikanische Identität während der Landnahme Richtung Westen durch eine konstante Dialektik zwischen (selbsternannter) Zivilisation und (angeblicher) Barbarei bzw. Wildnis an der Frontier (also Grenze) zwischen dem durch die europäischen Siedler bereits in Anspruch genommenen und dem durch sie noch nicht besiedelten Teil entstand. Zwar ist zum Zeitpunkt des Films die Frontier bereits „geschlossen“, doch der Film bezieht sich in einer 180-Grad-Wende dennoch auf sie: Hier sind es die weißen (ehemaligen) Siedler, welche die Barbarei verkörpern und es ist der angeblich unzivilisierte Indianer, der ein fast schon zu beschauliches Familienleben führt. „Chatos Land“ stellt damit die für das US-amerikanische Selbstverständnis enorm wichtige Frontier-These in Frage, so wie er generell auf einen sich hierbei gegen die Native Americans richtenden strukturell verankerten gesellschaftlichen Rassismus hinweist. Der Film ist in all diesen Facetten ein Beispiel des gerade in den 1960er- und 1970er-Jahren häufigen Spät- bzw. Anti-Western (je nach Definition), der sich mit seiner eigenen gesellschaftlichen wie auch filmischen Geschichte kritisch auseinandersetzt. Mit „Chatos Land“ legten Michael Winner und Charles Bronson dabei den Grundstein für ihre produktive Zusammenarbeit, die sich noch über knapp 15 weitere Jahre stets ähnlich erstrecken sollte: ein einfaches dramaturgisches Fundament, gleichermaßen spannend wie effektiv erzählt.

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Die Edition: capelight pictures veröffentlicht „Chatos Land“ in ihrer altbewährten Mediabook-Reihe. Das Mediabook ist dabei in einem schicken matten Look gehalten und enthält ein Booklet des Mainzer Filmwissenschaftlers Daniel Wagner, der das Werk filmhistorisch kontextualisiert. Der Hauptfilm ist hierbei mit einem außerordentlich guten Bild gleichermaßen auf Blu-ray wie auf DVD vorhanden, wobei die DVD auch einzeln erscheint. Einzig das Bonusmaterial ist etwas dünn geraten, es besteht lediglich aus dem deutschen sowie dem englischsprachigen Originaltrailer.

Autor: Jakob Larisch

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