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Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) (2014) Review

© 20th Century Fox

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Vor über zwanzig Jahren nahm der Schauspieler Riggan Thompson (Michael Keaton) die Rolle des Comichelden „Birdman“ an, welche ihm den größten Erfolg seiner Karriere bescherte, von dem er noch heute zehrt. Jedoch ist der Ruhm aus der Vergangenheit nur noch ein Schatten, dem er entfliehen möchte, um endlich auch als Schauspieler und Künstler wahrgenommen zu werden. Dabei soll ihm das von ihm adaptierte Stück „What We Talk About When We Talk About Love“ helfen, welches er mit einem ambitionierten Ensemble rund um den ebenso genialen wie unausstehlichen Mike Shiner (Edward Norton) am Broadway aufführt. Schnell muss Thompson aber feststellen, dass der Erfolg eines Broadwaystücks nicht so einfach zu erzielen ist, wie die schauspielerische Darstellung eines Superhelden.

You hate bloggers. You mock Twitter. You don’t even have a Facebook page. You’re the one who doesn’t exist!

In seinem neuen Film „Birdman“ thematisiert Alejandro González Iñárritu die vielen Facetten des Ruhms. Er beschreibt die Möglichkeiten, diesen zu erlangen, die Folgen davon, ihn zu verlieren und die Entzugserscheinungen, die der Prozess mit sich bringt. Auf eindrucksvolle Weise schafft er einen generationsübergreifenden Konflikt und zeigt damit auf, wie sehr sich Ruhm als solcher mit der Zeit gewandelt hat. Zu Zeiten der großen Erfolge Thompsons war er nur durch prestigeträchtige Rollen möglich, während heute schon ein Youtube-Video oder ein Facebook-Account mehr als ausreichend sind, wobei diese Form des Ruhms vergänglicher erscheint und eher in die Richtung der Aufmerksamkeit abdriftet. Könnte man nun von einer Verharmlosung oder Banalität sprechen, handelt der Film in der Person von Sam Thompson (Emma Stone) davon, ohne diese verschiedenen Social-Media-Channel überhaupt nicht existent zu sein. Eben in dieser Prämisse bewertet der Film seine eigenen größeren Ereignisse und etikettiert diese mit Videoaufrufen und Re-Tweets.

© 20th Century Fox

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Popularity is the slutty little cousin of prestige, my friend.

Dass Ruhm und Aufmerksamkeit zwei Begriffe sind, die besonders für Schauspieler von existentieller Bedeutung sind, zeigt der Film anhand des Theaterensembles, wobei die Betonung auf Existenz liegt. Der Hautdarsteller/Autor/Regisseur/Protagonist der Geschichte, der ehemalige Birdman Riggan Thompson, befindet sich in einer Verfassung, in der ihn seine immer weiter voranschreitende Bedeutungslosigkeit aufzufressen droht. Von vergangenen Erfolgen ist bis auf die Strahlkraft seines Namens nicht viel geblieben. Vielmehr hat der drohende Fall in die Bedeutungslosigkeit zu einer schizo-affektiven Störung geführt, die zu Halluzinationen führt, wobei sich die Halluzinationen zu Beginn des Films auf akustische Reize beschränken, sich jedoch mit fortschreitender psychischer Belastung für den Protagonisten zu audiovisuellen Reizen entwickeln. Erwähnenswert in dieser Hinsicht ist, dass Michael Keatons kommerziell erfolgreichsten Filme die beiden Batman-Adaptionen waren und er danach nie wieder an diese Erfolge anknüpfen konnte, weswegen die Riggan-Thompson-Figur wie eine überzogene Karikatur von Keaton selbst wirkt.

He’s going out on that stage and risking everything.

Dies gilt aber auch für Mike Shiney, welcher brillant von Edward Norton verkörpert wird. Norton, der als Charakterdarsteller gilt, mit dem es als Regisseur nicht gerade einfach ist zu arbeiten (siehe Nortons unrühmliches Ende als Hulk und die darauf folgenden Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Marvel) spielt einen Charakterdarsteller, der schon von Beginn an sein ganzes Herzblut in seine Rollenentwicklung legt, was aber nicht nur positiv ankommt und schnell für Spannungen sorgt.
Inárritus Birdman ist eine hervorragende Satire, in der Schauspieler abseits des Glamours, fernab der Glitzerwelt Hollywoods um ihren Ruhm kämpfen, den sie von einer Gesellschaft verliehen bekommen, die sich jedoch nicht wirklich für sie oder ihre Kunst interessiert, sondern eher dafür, was ihnen von anderer Stelle diktiert wird. Schon lange haben diese Schauspieler erkannt, dass ihre Bemühungen und Hingabe irrelevant sind, ein Ausweg aus dem unbefriedigenden Kreislauf scheint aber nicht in Sicht zu sein, außer immer weiter zu machen, bis man dem Ganzen ein Ende setzt.

Nicht zu Unrecht gilt „Birdman“ als heißer Oscarkandidat in den meisten wichtigen Kategorien und würde an sich auch ein würdiger Gewinner sein (bis auf Emma Stone als beste Nebendarstellerin; sie hatte eigentlich nur einmal die Möglichkeit, ihr schauspielerisches Talent zu entfalten, was für einen Oscar eigentlich nicht ausreichen kann). Der Film ist ebenso unterhaltsam wie zum Nachdenken anregend. Das perfekte Ende wurde verpasst, stattdessen dreht der Film noch zwei Ehrenrunden, was den ansonsten durchaus positiven Eindruck etwas schmälert. Trotzdem hat sich „Birdman“ seine 8/10 mehr als verdient.

Autor: Mamon Hassani

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