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A World Beyond (OT: Tomorrowland) (2015) Review

© Walt Disney Studios

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„Der Kampf um Morgen beginnt schon heute“, so pathetisch spricht das Poster des neuesten Disney-Streiches „A World Beyond“. Das ist doch mal was. Eine seit mehreren Jahrzehnten nicht wirklich bahnbrechende Erkenntnis, aber prägnant zusammengefasst, das muss man zugeben. Nun sind theatralische Werbe-Taglines aus Hollywood nicht wirklich etwas Neues und damit auch keinesfalls als Gütesiegel für den fertigen Film zu werten, doch ist es sicherlich nicht von Nachteil, wenn sie eine gewisse Eingängigkeit aufzuweisen wissen. Womit hat man es also hier zu tun? Die Trailer lassen ein fantasievolles Setting erahnen, Regie führt Brad Bird, der dem „Mission: Impossible“-Franchise mit dessen viertem Teil neuen Wind verlieh, die Hauptrolle spielt niemand Geringeres als George Clooney. Eigentlich gute Voraussetzungen für ein unterhaltsames Blockbuster-Spektakel, doch „A World Beyond“ zeigt, dass gute Voraussetzungen nicht immer mit guten Ergebnissen gleichzusetzen sind.

1964: Der Jung-Erfinder Frank Walker (Thomas Robinson) besucht die New Yorker Weltausstellung, um seine neueste Erfindung, einen Jet-Pack, vorzustellen. Der griesgrämige Wissenschaftler David Nix (Hugh Laurie) weist ihn jedoch ab, seine Tochter Athena (Rafey Cassidy) erkennt allerdings Franks Potenzial und spielt ihm einen Anstecker zu, mit dessen Hilfe er in eine fantastische Welt in einer anderen Dimension vordringen kann: Tomorrowland, ein Ort, an dem sich die klügsten Menschen der Erde treffen, um an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Sprung in die Gegenwart: Die technik- und wissenschaftsbegeisterte Casey Newton (Britt Robertson) verbringt Nacht für Nacht damit, die Abrissarbeiten einer NASA-Station zu sabotieren, da sie sich mit dem Ende der dort befindlichen Raumfahrt nicht abfinden will. Eines Nachts wird sie geschnappt, kommt jedoch auf Kaution wieder frei und entdeckt ebenfalls einen Anstecker, den ihr Athena zuvor heimlich unterschoben hatte und der es auch ihr ermöglicht, Tomorrowland zu sehen. Athena sucht sie schließlich auf und überredet sie, zum nun erwachsenen Frank (George Clooney) zu fahren, um dort die Hintergründe eines Auftrages zu erfahren. Dieser ist jedoch von Caseys Ankunft ganz und gar nicht begeistert…

© Walt Disney Studios

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Klingt wirr, ist es auch. Nun ist eine vollkommen kohärente Story nicht zwingend eine Bedingung für das Funktionieren eines Filmes, jedoch sollten Ungereimtheiten in der Handlung durch andere Bestandteile des Werkes auf irgendeine Weise aufgefangen werden. Doch „A World Beyond“ ist schlicht auf jeder Ebene eine Enttäuschung. Versprachen die Voreindrücke noch fantasievolle Schauplätze und eine ideenreiche sowie visuell überwältigende Gestaltung der Parallelwelt „Tomorrowland“, so nehmen jene Szenen im Film maximal eine Viertelstunde ein…nicht gerade viel bei einer Laufzeit von 130 Minuten. Überhaupt, bis der Film in Bewegung kommt und man überhaupt daran zu denken wagt, die titelgebende jenseitige Welt abseits von kurzen Impressionen etwas nachhaltiger zu Gesicht zu bekommen, dauert es seine Zeit. Zuerst befindet man sich lange in der Vergangenheit von Frank, ohne dass die Story dadurch wirklich in Schwung käme. Die darauf folgende Einführung von Casey ist recht nett gestaltet, auch wenn ihr primäres Charakterisierungsmerkmal ein etwas gezwungen wirkender Optimismus ist. Als sie über gefühlt zehn Drehbuch-Umwege endlich mit Frank zusammentrifft, könnte es ja eigentlich losgehen…nein, erst ein Abstecher nach Paris. Kurz vor Schluss des Filmes treffen unsere Hauptfiguren dann schließlich doch noch in Tomorrowland ein, der zuvor angedeutete Konflikt wird innerhalb von fünf Minuten eher beiseite gewischt als gelöst und nach ein wenig viel zu kurzem, nun ja, „Kampf“getümmel ist der Film urplötzlich vorbei, ohne dass man das Gefühl hatte, gerade Zeuge einer ordentlich ausgearbeiteten Dramaturgie geworden zu sein. Eine ewig scheinende Exposition, ein wenig Roadmovie hier, ein wenig Science-Fiction dort, garniert mit etwas Apokalypse, aber bei weitem nicht ordentlich gekocht, sondern maximal auf kleinster Flamme noch roh von der Platte genommen. Was die beiden Drehbuchautoren Brad Bird und Damon Lindelof geritten hat, ein derart verkorkstes Skript zu produzieren, wird man wohl niemals erfahren.

Zwei Ebenen, auf denen der Film hätte punkten können, sind somit komplett unausgegoren: Sowohl die Story als auch die visuelle Gestaltung lassen sich maximal als durchschnittlich bezeichnen, obwohl insbesondere für letzteren Faktor eine Menge Potenzial vorhanden gewesen wäre. Können die Schauspieler wenigstens einen Teil des Gesamteindrucks retten? Nun, es will etwas heißen, wenn eine Fünfzehnjährige sowohl George Clooney als auch Britt Robertson und Hugh Laurie an die Wand spielt. Die britische Nachwuchs-Darstellerin Rafey Cassidy (bekannt unter anderem als junge Version von Kristen Stewart aus „Snow White and the Huntsman“) tobt sich auf der Leinwand so richtig aus, ihr Charakter Athena, welcher sich über die Zeit als ein Roboter entpuppt, wird von ihr zwischen den Welten wandelnd als eine rational-mathematisch denkende Maschine mit jedoch zutiefst menschlichen Eigenschaften angelegt. Sie bietet nicht nur eine schauspielerische Glanzleistung, sondern ist ohne Zweifel in der Gesamtschau das Highlight des Filmes und sorgt quasi im Alleingang dafür, dass man nicht vollends das Interesse an der Handlung verliert. Britt Robertson ist für Comic Relief zuständig, erledigt dies auch ganz gut, kann dem Film allerdings keinen nachhaltigen Stempel aufdrücken. Hugh „Dr. House“ Laurie ist schlicht unterfordert, seine Rolle des undurchschaubaren Antagonisten hätte Platz für eine ganze Palette an Charakterisierungen geboren. Stattdessen gesteht ihm das Drehbuch lediglich die Rolle desjenigen zu, der sakral in der Ecke steht und all die Erklärungen liefert, die noch fällig sind. Schließlich George Clooney. Was reitet einen Mann, der durchaus zu exzellenten Darstellungen fähig ist, eine Rolle derart lieblos anzulegen? Ja, er verkörpert den Griesgram, dazu gehört eine gewisse Rotzigkeit. Der professionelle Frauenschwarm wirkt allerdings so, als hätte er seine Szenen an einem Nachmittag zwischen drei Bier und zwei Kaffee heruntergekurbelt. Nicht nur taucht er erst nach etwa der Hälfte des Filmes tatsächlich als handelnder Akteur auf (und bekommt dafür den ersten Credit, ist klar), seine Aktionen beschränken sich darüber hinaus lange Zeit auf dauerhafte schlechte Laune, die jedoch seltsam emotionsleer daherkommt. Was auch immer der Grund für Clooneys derart lustloses Agieren war, es trägt auf jeden Fall zum dürftigen Gesamteindruck des Filmes bei.

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Das Bedenklichste von „A World Beyond“ ist schlussendlich der Subtext. „Stell dir eine Welt frei von Politik, frei von Bürokratie vor“, sagt Frank an einer Stelle sinngemäß zu Casey. Dass diese Welt jedoch eine gute ist, gilt es stark zu bezweifeln. Denn anstatt das System, indem die Protagonisten und damit auch die Zuschauer leben, zum Positiven zu verändern, so dass die Politik wieder in der Lage und vor allem willens ist, sich die Ausgewogenheit von Freiheit und Gerechtigkeit zur Aufgabe zu machen, wird mit Tomorrowland eine Parallelwelt erschaffen, in der die „Besten“ und „Klügsten“ der Erde zusammenkommen, um ungehindert forschen und sich austauschen zu können. Zunächst wird damit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft der „Würdigen“ und „Unwürdigen“ entworfen, die der Film auch ganz klar gutheißt. Die Gruppe der „Unwürdigen“ steht dabei für den normalen Menschen, den Durchschnittsbürger, die „Würdigen“ sind diejenigen, die sich selbst insgeheim zustehen, Entscheidungen zu treffen, die Auswirkungen auf Wohl und Wehe der gesamten Welt haben würden. Ein demokratisches Verständnis politischer Prozesse sieht anders aus, hier hat man es mit einer lupenreinen Despotie zu tun, gekleidet in das Gewand des Humanismus. Was viel schwerer wiegt: An keiner Stelle wird verraten, welcher Modus über die Aufnahme in die Schicht der „Würdigen“ entscheidet. Maximal der utopistisch-naive Epilog gibt Aufschluss darüber, wie in Zukunft mit dieser Frage verfahren werden soll, allerdings ist dies eine Lösung, die nichts an den eigentlichen Zuständen ändert. So bleibt in der Schlussbetrachtung eine von keiner Seite legitimierte Elite, die selbst darüber entscheidet, wen sie in ihre Kreise aufnimmt, an guten Tagen den „Anderen“ generös Hilfe anbietet, aber dann final doch lieber unter sich bleibt: Von hier ist der gedankliche Weg zum Gegensatzpaar der finanzkapitalistischen Oberschicht (dem „1%“) und dem Rest der Menschheit (den „99%“) nicht mehr weit. Nochmal in aller Klarheit: „A World Beyond“ ist ein Film, der sich zu dieser durch nichts gerechtfertigten gesellschaftlichen Teilung auf eindeutig affirmative Weise bekennt. Da kann Britt Robertson noch so viel von „Menschen helfen“ und „etwas gegen Probleme tun“ reden, ihre Absichten in allen Ehren: Das grundlegende System einer Trennung nach von einer Seite willkürlich festgelegten Merkmalen wird dadurch nicht weniger problematisch.

Hier und da ein Stückchen Humor, ein klein wenig vorhandenes, aber in vielerlei Hinsicht verschenktes Potenzial für die fantasievolle visuelle Gestaltung der filmischen Welt, dazu eine krude Dramaturgie, wenig überzeugende Darstellerleistungen (mit eindeutig hervorzuhebender positiver Ausnahme von Rafey Cassidy) und eine äußerst bedenkliche politische Aussage: Viel Gutes ist hier nicht in Sicht. „A World Beyond“ ist nur mit gebührend kritischem Abstand zu konsumieren und zu reflektieren, denn was für eine genaue Zukunft es auch immer ist, die dieser Film will, es wird stets eine sein, die Veränderung nur vorgaukelt, aber nie in der Lage sein kann, diese dauerhaft zu gestalten. 3/10

Autor: Jakob Larisch

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