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Fast & Furious 6 (2013) Review

© Universal Pictures Home Entertainment

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Justin Lin kann sich getrost auf die eigene Schulter klopfen. Der Regisseur der letzten drei und des aktuellen Ablegers der „The Fast and the Furious“-Reihe hat mit dem Action-Franchise ein kleines Wunder vollbracht: nachdem er 2009 die Ur-Besetzung der Reihe wieder auf die Leinwände katapultiert hatte, ist diese auch kommerziell gesehen wieder voll auf Kurs, obwohl es nach dem (prinzipiell) gefloppten dritten Teil „Tokyo Drift“ gar nicht rosig aussah für die Zukunft der Raser-Action. Der gerade neu gestartete sechste Teil der Serie – schlicht und ergreifend als „Fast & Furious 6“ betitelt – schreibt diese Erfolgsgeschichte nun fort: Weltweit steht der Teil mittlerweile nach gerade einmal rund einer Woche Spielzeit schon bei über 300 Millionen US-Dollar und hat den Comedy-Blockbuster „Hangover 3“ am amerikanischen Boxoffice eindrucksvoll abgehängt. Woran das liegt? Am simplen Erfolgsrezept der Reihe: markante und charismatische Darsteller, PS-Action, Kloppereien, viel Humor und propagierte Wertvorstellungen wie familiärer Zusammenhalt, Freundschaft und Loyalität, mit denen wohl jeder Zuschauer irgendwas anfangen und sich damit in irgendeiner Weise identifizieren kann. Soweit so klar. Also dann: Ladies and Gentlemen, start your engines! Erster Gang, Kupplung kommen lassen, Vollgas!

Eigentlich hat sich die Crew von Dominic Toretto (Vin Diesel) nach den Ereignissen in Brasilien ja zur Ruhe gesetzt: Brian (Paul Walker) und Mia (Jordana Brewster) sind Eltern geworden, Han (Sung Kang) und Gisele (Gal Gadot) genießen ihre Zweisamkeit, Tej (Chris „Ludacris“ Bridges) chillt irgendwo unter der Sonne, Roman (Tyrese Gibson) jettet mit allerlei Ladies um die Welt und Toretto selbst vergnügt sich mit der (ehemaligen) Polizistin Elena (Elsa Pataky). Das Leben als Millionäre könnte für alle so schön sein, doch natürlich benötigt die Story einen Aufhänger, um die Crew wieder zu rasanter Auto-Action zu motivieren: der aus „Fast & Furious Five“ bekannte Agent Hobbs (Dwayne „The Rock“ Johnson) macht Dom ausfindig und gibt ihm einen Anlass dafür, das Gaspedal wieder so richtig durchzutreten und seine Muskeln spielen zu lassen. Denn Hobbs präsentiert ihm ganz aktuelle Fotos von Doms großer Liebe Letty (Michelle Rodriguez), die dieser und die Zuschauer seit Teil 4 für tot hielten, und bittet Toretto um die Mithilfe bei der Verhaftung/Zerschlagung einer Schwerverbrecherbande rund um deren Mastermind Owen Shaw (Luke Evans). Und wozu das Ganze? Weil Letty zu eben jener Crew gehört und weil Hobbs Toretto und seinen Leuten im Gegenzug Amnestie verspricht, sodass sie nicht mehr dazu gezwungen sind, ein Leben auf der Flucht zu verbringen und endlich wieder in die USA zurückkehren dürfen, ohne direkt hinter Gittern zu landen. Doch die erwähnte Amnestie ist eigentlich nur Nebensache, denn: Letty ist Familie. Also trommelt Dom seine alte Crew wieder zusammen, um gemeinsam mit Hobbs und dessen Kollegin Riley (Gina Carano) die Verbrecher zur Strecke und Letty wieder zurück in die Familie zu bringen.

Wer ein Ticket für Justin Lins Actioner löst, der bekommt genau das, was zu erwarten war und was die Trailer schon suggerierten: richtig fett inszenierte Prollo-Action, flotte Sprüche, hübsche Mädels, stumpfsinniges Macho-Gehabe, Boliden, Bier und Barbecue. Ein infantil-chaotischer Spaß wird da auf der Leinwand zelebriert und die Action-Orgie gerät dabei zum sagenhaft unterhaltsamen Spektakel. Okay, „stumpf ist Trumpf“, aber wo diese Richtlinie bei anderen Filmen einen bitteren Beigeschmack hinterlässt, geht das Konzept bei „Fast & Furious 6“ voll und ganz auf, sodass man dem Film dafür nicht böse, sondern eigentlich nur dankbar sein kann. Das neuste Kapitel der Reihe macht vom Entertainment-Faktor her so gut wie alles richtig: der Erzählrhythmus stimmt, die Oneliner sind so dumm, dass sie schon wieder gut sind, die Action fetzt so richtig (egal ob handfest oder auf dem Asphalt), sogar die ruhigen Momente fügen sich zumeist glaubwürdig ins Gesamtgeschehen ein und ein paar Überraschungen hält der Plot sogar auch noch parat (unbedingt noch kurz sitzen bleiben, wenn der Abspann einsetzt!).

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Lob verdient außerdem noch das für einen Hollywood-Action-Blockbuster überraschend durchdacht konzipierte Drehbuch. Ja, richtig gelesen. Chris Morgan wird für sein Skript zwar keinen Literaturpreis einheimsen können, aber dennoch gebührt ihm an dieser Stelle Respekt für sein zumeist in sich stimmiges, durchdachtes und humoriges Actionkonzept, das vor allem im Arrangement der unterschiedlichen Kampfkonstellationen überzeugt. Der Plot an sich ist zwar relativ simpel, anhand der zweimaligen Duelle zwischen Brian und Vegh (Clara Paget), sowie zwischen Letty und Riley sollte aber ersichtlich werden, auf was meine lobende Erwähnung sich bezieht. Es ist einfach nett, einmal mit anzusehen, dass sogar hinter Actionduellen doch noch ein Hauch von Struktur und Konzept dahintersteckt. Außerdem bietet „Fast & Furious 6“ mit Owen Shaw endlich mal wieder einen verhältnismäßig guten Antagonisten im Blockbusterbereich, der zwar auch nicht sonderlich tiefgründig ausgearbeitet worden ist, die mangelnde charakterliche Tiefe aber mit charismatischer Bosheit wieder wett macht. Das Franchise bot zwar auch schon immer relativ starke Frauenfiguren und einige romantische Momente, ein Film für Frauen ist das testosterongetränkte Werk aber natürlich nicht geworden. Die grazile Gal Gadot, die coole Michelle Rodriguez und auch die süße Jordana Brewster machen ihren Job gut wie immer, auch Neuzugang Gina Carano gelingt es, gerade dank ihrer überragenden Physis ein ums andere Mal Akzente zu setzen. Frauen, die sich nicht am zelebrierten Stumpfsinn, am Brachial-Humor und am blödsinnigen Macho-Gehabe stören, können dem zweistündigen Spektakel so mit Sicherheit auch den einen oder anderen positiven Aspekt abgewinnen. Obwohl sich die Charaktere im Film durchaus ernst nehmen, ist es schön zu sehen, dass immer ein gewisser ironischer Unterton mitschwingt: Das Ganze ist halt einfach so völlig over the top, dass man es nie so richtig ernst nehmen und dem Film auch nie so richtig böse sein kann, denn dafür ist der Humoranteil auch einfach viel zu hoch und die meisten Gags zünden auch ganz wunderbar.

Was kann man „Fast & Furious 6“ eigentlich konkret vorwerfen bzw. negativ zur Last legen? Vielleicht, dass die Reihe von Film zu Film das ursprüngliche Tuning-Stammpublikum immer mehr vergällt und sich immer stärker zu einem spaßigen Action-Franchise hin entwickelt, bei dem es zwar immer noch um hochtalentierte Adrenalin-Junkies in Import-Karren und Muscle-Cars geht, die irgendwas von Zwischengas, Traktion und Lachgas faseln, welches aber sein Augenmerk primär auf die Action selbst legt, egal ob auf der Straße oder sonst wo, egal ob im Sportwagen, im Jeep, im Panzer oder auf dem Motorrad. Hauptsache es knallt! Die Vehikel-Action tritt immer mehr in den Hintergrund, manchmal hat man sogar fast mehr Spaß in den Momenten, in denen die Protagonisten nicht auf zwei oder vier Rädern unterwegs sind. Es wird viel geschossen, geprügelt, gesprungen und gerast und das alles in einem ziemlichen Tempo, so dass während der zwei Stunden Laufzeit eigentlich kaum Langeweile aufkommt. Das Rennen zwischen Letty und Dom kann man zwar durchaus als etwas lieblos gestaltet bezeichnen, es fehlt vielleicht die eine über-legendäre Actionszene (wobei die Panzer- und Flugzeug-Sequenz schon ziemlich awesome sind – holy shit!), die rücksichtslose Raserei war schon immer moralisch etwas fragwürdig und vieles ergibt wahrscheinlich in der rückblickenden Betrachtung der kausalen Zusammenhänge wenig bis keinen Sinn, aber das alles macht überhaupt nichts. Der einzige Vorwurf, den sich Universal für seinen Sommer-Blockbuster gefallen lassen muss, ist der, dass quasi alle epischen Action-Momente bereits im Trailer angeteasert worden sind. Okay, you get what you see, aber man wartet halt eben auf den einen Moment, der nochmal so richtig reinhaut. Prinzipiell gibt es zwar drei solcher Momente und einer davon ist sogar sehr emotional geraten, doch es ist schade, dass es in puncto Action keine richtigen Überraschungen mehr gibt. Nichtsdestoweniger ist das dargebotene Kirmes-Kino aber geradlinige und unmittelbare Action vom Allerfeinsten – nicht mehr und nicht weniger.

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Justin Lin ist mit seinem neuen Werk der fast perfekte Mainstreamfilm gelungen und er hinterlässt James Wan – seines Zeichens Regisseur vom geplanten siebten Teil der Reihe (ja, der „Saw“-Regisseur! WTF?!) – ein großes Erbe, dem dieser gerecht werden muss. Allerdings ist „Fast & Furious 6“ mit Sicherheit nicht jedem uneingeschränkt zu empfehlen. Das stumpfsinnige Testosteron-Gehabe ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Doch meines Erachtens wird man – wenn man sich denn darauf einlässt – zwei Stunden lang mit teilweise völlig irrsinnig überzeichneter Action bombardiert und kontinuierlich bei Laune gehalten. Und ganz ehrlich: natürlich ist das im Großen und Ganzen nicht sonderlich klug, aber zumindest größtenteils durchdacht und natürlich bietet der Film kein Charakterkino, denn Justin Lins Streifen lebt eben von seinen Typen. Ich persönlich hab den Film im Kino abgefeiert und mich selten so gut unterhalten gefühlt. Fahr oder stirb. Hate it or love it. Aber lasst mich euch noch einen gut gemeinten Ratschlag mit auf den Weg geben. Löst ihr ein Ticket für den Film, dann schaltet vor Vorstellungsbeginn euer Gehirn auf Standby und denkt an meine folgenden Worte, wenn das Universal-Logo über die Leinwand flimmert: Jetzt wird’s geil!

Autor: Markus Schu

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