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Apocalypse Now (1979) / Redux (2001) Review – An Emotion

© STUDIOCANAL

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Schwarz, einfach nur ein schwarzes Bild, begleitet von den Geräuschen eines Helikopters sind zu vernehmen, als die ersten hypnotischen Klänge des Songs „The End“ der „Doors“ erklingen. Langsam erkennen wir eine Baumreihe des unendlichen Dschungels von Vietnam. „This is the End“, die ersten Worte Jim Morrisons. Wir werden Zeuge eines riesigen Napalmangriffs, der die Baumreihe verschlingt. Die Apocalypse hat begonnen.

Captain Willard (Martin Sheen), ein mental zerrütteter Mann mittleren Alters, unfähig mit einer Welt jenseits des Krieges noch klarzukommen, erwacht in seinem Bett. “Saigon, verdammter Scheiß, noch immer bin ich nur in Saigon“. Nichts wünscht er sich sehnlicher als einen Einsatz, wieder zurück in den Dschungel. Diesen soll er bekommen. Colonel Walter E. Kurtz, ehemaliger Soldat der amerikanischen Streitkräfte, hat sich in Kambodscha mit seinen Untergebenen abgesetzt und führt nun dort ein eigenes Regime. Eine Welt mit einer eigenen Ideologie, in der sich Kurtz als Messiah preisen lässt. Willard wird ein Boot samt Crew zur Seite gestellt, um den Nung-Fluss hinaufzufahren, dessen Quelle sein Ziel sein wird; “Um Schluss zu machen…mit dem Colonel?”

Und es ist eben dieser Fluss, der Träger all dessen wird, was in diesen chaotischen, dramatischen und surrrealen Zeiten die menschliche Seele zu verschlingen droht. Wir schwimmen, kämpfen dem Strom entgegen und verlieren uns in dem Verlangen, das Dunkle und Verborgene der menschlichen Seele zu erreichen. Eine Odyssee, die noch unbarmherziger scheint, als Homer sie sich in seinen Albträumen hätte vorstellen können.

Wir treffen Colonel Cilgore (Robert Duvall), ein Mann, der entschieden hat, den Krieg auf seine Art zu führen. Wagners Walkürenritt wird nie wieder derselbe sein. „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen“. Spätestens mit diesen Worten verlassen wir die uns bekannte Welt und sind Teil eines Universums, das kaum einer kennengelernt hat und doch dort war. Ein Balanceakt am Rande des Wahnsinns.

Auch unter den Mitreisenden an Bord (u.a. Laurence Fishburne) unserer kleinen Nussschale, inmitten des Chaos‘, verliert sich vieles. Nur einem Motto kann man noch treu bleiben: “NIEMALS das Boot verlassen”, links und rechts dieses Wahnsinns nur noch mehr Unmenschliches. Befremdliche Zwischenstopps bei Playboy-Bunnys (wie krank ist das eigentlich, in einem Kriegsgebiet LSD zu schmeißen?) und einer Plantage verbliebener Franzosen (Frankreich hatte offiziell Kolonialansprüche bis 1945).

Endlich, der Nebel lichtet sich, wir haben die Quelle erreicht. Dennoch keine Entspannung oder Erholung… Was ist das hier? Ein dauerberauschter Fotograf (eindrucksvoll gespielt von Dennis Hopper) inmitten antiker Ruinen, gesäumt mit den Schädeln aller, die versuchten diesem Reich nahe zu treten. Kurtz ist nahe…ich weiß es und Er weiß es….

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„Apocalypse Now“ ist mehr als ein Film. Dieser auf Zelluliod gebannte Wahnsinn ist ein Zustand. Der Vietnamkrieg, so tragisch er war, ist dennoch nur ein Zerrbild dessen, was wir hier erfahren. Joseph Conrads Novelle „Heart of Darkness“ von 1899, auf deren Idee der Film aufbaut und dessen ursprüngliche Handlung von einem Elfenbeinjäger in Afrika handelt, wurde von Coppola adaptiert und zeitgemäß nach Vietnam verlagert. In beiden Fällen bleibt das zentrale Motiv erhalten, die Suche nach dem Abgründigen in der menschlichen Seele.

Manchem mag es auf dem ersten Blick so erscheinen, als repräsentiere Kurtz tatsächlich die Antwort auf das, was wir in dieser Welt als böse oder gar wahnsinnig definieren. Bei näherer Betrachtung ist Kurtz aber nicht mehr als eine Rechtfertigung für Willards Existenz, überhaupt. Es bildet sich eine Dualität, wenn nicht sogar Transzendenz dieser Konstellation, in welcher wir als Beobachter die Ratio des Beobachters hinter uns lassen und in diesen Zustand einer Identitätsfindung eintauchen; ja aufhören, Beobachter zu sein.

Das Unfassbare, das diesen Film umgibt, endet erwartungsgemäß nicht mit dem Film selbst. So sehr das Erlebnis dieser Vision uns prägt, ist dessen unglaubliche Entstehungsgeschichte mehr ein greller Blitz in der Geschichte des Filmemachens. Alles bisher Gesehene wird in eine vierte Dimension gerückt. Ein Faktor, der niemals außer Acht gelassen werden sollte.

„Apocalypse Now“ ist eine Geschichte voller Leid, erzählt durch nur noch mehr Leid. Haupdarsteller Martin Sheen erlitt eine Herzattacke, Francis Ford Coppola verkaufte sein Anwesen, um die laufenden Kosten des Films zu decken, Marlon Brando tauchte als vom Alkohol gezeichneter, fettleibiger Mann am Set auf, der nicht einmal das Drehbuch gelesen hatte (von Naturschäden wie einem Hurrikan, der komplette Sets zerlegte, ganz zu schweigen). Über ein Jahr war der Film in der Schnittphase, um 1979 mit einer Länge von 153 Minuten in Cannes uraufgeführt zu werden. Durch zahlreiche Kritiken hochgelobt, fiel der Film trotzdem an den Kassen durch. Dies bedeutete für Coppola aus finanziellen Gründen zwei Jahrzehnte voller Auftragsarbeiten; in den 1990ern unter anderem ”Der Regenmacher” und der dritte Teil der „Godfather“-Trilogie, von dem er eigentlich versprach, ihn nicht zu machen. Dennoch war dies der Film, der Coppola für mehr als zwei Jahrzehnte keine Ruhe gönnte.

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2001, Coppola: “I watched the TV edit from 1979 and I knew there was something wrong about it”. Mehrere Hundert Kilometer gefilmtes Material wurden neu gesichtet und zur „Redux“-Fassung erweitert. So enstand aus der Kinofassung dieses psychologischen Trips in den Abgrund der nun vorliegende Wahnsinn mit 202 Minuten Laufzeit, der seinen Umständen und Protagonisten gebührenden Tribut zollt.

Die Faszination des Erlebnisses, diesen Film zu sehen, ist moralisch gesprochen die Angst vor dem Scheitern. Wir werden permanent begeleitet von einer Angst vor dem Hier und Jetzt sowie unserem Unvermögen, dagegen anzukommen. Ein Gefühl, das durch die hypnotische Wirkung dieses Films uns gegen den Strudel nach unten zieht; bis hin zu seiner Quelle.

“…the Snake is long, seven Miles…
…weird Scenes inside the Goldmine…
…this is the END…”

Wer gewillt ist, dem Herzen der Finsternis noch näher zu kommen, dem sei an dieser Stelle der Dokumentarfilm “Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse” über die Entstehungsgeschichte dieses Meisterwerks wärmstens empfohlen, moderiert von Francis Ford Coppolas Ehefrau Eleanor.

Autor: David Schröder

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